Das neue Stromgesetz, der sogenannte Mantelerlass, ist in der Schwebe. Eine Allianz aus kleineren Umweltverbänden unter Führung der Fondation Franz Weber hat am Donnerstag das Referendum mit 63‘184 Unterschriften eingereicht. Sie müssen von der Bundeskanzlei geprüft werden, dennoch dürfte es im Verlauf des Jahres zur Abstimmung kommen.
Der Mantelerlass war im letzten Herbst vom Parlament verabschiedet worden und geniesst breiten Rückhalt. Entsprechend verärgert reagierten grössere Organisationen wie WWF und Greenpeace auf das Referendum. Selbst die Fondation Weber räumt ein, das Stromgesetz enthalte «einige positive Aspekte zur Beschleunigung der Energiewende».
Die Chancen des Mantelerlasses vor dem Stimmvolk sind intakt. Allerdings droht eine Verzögerung beim Ausbau der erneuerbaren Energien, denn die Vorlage enthält unter anderem neue Förderinstrumente und vereinfachte Verfahren zum Ausbau. Die gute Nachricht: Es geht beim Solarstrom trotzdem vorwärts, und das mit beachtlichem Tempo.
Mit Solarenergie verbinden sich Klischees. Sie liefere unzuverlässig Strom, und ihr Anteil am Gesamtverbrauch sei minim. Zumindest im zweiten Punkt ist Umdenken angesagt: 2023 konnte der Zubau bei der Photovoltaik gegenüber dem Vorjahr um fast 40 Prozent auf 1,5 Gigawatt gesteigert werden, teilte der Verband Swissolar kurz vor Weihnachten mit.
Die Zahlen sind provisorisch. Und die starke Zunahme erstaunt angesichts des wiederholt beklagten Fachkräftemangels und zeitweiliger Lieferengpässe. Swissolar geht davon aus, dass 2024 rund sechs Terawattstunden Strom mit Photovoltaik produziert werden. Das entspricht rund zehn Prozent des gesamten Jahresverbrauchs in der Schweiz.
Dieses Ziel sollte erst 2025 erreicht werden. Es wurde in einer Zeit formuliert, in der es mit dem Ausbau geharzt hatte. Ein «Musterknabe» ist die Schweiz aber nicht. Noch 2022 lag sie bei der Solar- und Windproduktion in Europa auf den hinteren Plätzen. Spitzenreiter bei den «neuen Erneuerbaren» ist Dänemark mit 63 Prozent.
In Deutschland wurde letztes Jahr die Schwelle von 50 Prozent «geknackt», sagte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, gegenüber Reuters. Die Schweiz hat mit zehn Prozent Solarstrom einiges aufzuholen. Allerdings liefert die Wasserkraft einen beträchtlichen Anteil an der Stromerzeugung.
Für die Dekarbonisierung braucht die Schweiz jedoch viel mehr Strom. Im Bundesgesetz für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, dem besagten Mantelerlass, sind 35 Terawattstunden mit Solar- und Windenergie vorgesehen. Bei sechs TWh Solarstrom in diesem Jahr gibt es noch einiges zu tun, auch weil die Schweiz kaum ein «Windland» wird.
Die Richtung aber stimmt, auch auf globaler Ebene. Der Ausbau von Solar- und Windenergie legte 2023 um 50 Prozent zu, teilte die Internationale Energieagentur (IEA) letzte Woche mit. Haupttreiber ist China. Allein dort gingen laut der IEA letztes Jahr so viele Photovoltaik-Anlagen in Betrieb wie im Jahr davor auf der ganzen Welt.
Trotz eindrücklicher Zahlen genügt das bisherige Tempo aber nicht, um die an der Weltklimakonferenz in Dubai angestrebten Ziele zu erreichen. Viele Schwellen- und Entwicklungsländer seien im Rückstand, sagte IEA-Direktor Fatih Birol. Trotzdem dürften erneuerbare Energien schon 2025 die Kohle als wichtigste Stromquelle ablösen.
Der «Solarexpress» nimmt Fahrt auf. Unter dieser Bezeichnung hatte das Parlament Ende 2022 eine Vorlage verabschiedet, die die Produktion von Winterstrom aus alpinen Solaranlagen massiv beschleunigen wollte. Zuletzt aber wurde eher ein «Bummler» daraus. Mehrere ambitionierte Solarprojekte scheiterten am Widerstand der Standortgemeinden.
Matthias Egli von Swissolar will dennoch nicht von einem Rückschlag sprechen. Alpine Solaranlagen seien «etwas Neues, Innovatives». Man habe damit gerechnet, dass nur ein Teil der geplanten Projekte realisiert werden kann. Egli ist zuversichtlich, dass sie wie im «Solarexpress» gefordert bis Ende 2025 teilweise ans Netz gehen werden.
Alpiner Solarstrom sei wichtig, sagt der Swissolar-Geschäftsführer gegenüber watson. Doch schon mit bestehenden Photovoltaik-Anlagen auf Infrastrukturen würden fast zwei Terawattstunden Winterstrom produziert. Das entspricht dem Zielwert im «Solarexpress». Möglich sei dies dank des vermehrten Baus von vertikalen Anlagen an Fassaden.
Grosse Hoffnungen verbindet der Branchenverband mit dem neuen Stromgesetz, das zusätzliche Förderinstrumente vorsieht. Fast noch wichtiger sind für Egli die regulatorischen Vereinfachungen. Sie erleichtern etwa die Gründung von lokalen Elektrizitätsgemeinschaften sowohl für den Eigenverbrauch wie für die Einspeisung ins allgemeine Stromnetz.
Das Referendum richtet sich nicht gegen Solaranlagen auf Hausdächern, an Fassaden oder auf Parkplätzen, betonen die Gegner des Mantelerlasses. Es geht ihnen um den Natur- und Landschaftsschutz, den sie durch Windräder oder alpine Solaranlagen gefährdet sehen. Ob das Stimmvolk die Befürchtungen nachvollziehen kann, wird sich zeigen.
Energieminister Albert Rösti zeigte sich am Stromkongress in Bern zuversichtlich. Der Mantelerlass sei «alternativlos». Es sei einfach falsch zu sagen, das ganze Land werde mit Solaranlagen und Windrädern zugepflastert. Er selbst sei nicht als «Wind-Fan» bekannt, so der Bundesrat. Aber Tatsache sei nun einmal: «Wir brauchen mehr inländischen Strom.»
Nicht nachhaltige Energiegewinnung ist entweder teurer, man unterstützt Diktaturen oder zerstört langfristig den Planeten.
Meistens alle 3.
Wer rechnen kann und findet, dass die Saudis und Russland nicht noch mehr Macht erhalten sollten, der setzt für nachhaltige Energie ein.
Simple as that.
Es gibt keine andere Option.
Und Nein: Kernenergie ist zu teuer, wenn man die Risiken bei einem GAU (oder auch nur einem kleineren Unfall) richtig einkalkulieren würde.
Das ist kein "wenn nicht sofort reagieren". Das ist nun klar.
In verschiedenen Risk-Managerberichten wurde der letzte Schweizer Gletscher von 2050 auf 2040 korrigiert. Freu mich dann auf die Klagen der Bergregionen, weil kein Schnee mehr kommt.