Laut Alain Chablais, dem Vertreter des Bundes vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), muss die Schweiz nach dem Klimaurteil der Strassburger Richter handeln. «Es liegt nun an den Behörden, die Situation zu analysieren und Wege zu skizzieren.»
Es sei ein wichtiges, sorgfältig detailliertes Urteil, das die Schweiz verpflichte, Massnahmen zu ergreifen, sagte Chablais am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Nach dem Präzedenzurteil werde nun die Debatte darüber beginnen, was zu tun sei.
Chablais gehört dem Bundesamt für Justiz (BJ) an und vertritt die Schweizer Regierung am Strassburger Gerichtshof. Während der Anhörungen vor dem EGMR hatte Chablais festgehalten, dass mit der Beschwerde der Klimaseniorinnen versucht werde, zu suggerieren, dass die Schweiz untätig sei. Er argumentierte auch, dass der Gerichtshof nicht zu dem Ort berufen sei, an dem über die nationale Klimaschutzpolitik entschieden werde.
Nach dem Urteil stellte Chablais nun fest, dass die Klägerinnen in Bezug auf zwei Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) inhaltlich Recht bekommen hätten. Inhaltlich kommentierte er das Urteil nicht weiter, gab aber zu bedenken, dass die Schweiz verpflichtet sein werde, das Urteil zu respektieren.
Der Bundesrat nehme das Urteil «selbstverständlich zur Kenntnis». Dieses habe sogar eine «historische Bedeutung».
Auch Raphaël Mahaim, Grünen-Nationalrat (VD) und einer der Anwälte der Klimaseniorinnen, betont, dass die Schweiz die Mittel selbst wählen könne, um die gesetzten Ziele in Bezug auf den Klimaschutz zu erreichen. Das Urteil schreibe dem Bund nicht vor, was er konkret tun müsse. Über die Massnahmen müsse in der Schweiz nun diskutiert werden.
Das am Dienstag in Strassburg eröffnete Urteil stelle «zum ersten Mal die Verbindung zwischen den Grundrechten und der Klimaveränderung her», so Mahaim gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS.
Die Angelegenheit wird nun politisch: Der Ministerrat des Europarats werde die Massnahmen überwachen, die die Schweiz ergreifen werde, um ihre Versäumnisse zu beheben, sagte Chablais. Es stehe eine breite Debatte bevor, unter Einbezug von Bund, Kantonen und weiterer Behörden. Es sei auch mit Vorstössen in den eidgenössischen Räten zu rechnen. Einen Zeitplan aufzustellen, sei derzeit nicht möglich.
(rst/sda)