Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Dienstagvormittag das Urteil im Fall Klimaseniorinnen gegen die Schweiz verkündet. Das Gericht hat eine Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und 6 (Zugang zum Gericht) der Menschenrechtskonvention festgestellt.
Die Freude bei den Klimaseniorinnen und ihrem Anwaltsteam ist riesig. Co-Präsidentin Rosmarie Wydler-Wälti sagte zu den anwesenden Medien:
Die Klimaseniorinnen hätten im Vorhinein immer gedacht, dass sie die Hoffnungen nicht zu hoch schrauben dürften, sonst werde der Fall viel zu tief. «Jetzt sind wir beim Maximum angekommen.»
«Ich freue mich ausserordentlich, hier vor Ihnen stehen zu dürfen, es ist ein historischer Tag», betonte Cordelia Bähr, die leitende Rechtsanwältin der Klimaseniorinnen, vor Ort in Strassburg. «Ich kann Ihnen Neuigkeiten überbringen, die in die Geschichte eingehen werden.»
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe mit seinem Urteil festgestellt, dass Klimaschutz ein Menschenrecht sei, so Bähr weiter. «Der EGMR macht mit diesem Entscheid klar, dass die Schweiz die Pflicht hat, Seniorinnen und Senioren vor den Auswirkungen der Klimaerwärmung auf ihr Leben und ihre Gesundheit zu schützen.»
Die Schweiz müsse nun deshalb ihre aktuellen Klimazielsetzungen, gestützt auf wissenschaftliche Grundlagen, überprüfen, einer Evaluation unterziehen und entsprechend nachbessern.
«Das ist ein immenser Sieg für uns und ein unbeschreiblicher Moment», so Bähr, «und es ist ein Präzedenzfall für sämtliche Mitgliedstaaten des Europarates».
Das Urteil zwinge die Eidgenossenschaft und möglicherweise auch andere Länder dazu, mehr für den Klimaschutz zu tun, so Raphaël Mahaim, einer der Anwälte der Klimaseniorinnen, nach der Urteils-Eröffnung.
Die Schweiz könne jedoch die Mittel wählen, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Das am Dienstag in Strassburg eröffnete Urteil stelle «zum ersten Mal die Verbindung zwischen den Grundrechten und der Klimaveränderung her», sagte der Nationalrat der Grünen (VD) dem Westschweizer Fernsehen RTS.
Mahaim betonte, dass der Bund in Bezug auf das Klima «nicht genug tut», und deshalb liege eine Verletzung der Menschenrechte im Sinne von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention vor, der das Recht auf Gesundheit schütze.
Die Richter hätten klar gezeigt, dass sie die Ansicht vertreten, dass das Klima und die Gesundheit besser geschützt werden müssten. Sie würden der Schweiz die Wahl der Mittel dazu überlassen. Das Urteil schreibe dem Bund nicht vor, was er konkret tun müsse, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Über die Massnahmen müsse in der Schweiz nun diskutiert werden.
Potenziell könnten alle Staaten des Europarats, die die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterzeichnet haben, betroffen sein. Das Urteil «ist ein Präzedenzfall, man kann sich Auswirkungen auf mehr als 40 Länder vorstellen», sagte auch Mahaim. Die Schweiz hat die EMRK 1974 ratifiziert. (rst/sda)
Abwarten, Beobachten, Nichtstun und dann zu sagen: "Die wären ja eh bald gestorben." , ist jetzt halt keine Option mehr.