Schweiz
Energie

Rösti kämpft für das Stromgesetz und gegen den «Feind» in der SVP

Auftritt bei Freunden: Albert Rösti am Donnerstag an der Photovoltaik-Tagung in Lausanne.
Auftritt bei Freunden: Albert Rösti am Donnerstag an der Photovoltaik-Tagung in Lausanne.bild: Swissolar/adriano Koch

Rösti und das Stromgesetz: Der «Feind» sitzt in der eigenen Partei

Albert Rösti weibelt für den Ausbau der einheimischen Stromversorgung. Die grösste Herausforderung für den Bundesrat ist die eigene Partei: Führende SVP-Köpfe bekämpfen die Vorlage.
22.03.2024, 17:0726.03.2024, 10:48
Mehr «Schweiz»

Schon als Nationalrat war Albert Rösti ein versierter Energiepolitiker. Sein Fokus galt der Wasserkraft – der Berner präsidierte den zugehörigen Interessenverband. Zur Solarenergie hatte er ein eher indifferentes Verhältnis. Rösti war kein Gegner, aber auch kein engagierter Befürworter der Photovoltaik. Spätestens seit Donnerstag hat sich das womöglich geändert.

Der Energieminister trat als Eröffnungsredner an der diesjährigen Photovoltaik-Tagung auf, die an der EPFL in Lausanne durchgeführt wurde. Rösti sei beeindruckt gewesen, hiess es aus den Reihen der Organisatoren. Denn das Klischee, wonach die Solarenergie eine Spinnerei grüner Idealisten in Birkenstock-Sandalen ist, hat sich komplett überlebt.

Solaranlage auf der Autobahnüberdachung Stansstad
Grosse Anlagen sind auch auf Infrastrukturen möglich, hier auf der Autobahnüberdachung von Stansstad (NW).Bild: Plan E AG

«Die Solarbranche ist ein professioneller Industriezweig», sagte Matthias Egli, Geschäftsführer des Verbands Swissolar, zu Beginn der zweitägigen Konferenz. In diesem Zeitraum würden landesweit 250 neue Solaranlagen ans Netz gehen, sagte Egli. Viele sind klein, und dennoch hat der Zubau markante Folgen für die Stromversorgung.

Nicht an Tempo geglaubt

Wer immer noch glaubt, der Solarstrom sei unbedeutend, muss dringend umdenken. Ende letzten Jahres sorgte Swissolar mit der Prognose für Aufsehen, dass er schon 2024 zehn Prozent des gesamten Schweizer Strombedarf liefern wird. Das entspricht einem Anteil von über sechs Terawattstunden und ist mehr, als die beiden Beznau-Reaktoren produzieren.

Das hätte selbst der Energieminister nicht für möglich gehalten. «An dieses Tempo habe ich nicht geglaubt», gestand Albert Rösti zu Beginn seiner Ansprache in Lausanne. Er sei vor allem dankbar dafür, «wie viel Solarenergie bereits für den Winter hergestellt wird». Schon im nächsten Winterhalbjahr dürfte die Produktion bei rund zwei Terawattstunden liegen.

Der Solarexpress rollt

Das entspricht gemäss Swissolar rund der Hälfte des Importbedarfs in der kalten Jahreszeit. Dieses Ziel wird erreicht, ohne dass auch nur eine der umstrittenen alpinen Grossanlagen ans Netz gegangen ist. Rösti räumte mit dem Vorurteil auf, der sogenannte Solarexpress sei entgleist: «Bislang wurden mehr Anlagen von den Gemeinden angenommen als abgelehnt.»

Der Zubau mag beeindruckend sein, aber er genügt nicht. Bis 2035 soll die Produktion aus neuen erneuerbaren Energien auf 35 Terawattstunden pro Jahr steigen. Angesichts der Widerstände beim Ausbau der Windkraft muss dafür in erster Linie die Solarenergie sorgen. Möglich machen soll es das Stromgesetz, über das am 9. Juni abgestimmt wird.

«Putsch von oben» in der SVP

Bundesrat Rösti hat den Abstimmungskampf am Montag offiziell eröffnet. «Wir brauchen viel mehr Strom», sagte er vor den Medien. Er hat die Monstervorlage entscheidend mitgeprägt und mit nur wenigen Gegenstimmen durchs Parlament gebracht (im Ständerat gab es gar keine). Doch mehrere kleinere Umweltorganisationen haben das Referendum ergriffen.

Das wäre wohl kein grosses Problem, doch nun droht Rösti Widerstand ausgerechnet aus den eigenen Reihen. Führende Köpfe in der SVP hatten im Parlament mit Nein gestimmt, darunter Thomas Aeschi, Magdalena Martullo-Blocher und der künftige Präsident Marcel Dettling. Nun orchestrieren sie einen «Putsch von oben», so die «NZZ am Sonntag».

Martullo-Blochers Feldzug

Ende Februar habe der Parteileitungsausschuss hinter verschlossenen Türen die Nein-Parole beschlossen, schrieb die Zeitung. Als treibende Kraft gilt Martullo-Blocher, die «einen Feldzug gegen das Gesetz» führe. Die Gegner sind in ihren Mitteln nicht wählerisch. Sie behaupten etwa, Albert Rösti sei nur für die Vorlage, weil er nun im Bundesrat sei.

Magdalena Martullo-Blocher, SVP-GR, Mitte, diskutiert mit Marcel Dettling, SVP-SZ, links, und Thomas Aeschi, SVP-ZG, waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 6. Dezember 202 ...
Marcel Dettling, Magdalena Martullo-Blocher und Thomas Aeschi bekämpfen Röstis Stromgesetz.Bild: keystone

Angesichts der Vorgeschichte und seines offenkundigen Engagements ist das eine sehr steile These. Zum Showdown und zur definitiven Parolenfassung kommt es am Samstag an der Delegiertenversammlung in Langenthal (BE), an der Dettling definitiv zum Präsidenten gewählt wird. Immerhin darf Rösti dabei ein Einführungsvotum zum Stromgesetz halten.

Prominente Befürworter

Total dagegen ist die SVP bei diesem Thema ohnehin nicht. Ganz im Gegenteil. Gerade führende Energiepolitiker engagieren sich für ein Ja. Der Solothurner Nationalrat Christian Imark und der Thurgauer Ständerat Jakob Stark sind Co-Präsidenten des Ja-Komitees und wollen es auch bleiben, wenn die SVP-Delegierten die Nein-Parole beschliessen sollten.

Im Komitee sitzen zahlreiche weitere SVP-Politiker, darunter «Schwergewichte» wie der Berner Ständerat Werner Salzmann und die St. Galler Ständerätin Esther Friedli. Deren Kantonalpartei hat mit 89 zu 16 Stimmen überraschend klar die Ja-Parole beschlossen. Die Befürworter des Stromgesetzes sind in Langenthal somit keineswegs chancenlos.

Schritt für Schritt vorwärts

Er wolle keine Prognose abgeben, sagte Albert Rösti, als watson ihn in Lausanne auf die SVP-DV ansprach. Das Verhalten der Delegierten ist oft unberechenbar. Die Parteibasis hingegen dürfte dem Bundesrat gewogen sein, schliesslich wirbt er damit, das Stromgesetz stärke «die Unabhängigkeit und Souveränität» der Schweiz.

Am Ende könnte es auf eine Stimmfreigabe hinauslaufen. Es wäre ein Erfolg für Rösti. Allerdings sind auch in der Strombranche nicht alle begeistert über das Gesetz und die vorliegenden Verordnungsentwürfe. Sie hätten sich ein noch ambitionierteres Vorgehen gewünscht. «Gehen wir Schritt für Schritt vorwärts», sagte Rösti an ihre Adresse.

In vier Jahren bei 20 Prozent?

Zum weiteren Ausbau äusserte sich der Energieminister in Lausanne zuversichtlich: «Wenn es so weitergeht, sind wir in vier Jahren bei 20 Prozent Solarstrom.» Bis zum erklärten Ziel der Branche, einem Anteil von 50 Prozent an der einheimischen Stromproduktion bis 2050, müsse man noch «extrem viel unternehmen», sagte Swissolar-Geschäftsführer Egli.

Dafür soll das Stromgesetz die Grundlage liefern. Bislang war es bekannt unter dem eher abstrakten Begriff Mantelerlass. «Da fragen sich die Leute, ob das etwas zum Anziehen ist», meinte Bundesrat Rösti. Jetzt heisse es Gesetz für eine sichere Stromversorgung. «Das kann eigentlich niemand ablehnen», sagte er mit einem Seitenhieb gegen die SVP-Abweichler.

Es war einer der wenigen Momente am Donnerstag, an denen die rund 1000 Anwesenden spontan applaudierten.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Solarenergie aus dem Veloweg
1 / 8
Solarenergie aus dem Veloweg
Ein Fahrradweg, der Solarenergie erzeugt: «SolaRoad».
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Energiespar-Tipps 1974
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
72 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Wolfman
22.03.2024 18:49registriert April 2020
Die SVP ist der Feind der CH. Ein Bremsklotz ohnegleichen. Gegen alles sein, was innovativ ist. Gegen alles sein, was dem Normalbürger und Büezer zu Gute kommt. Gegen Ausländer sein aber kein Problem damit, das ihre Wirrschaftslobby laufend Arbeitskräfte aus dem Ausland holt. Den Mieterschutz aufweichen und ständig das Arbeitsgesetz zu Gunsten ihrer Lobby sushöhlen und dann motzen, wenn Kantone Mindestlöhne einführen. Ja, der Feind liegt in der SVP.
1577
Melden
Zum Kommentar
avatar
Urs der Bär
22.03.2024 17:34registriert Oktober 2022
Ja typisch SVP, für den Autobahnausbau sein aber natürlich nur die Windräder sind nicht schön und sind zu verhindern. Konsequent wäre entweder für beides oder gegen beides zu sein. Alles andere ist Populismus.
11914
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pafeld
22.03.2024 18:54registriert August 2014
Die SVP zusammen mit den "grünen Spinnervereinen", die mit ihren Einsprachen ja immer den Ausbau der alternativen Energien lahmlegen? Da haben sich ja zwei gefunden, die sich gegenseitig verdient haben...

Und wenn die SVP-Wähler ihrer Partei dieses Aufmerksamkeits-heischende Pseudoreferendum, deren Vorlage von ihrem Wunsch-BR im Wunsch-Departement gezimmert wurde und das sie im Parlament noch unterstützt haben, einmal mehr durchgehen lassen, gebe ich diese Partei endgültig und vollständig als konstruktiven Part unserer Politik auf. Diese dummen Trotzspiele sind einfach viel zu teuer.
475
Melden
Zum Kommentar
72
«Stopp WHO» – Rimoldi und Co. demonstrieren in Bern gegen Pandemieabkommen

Mehrere hundert Menschen haben am Samstag in Bern gegen das WHO-Pandemieabkommen demonstriert. Zur Kundgebung aufgerufen hatte die Bewegung Mass-Voll.

Zur Story