Schweiz
Energie

19 Grad im Büro – Die Schweiz liegt weit über dem selbstgesteckten Ziel

Pflanzen sorgen für eine erhöhte Luftfeuchtigkeit und eine stabilere Temperatur am Arbeitsplatz.
Pflanzen sorgen für eine erhöhte Luftfeuchtigkeit und eine stabilere Temperatur am Arbeitsplatz.Bild: Shutterstock

19 Grad im Büro – die Schweiz ist davon noch weit entfernt

Eine exklusive Auswertung von Bürogebäuden zeigt, dass hierzulande lieber bei 22 Grad gearbeitet wird. Das Sparpotenzial am Arbeitsplatz ist folglich massiv – und kann mit Pflanzen optimiert werden.
03.10.2022, 09:00
Florence Vuichard / ch media
Mehr «Schweiz»

Energiesparen ist angesagt, auch im Büro. Nicht mehr als 19 Grad Celsius solle die Temperatur am Arbeitsplatz betragen, so die bundesrätliche Empfehlung, die später noch zu einer Order umgewandelt werden könnte. Denn pro reduziertes Grad, so die Berechnungen der Experten, würden sich 5 bis 6 Prozent des Energiekonsums einsparen lassen.

Die Auswertungen des Zürcher Unternehmens Oxygen at Work zeigen nun, dass das Sparpotenzial tatsächlich beachtlich ist. Denn die Firma weiss, was hierzulande eigentlich gar niemand weiss: Nämlich wie warm es im Winter in den Schweizer Büros ist. Die Antwort: «Die durchschnittliche Bürotemperatur lag im vergangenen Winter bei 22 Grad», sagt Manuel Winter, Co-Gründer und Chef von Oxygen at Work. Das sind 3 Grad mehr als die angepeilten 19 Grad, was das Sparpotenzial beim Energiekonsum auf 15 bis 18 Prozent erhöht.

Messgeräte in den Büroräumlichkeiten

Oxygen at Work kennt die Schweizer Bürotemperaturen so genau, weil die Messung der Luftqualität zum Kerngeschäft des Unternehmens gehört, das Manuel Winter 2017 mit Joel Bloch und Rita Salathé gegründet hat und heute über 30 Mitarbeitende zählt. Nur wenn die Büroaufwerter die Temperatur, Luftfeuchtigkeit und den durchschnittlichen CO2-Gehalt genau kennen, können sie die Luftqualität ihrer Firmenkunden mit ihren Pflanzenkonzepten verbessern. Und so bestücken sie alle Räume mit kleinen Messgeräten, die nun Aussagen zu den Temperaturen im Schweizer Büropark erlauben.

Die Auswertung beruht auf Daten von über 300 Bürogebäuden – verteilt über die ganze Schweiz. Die Kunden seien in den unterschiedlichsten Immobilien untergebracht, vom hochmodernen Circle am Flughafen Zürich bis zum Altbau. «Unsere Daten sind also durchaus repräsentativ für den ganzen Büropark der Schweiz», betont Bloch. Rechne man den Datensatz von Oxygen at Work auf den gesamten Gebäudepark der Schweiz hoch, könnten pro Jahr rund 6 Terawattstunden (TWh) eingespart werden, was wiederum 15 Prozent der hiesigen Gasimporte ausmache.

Güterabwägung zwischen Lüften und Sparen

Und gemäss Winter und Bloch liegt gar noch mehr drin. «Unsere Analyse hat gezeigt, dass in den Büros viel zu viel gelüftet wird», halten die beiden im Gespräch mit CH Media fest. Sie vermuten, dass dies noch eine Folge der Coronapandemie sei, als den Menschen regelmässiges Stosslüften empfohlen wurde. «Halb so viel würde auch reichen», sagt Winter. Würde weniger gelüftet, würde das wiederum weniger Energie benötigen, weil weniger kalte Frischluft erwärmt werden müsste. Das Büro ist einer der grössten Hebel zum Energiesparen.

Doch: Corona ist noch nicht vorbei, lüften bleibt gut für die Gesundheit – auch wenn es im Widerspruch steht zum Energiesparziel. «Eine Güterabwägung ist hier dringend notwendig», sagt Winter. «Es geht darum, jetzt eine richtige Balance zu finden zwischen Komfort, Gesundheit und Energieverbrauch.»

Die Pflanze als Lösung

Insgesamt könnten mit tieferer Temperatur und weniger Lüften rund 40 Prozent der Heizenergie eingespart werden, was 35 Prozent des Schweizer Gasimports entsprechen würde, sagt Bloch. Und mit dem richtigen Pflanzenmix liesse sich noch mehr Energie sparen. Mit den richtigen Pflanzen am richtigen Ort könne die Lüftungskadenz vermindert, die Luftfeuchtigkeit erhöht und die Temperatur stabilisiert werden.

Die drei Gründer von Oxygen at Work: Joel Bloch, Manuel Winter und Rita Salathé (v.l.).
Die drei Gründer von Oxygen at Work: Joel Bloch, Manuel Winter und Rita Salathé (v.l.).bild: Zvg/aargauer zeitung

Die Pflanzen stehen am Anfang von Oxygen at Work. Die Idee dahinter: Pflanzen sind weit mehr als nur eine schöne Dekoration, sie verbessern auch die Luftqualität und das Klima – im eigentlichen und übertragenen Sinn. «Denn, wenn die Luftqualität besser ist, dann geht es den Angestellten besser – und letztlich wird auch die Arbeit besser», sagt Bloch. Und nebenbei kann jetzt auch mit Pflanzen Energie gespart werden. Die Investition in ein optimales Pflanzenkonzept sei vergleichsweise günstig, wie Winter ergänzt. Die Wirkung jedoch sei sehr gross.

Pflanzen werden nur gemietet

Die Pflanzen verbleiben im Besitz von Oxygen at Work, das Unternehmen vermietet sie nur an seine Kunden. «So können wir immer wieder Anpassungen vornehmen, um die Situation weiter zu optimieren», sagt Bloch. Dabei stützen sich er und sein Team auf die Messergebnisse zur Luftqualität, welche auch die Kunden jederzeit einsehen können.

Welche Pflanzen, wo zum Einsatz kommen, hängt gemäss Bloch von den Licht- und Raumverhältnissen an und von den Menschen, die dort arbeiten, «vom ganzen Büro-Ökosystem», wie er sagt. Es gebe nicht eine einzige Wunderpflanze, die alle Aufgaben auf einmal löse. Was er aber sagen kann: Die Pflanzen müssten in Gruppen aufgestellt werden, so werde ihre Wirkung verstärkt.

Ein Tisch und ein Stuhl reichen nicht mehr, um die Menschen zurückzuholen ins Büro

Die Dienste des Unternehmens, das schwarze Zahlen schreibt und Expansionspläne nach Deutschland verfolgt, sind stark gefragt – und das nicht nur, seit auch weniger auf Nachhaltigkeit fokussierte Firmen Pflanzen als Energiesparkonzept entdeckt haben. «Wir suchen dringend mehr Leute», sagt Winter.

Auch Covid hat mächtig zum Wachstum beigetragen, wie Bloch ergänzt. «Die Firmen wissen, dass sie heute mehr bieten müssen als einen Tisch und einen Stuhl, wenn sie die Menschen aus dem Homeoffice wieder an den Arbeitsplatz zurückholen wollen.» Bürozeit sei eine wertvolle Zeit. Für die optimale Nutzung brauche es Begegnungszonen – und eben Pflanzen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Crappy Office Designs aus der Hölle
1 / 20
Crappy Office Designs aus der Hölle
Stell dir vor, du musst jeden Tag in diesem Laden arbeiten.
quelle: imgur
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das ist der neue Google-Campus in Zürich
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
143 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Teresitas
03.10.2022 09:26registriert Oktober 2020
Die Temperatur allein entscheidet nicht, ob man friert oder nicht. Sitzt man in einem hohen Raum an einer Betonwand mit zugigen Fenstern, kann es sich auch mit 22 Grad kalt anfühlen. Neben einer gut isoliertenHolzwand hingegen kann es auch mit 19 Grad noch angenehm sein.
965
Melden
Zum Kommentar
avatar
Wentin
03.10.2022 09:34registriert Oktober 2018
Soll da noch einer draus kommen. Mehr lüften wegen den Viren, weniger lüften wegen der Energie und wenn Corona anzieht doch wieder e biitzeli mehr lüften, aber halt nit zu viel. Ich sehe schon die Glaubenskriege in den Schweizer Büros kommen...
899
Melden
Zum Kommentar
avatar
jackjack
03.10.2022 09:14registriert Januar 2022
Bei uns im Büro ist es so kalt, dass die Leute mit Jacken in die Sitzungen gehen. Konzentriert arbeiten ist so nicht möglich. Natürlich ist das Sparpotential riesig. Man muss jedoch schauen wie geheizt wird. Ist es z. B. Abwärme von irgendetwas was sowieso Wärme erzeugt, macht es nichts, wenn es 22 Grad sind. So wird die Energie wenigstens verwendet. Wird nur auf 19 Grad geheizt verpufft der Rest einfach.
7814
Melden
Zum Kommentar
143
Die Mitte alleine auf weiter Flur: Die Kostenbremse-Initiative erklärt
Die Krankenkassenprämien steigen und steigen. Die Parteien haben unterschiedliche Rezepte, die sie dagegen vorschlagen. Mit der Kostenbremse-Initiative, über die wir im Juni abstimmen, will die Mitte-Partei das zulässige Prämienwachstum an die Lohn- und Wirtschaftsentwicklung koppeln. Wir erklären.

Wer in der Schweiz wohnt, verpflichtet sich per Gesetz, sich bei einer Krankenkasse seiner Wahl zu versichern. Durch die obligatorische Krankenversicherung, die 1996 eingeführt wurde, erhält umgekehrt auch jede Person die nötige medizinische Behandlung.

Zur Story