Das nationale Barometer zur Gleichstellung zeigt: Männer und Frauen bewerten den Stand der Gleichstellung völlig unterschiedlich. Gerade bei der Generation Z sind die Differenzen frappant.
Der Gleichstellungsbarometer 2024 wurde im Auftrag der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten (SGK) von Sotomo erstellt.
Das sind die wichtigsten Erkenntnisse:
Für die Mehrheit der Frauen ist die Gleichstellung am Arbeitsplatz, in der Familie, in der Politik und in Führungspositionen noch nicht erreicht. Nur in Bezug auf die Ausbildung sieht sich die Mehrheit der Frauen den Männern gleichgestellt. Im Gegensatz dazu beurteilt die Mehrheit der Männer die Gleichstellung in allen genannten Bereichen als zumindest teilweise erreicht.
Mehr als vier von fünf Frauen haben bereits übergriffige Situationen erlebt. Von den Männern war jeder zweite mit einer übergriffigen Situation konfrontiert.
Die Umfrage befasst sich im Zusammenhang mit sexueller Gewalt ebenfalls mit der medialen Debatte zum Thema und ob es die Ansichten der befragten Personen verändert hat. Über alle Generationen hinweg wird dieser mediale Diskurs von einer grossen Mehrheit als «wichtig und überfällig» oder «eher wichtig» bezeichnet. Fast alle Frauen und vier von fünf Männern finden die Thematisierung von sexueller Belästigung wichtig.
Sieben von zehn Personen geben sogar an, dass diese Debatte bei ihnen eine Veränderung ausgelöst hat. Damit gemeint ist einerseits eine Reflexion auf das eigene Verhalten, aber auch ein besseres Verständnis für Betroffene von sexueller Gewalt.
59 Prozent der befragen Männer über alle Generationen sind der Ansicht, dass es nur zwei Geschlechter gibt.
Noch deutlicher dieser Meinung sind junge Männer der Generation Z mit 71 Prozent. Frauen aller Generationen sind deutlich offener gegenüber der Ansicht, dass es mehr als die binären Geschlechter gibt.
Nicht überraschend sind dann auch die Resultate zu den Ansichten der Befragten betreffend der Massnahmen zur Stärkung der LGBTIQ+-Gemeinschaft. Diese werden vor allem von Frauen und der Community selbst unterstützt.
Allerdings sind einige Forderungen, wie beispielsweise Gewaltprävention, die Erfassung von Hasskriminalität oder mehr Beratungsstellen für LGBTIQ+-Personen, durchaus politisch mehrheitsfähig.
Rund jeder dritte Mann sowie mehr als zwei von fünf Frauen aus jeder Generation denken, dass die Mehrheit der Eltern in der Schweiz nicht in der bevorzugten Arbeitsteilung leben. Mehr als jede zweite Frau der Generation X steht der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Schweiz kritisch gegenüber.
Die Mehrheit der Befragten ist der Ansicht, dass Eltern in der Schweiz eher unzufrieden sind mit der Aufteilung von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit. Lediglich jede fünfte Person denkt, dass die meisten Eltern in der Schweiz genau die Aufteilung leben, die sie gerne möchten. Mit der eigenen innerfamiliären Arbeitsteilung sind die Befragten aber grossmehrheitlich zufrieden.
Gestützt auf dieser Unzufriedenheit geniessen politische Forderungen, welche die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie fördern, breite Unterstützung in der Öffentlichkeit. Rund 91 Prozent der Befragten befürworten flexible Arbeitszeitmodelle, 76 Prozent eine flexibel aufteilbare Elternzeit und 74 Prozent die Schaffung von mehr Krippenplätzen.
Diese Forderungen treffen vor allem im politisch progressiven Lager auf viel Zustimmung, doch ist die Unterstützung auch in der politischen Mitte zu spüren. Selbst bei den Bürgerlichen sind mehr flexible Arbeitszeitmodelle mehrheitsfähig.
Die grössten Unterschiede in der Gleichstellung liegen laut Umfrage beim Lohn, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Karrieremöglichkeit sowie der Aufteilung der Hausarbeit. Alle diese Bereiche sind eng miteinander verknüpft. So bedingt die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Hausarbeit die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit in hohem Pensum, um zum Beispiel für Kinderbetreuung zu bezahlen. Das hohe Pensum ist wiederum entscheidend für Lohn und Karrierechancen. In erster Linie sind es finanzielle Gründe, die der gewünschten innerfamiliären Arbeitsteilung im Weg stehen.
Der Geschlechtergraben in der Wahrnehmung der Gleichstellung erklärt die Umfrage damit, dass viele Frauen Gender- und Frauenthemen begrüssen, wobei sich Männer durch diese oft nicht angesprochen oder sogar ausgeschlossen fühlen. Dabei sei es wichtig, so die Studie weiter, strukturelle Ungleichheiten anzugehen und die Gleichstellung voranzutreiben, ohne dabei bestimmte Gruppen, wie zum Beispiel (junge) Männer, auszuschliessen.
Auf die Frage, warum die Generation Z eine so deutliche Diskrepanz zu den älteren Generationen aufweist, kommt die Umfrage zum Schluss, dass viele Menschen in der Generation Z nicht oder noch nicht von fehlender Gleichstellung betroffen sind, da sie noch am Anfang des Berufslebens stehen und keine Kinder haben.