Schon als Nationalrat war Albert Rösti ein versierter Energiepolitiker. Sein Fokus galt der Wasserkraft – der Berner präsidierte den zugehörigen Interessenverband. Zur Solarenergie hatte er ein eher indifferentes Verhältnis. Rösti war kein Gegner, aber auch kein engagierter Befürworter der Photovoltaik. Spätestens seit Donnerstag hat sich das womöglich geändert.
Der Energieminister trat als Eröffnungsredner an der diesjährigen Photovoltaik-Tagung auf, die an der EPFL in Lausanne durchgeführt wurde. Rösti sei beeindruckt gewesen, hiess es aus den Reihen der Organisatoren. Denn das Klischee, wonach die Solarenergie eine Spinnerei grüner Idealisten in Birkenstock-Sandalen ist, hat sich komplett überlebt.
«Die Solarbranche ist ein professioneller Industriezweig», sagte Matthias Egli, Geschäftsführer des Verbands Swissolar, zu Beginn der zweitägigen Konferenz. In diesem Zeitraum würden landesweit 250 neue Solaranlagen ans Netz gehen, sagte Egli. Viele sind klein, und dennoch hat der Zubau markante Folgen für die Stromversorgung.
Wer immer noch glaubt, der Solarstrom sei unbedeutend, muss dringend umdenken. Ende letzten Jahres sorgte Swissolar mit der Prognose für Aufsehen, dass er schon 2024 zehn Prozent des gesamten Schweizer Strombedarf liefern wird. Das entspricht einem Anteil von über sechs Terawattstunden und ist mehr, als die beiden Beznau-Reaktoren produzieren.
Das hätte selbst der Energieminister nicht für möglich gehalten. «An dieses Tempo habe ich nicht geglaubt», gestand Albert Rösti zu Beginn seiner Ansprache in Lausanne. Er sei vor allem dankbar dafür, «wie viel Solarenergie bereits für den Winter hergestellt wird». Schon im nächsten Winterhalbjahr dürfte die Produktion bei rund zwei Terawattstunden liegen.
Das entspricht gemäss Swissolar rund der Hälfte des Importbedarfs in der kalten Jahreszeit. Dieses Ziel wird erreicht, ohne dass auch nur eine der umstrittenen alpinen Grossanlagen ans Netz gegangen ist. Rösti räumte mit dem Vorurteil auf, der sogenannte Solarexpress sei entgleist: «Bislang wurden mehr Anlagen von den Gemeinden angenommen als abgelehnt.»
Der Zubau mag beeindruckend sein, aber er genügt nicht. Bis 2035 soll die Produktion aus neuen erneuerbaren Energien auf 35 Terawattstunden pro Jahr steigen. Angesichts der Widerstände beim Ausbau der Windkraft muss dafür in erster Linie die Solarenergie sorgen. Möglich machen soll es das Stromgesetz, über das am 9. Juni abgestimmt wird.
Bundesrat Rösti hat den Abstimmungskampf am Montag offiziell eröffnet. «Wir brauchen viel mehr Strom», sagte er vor den Medien. Er hat die Monstervorlage entscheidend mitgeprägt und mit nur wenigen Gegenstimmen durchs Parlament gebracht (im Ständerat gab es gar keine). Doch mehrere kleinere Umweltorganisationen haben das Referendum ergriffen.
Das wäre wohl kein grosses Problem, doch nun droht Rösti Widerstand ausgerechnet aus den eigenen Reihen. Führende Köpfe in der SVP hatten im Parlament mit Nein gestimmt, darunter Thomas Aeschi, Magdalena Martullo-Blocher und der künftige Präsident Marcel Dettling. Nun orchestrieren sie einen «Putsch von oben», so die «NZZ am Sonntag».
Ende Februar habe der Parteileitungsausschuss hinter verschlossenen Türen die Nein-Parole beschlossen, schrieb die Zeitung. Als treibende Kraft gilt Martullo-Blocher, die «einen Feldzug gegen das Gesetz» führe. Die Gegner sind in ihren Mitteln nicht wählerisch. Sie behaupten etwa, Albert Rösti sei nur für die Vorlage, weil er nun im Bundesrat sei.
Angesichts der Vorgeschichte und seines offenkundigen Engagements ist das eine sehr steile These. Zum Showdown und zur definitiven Parolenfassung kommt es am Samstag an der Delegiertenversammlung in Langenthal (BE), an der Dettling definitiv zum Präsidenten gewählt wird. Immerhin darf Rösti dabei ein Einführungsvotum zum Stromgesetz halten.
Total dagegen ist die SVP bei diesem Thema ohnehin nicht. Ganz im Gegenteil. Gerade führende Energiepolitiker engagieren sich für ein Ja. Der Solothurner Nationalrat Christian Imark und der Thurgauer Ständerat Jakob Stark sind Co-Präsidenten des Ja-Komitees und wollen es auch bleiben, wenn die SVP-Delegierten die Nein-Parole beschliessen sollten.
Im Komitee sitzen zahlreiche weitere SVP-Politiker, darunter «Schwergewichte» wie der Berner Ständerat Werner Salzmann und die St. Galler Ständerätin Esther Friedli. Deren Kantonalpartei hat mit 89 zu 16 Stimmen überraschend klar die Ja-Parole beschlossen. Die Befürworter des Stromgesetzes sind in Langenthal somit keineswegs chancenlos.
Er wolle keine Prognose abgeben, sagte Albert Rösti, als watson ihn in Lausanne auf die SVP-DV ansprach. Das Verhalten der Delegierten ist oft unberechenbar. Die Parteibasis hingegen dürfte dem Bundesrat gewogen sein, schliesslich wirbt er damit, das Stromgesetz stärke «die Unabhängigkeit und Souveränität» der Schweiz.
Am Ende könnte es auf eine Stimmfreigabe hinauslaufen. Es wäre ein Erfolg für Rösti. Allerdings sind auch in der Strombranche nicht alle begeistert über das Gesetz und die vorliegenden Verordnungsentwürfe. Sie hätten sich ein noch ambitionierteres Vorgehen gewünscht. «Gehen wir Schritt für Schritt vorwärts», sagte Rösti an ihre Adresse.
Zum weiteren Ausbau äusserte sich der Energieminister in Lausanne zuversichtlich: «Wenn es so weitergeht, sind wir in vier Jahren bei 20 Prozent Solarstrom.» Bis zum erklärten Ziel der Branche, einem Anteil von 50 Prozent an der einheimischen Stromproduktion bis 2050, müsse man noch «extrem viel unternehmen», sagte Swissolar-Geschäftsführer Egli.
Dafür soll das Stromgesetz die Grundlage liefern. Bislang war es bekannt unter dem eher abstrakten Begriff Mantelerlass. «Da fragen sich die Leute, ob das etwas zum Anziehen ist», meinte Bundesrat Rösti. Jetzt heisse es Gesetz für eine sichere Stromversorgung. «Das kann eigentlich niemand ablehnen», sagte er mit einem Seitenhieb gegen die SVP-Abweichler.
Es war einer der wenigen Momente am Donnerstag, an denen die rund 1000 Anwesenden spontan applaudierten.
Und wenn die SVP-Wähler ihrer Partei dieses Aufmerksamkeits-heischende Pseudoreferendum, deren Vorlage von ihrem Wunsch-BR im Wunsch-Departement gezimmert wurde und das sie im Parlament noch unterstützt haben, einmal mehr durchgehen lassen, gebe ich diese Partei endgültig und vollständig als konstruktiven Part unserer Politik auf. Diese dummen Trotzspiele sind einfach viel zu teuer.