Die Eggberge hoch über dem Urnersee sind ein beliebtes Ausflugsgebiet. Eine Seilbahn bringt die Gäste von Flüelen in weniger als zehn Minuten auf knapp 1500 Meter Höhe. Direkt neben der Bergstation befindet sich ein Gasthaus mit Terrasse. Wer sich ihm nähert, erblickt auf dem Dach eine Photovoltaik-Anlage. Mit ihr verbindet sich eine spezielle Geschichte.
Das Berggasthaus Eggberge wurde vor ein paar Jahren von Gaby und Andy Brownrigg gekauft. Er ist Engländer, sie Schwyzerin. Zuvor führten sie ein ähnliches Restaurant in Graubünden. Auf den Eggbergen waren sie zuerst abgeschreckt, denn das Haus war auf gut Deutsch eine veritable Bruchbude. Die traumhafte Lage überzeugte sie trotzdem.
Klar war aber auch: Es musste kräftig investiert werden. Das taten die Brownriggs. Seit 2019 haben sie das Berggasthaus mit acht Gästezimmern, die bis zu 24 Personen beherbergen können, umfassend renoviert. Aus dem abgetakelten Kasten entstand ein Bijou, heimelig im besten Sinn des Wortes. Als Besucher ist man auf Anhieb beeindruckt.
Letztes Jahr folgte als Abschluss ein neues Dach. Dessen grosse Fläche lud regelrecht dazu ein, eine Solaranlage zu installieren. «Wir haben das von Anfang an geplant», erzählt Gaby Brownrigg beim Augenschein vor Ort. Sie und ihr Mann wandten sich an die Gemeindewerke Erstfeld, die im Kanton Uri in diesem Bereich eine führende Rolle spielen.
Damit beginnt der interessante Teil, denn die Erstfelder verwiesen die Brownriggs auf ein Impulsprogramm der Schweizer Berghilfe. Sie wird in vielen Köpfen vor allem mit der Unterstützung armer Bergbauernfamilien in Verbindung gebracht. Auch Gaby Brownrigg tappte voll in diese Klischee-Falle: «Wir dachten, die Berghilfe sei nur für die Bauern da.»
Dieses Bild aber ist überholt. Die diesjährige nationale Sammelkampagne von Ende Januar bis Mitte Februar widmete sich den erneuerbaren Energien. Unterstützt werden etwa Biogas-Anlagen, Holzheizungen – und Solarstrom. Photovoltaik ist im Berggebiet sehr effizient, besonders im Winter. Bei Kälte ist der Wirkungsgrad höher als bei Hitze.
Mit Blick auf den drohenden Strommangel im Winter 2022/23 verabschiedete das Parlament in Bern deshalb den Solarexpress. Dieser ist auf grosse Flächenanlagen ausgerichtet. Für Schlagzeilen sorgten einige Rückschläge, doch der Solarexpress ist besser als sein Ruf. Mittlerweile wurden mehr Anlagen von der lokalen Bevölkerung angenommen als abgelehnt.
Die Berghilfe aber richtete den Fokus auf Anlagen auf bestehenden Gebäuden, nach dem Motto «Kleinvieh macht auch Mist». Man habe sich schon zuvor mit Nachhaltigkeit beschäftigt, erzählt Beatrice Zanella, Leiterin Projekte und Partnerschaften bei der Berghilfe, im Gespräch mit watson: «Doch wir stellten fest, dass wir zwar noch vereinzelt Ölheizungen unterstützten, aber erst wenige Solaranlagen.»
Der «Krisenherbst» 2022 gab den endgültigen Anstoss für das Solar-Impulsprogramm. «Wir haben es innerhalb von drei bis vier Monaten aus dem Boden gestampft», sagt Zanella. Mit grossem Erfolg. Ende 2023 waren es 281 Anlagen, die mit einem Gesamtbeitrag von 8,3 Millionen Franken unterstützt wurden: «Jetzt sind wir bei 450 Anlagen und 13 Millionen Franken.»
Es ist eine beachtliche Summe für die Berghilfe, die sich ausschliesslich aus Spenden finanziert und letztes Jahr gut 39 Millionen Franken an Unterstützung geleistet hat, so viel wie nie zuvor. Das Solarprogramm aber passe zur Berghilfe, betont Beatrice Zanella. Und zur ganzen Schweiz, in der die Solarenergie gerade einen enormen Boom erlebt.
Die Brownriggs auf den Eggbergen wandten sich nach dem Tipp aus Erstfeld ebenfalls an die Berghilfe. Diese schickte einen ehrenamtlichen Experten, der dem Ehepaar angesichts der geleisteten Investitionen erst einmal einen Rüffel verpasst habe, erzählt Gaby Brownrigg lachend: «Er fragte uns, warum wir uns nicht früher bei ihnen gemeldet hätten.»
Konkret heisst dies, dass schon die Sanierung unterstützt worden wäre. Denn ein Gasthaus schafft Arbeitsplätze und erzeugt Wertschöpfung. «Unser Ziel ist eine belebte Bergwelt», sagt Beatrice Zanella. Deshalb unterstütze man sehr gerne Berghotels. Weil nun die Sanierung mitberücksichtigt wird, ist unklar, wie viel die Brownriggs bekommen werden.
Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Berghilfe neben der Solaranlage auch einen Beitrag an die Sanierungskosten leisten wird. Das ist nicht selbstverständlich. Die berüchtigten Mitnahmeeffekte sind durchaus relevant. «Wir haben klare Kriterien», sagt Zanella. Je nach finanzieller Situation der Betriebe werde ein Gesuch auch abgelehnt: «Wenn die Investition für den Betrieb finanziell tragbar ist, sagen wir Nein.»
Auf den Eggbergen wurde sie bereits installiert. Geplant war dies ursprünglich für den letzten Herbst, nach Abschluss der Dachsanierung. Doch das Wetter spielte nicht mit. Anfang April aber fand sich ein Fenster. Die Panels wurden per Helikopter transportiert und mit vereinten Kräften montiert. Am 15. April wurde die Solaranlage in Betrieb genommen.
Sie hat eine Leistung von 28 Kilowatt. Beim Besuch von watson zu Beginn der Woche lag das Gasthaus im Nebel, doch selbst dann lieferte die Anlage noch rund 3,5 Kilowatt, wie Gaby Brownrigg auf der zugehörigen App zeigt. Durch den Einbau neuer und effizienter Geräte im Rahmen der Sanierung wird der Stromverbrauch zusätzlich optimiert.
«Der mit Abstand grösste Stromfresser ist die Küche», erzählen die Brownriggs. Sie wird zur Mittagszeit am stärksten beansprucht, wenn an schönen Tagen die Ausflügler aus dem Unterland ins Urnerland strömen. Genau dann aber liefert auch die Anlage am meisten Strom. Daraus ergibt sich auf den Eggbergen eine Win-win-Situation.
Eine Batterie hat das Ehepaar nicht installiert. Das wäre auch nicht im Sinn der Berghilfe. «Wir finanzieren nur in Ausnahmefällen Batterien und sonst hauptsächlich Anlagen, die einen Teil des Stroms wieder ins Netz einspeisen», betont Beatrice Zanella. Damit wolle man zur Energiewende beitragen: «Wir erhalten Spenden aus den Städten und können so etwas zurückgeben.»
Für die gebürtige Walliserin ist auch das Stromgesetz ein Thema, über das am 9. Juni abgestimmt wird. Es hat beste Chancen und könnte dem Ausbau einen weiteren Schub verpassen. Gerade im Berggebiet bedeutet dies aber eine Belastung für die Stromnetze, etwa wenn mehrere Bauern eine Anlage installieren und den Strom gleichzeitig einspeisen möchten.
Bei der Berghilfe befürwortet man deshalb, dass im neuen Gesetz die Verstärkung der Verteilnetze in den ländlichen Regionen ein explizites Thema ist. Auf den Eggbergen bei Gaby und Andy Brownrigg aber hat am Mittwoch die Sommersaison begonnen. Schon das lange Auffahrtswochenende verspricht schönes Wetter. Und einen ersten «Härtetest» für die neue Solaranlage.
Alles in allem tragen vor Ort Batterien auch zur Netzstabilisierung bei.