Eine Studie, die im renommierten Fachmagazin «Nature Medicine» veröffentlicht wurde, hat es in sich: Sie beschreibt eine Gentechnik-Therapie, die in Zukunft mehrere erbliche Augenkrankheiten heilen könnte. Anders als man es in der Schweiz sonst erwarten würde, ist für die Publikation aber nicht eine Universität verantwortlich, sondern ein Team des privaten Institute of Molecular and Clinical Ophthalmology Basel (IOB), das von Augenarzt Botond Roska geleitet wird.
Der international bekannte Forscher ist zwar auch Professor an der Universität Basel, seine Forschung betreibt er allerdings am eigenen Institut. «Der Vorteil eines solchen Instituts ist, dass man die Ressourcen des ganzen Instituts auf ein einziges Thema fokussieren kann», erklärt Botond Roska. An den Universitäten müsse Forschung dagegen naturgemäss breit bleiben und ein viel grösseres Gebiet abdecken. Denn der Hauptfokus der Universitäten sind Lehre und Grundlagenforschung.
Vielleicht ist diese Spezialisierungsmöglichkeit der Grund, weshalb private Institute in der Schweiz gerade so erfolgreich sind. Oder die grösseren Einflussmöglichkeiten für Investoren bei der Auswahl der Forschungsschwerpunkte. So hat sich das IOB für eines seiner Gentherapie-Spin-offs RhyGaze erst letzte Woche ein 86-Millionen-Dollar-Investment aus den USA sichern können. Ein solches Investment von amerikanischen Firmen in Europa ist äusserst unüblich und für den Wissenschaftsstandort Schweiz förderlich.
Das Investment aus den USA ist aber nicht einmal die bedeutendste Finanzspritze für die Wissenschaft, die sich anbahnt. So hat die private Fondation Botnar bekannt gegeben, in den nächsten Jahren rund eine Milliarde Franken in ein neues Forschungsinstitut für Kindermedizin und Immunologie in Basel investieren zu wollen. Zur besseren Einschätzung: Das ist so viel Geld, wie die gesamte ETH Zürich in einem halben Jahr zur Verfügung hat.
Die Fondation Botnar will die Schweiz damit zu einem internationalen Zentrum für Kinderimmunologie machen. «In den nächsten Jahren wird das neue Institut viele Experten aus der ganzen Welt rekrutieren. Mittelfristig wird es rund 300 Personen beschäftigen, die meisten von ihnen in der Forschung», erklärt die philanthropische Stiftung gegenüber CH Media.
Das Engagement der Privaten kommt bei Schweizer Forschern gut an. Selbst der Schweizerische Nationalfond (SNF), der für die Verteilung der staatlichen Gelder für Wissenschaftsprojekte zuständig ist, hält die Entwicklung grundsätzlich für positiv. «Aus Sicht des SNF braucht es öffentlich und privat finanzierte Forschung, damit die Schweiz international kompetitiv sein kann. Beide Forschungsgruppen leisten einen wichtigen Beitrag zur Innovationskraft der Schweiz.»
Der Nationalfonds macht sich aber wegen einer parallel dazu verlaufendenden Entwicklung Sorge. Wegen der klammen Staatskasse will der Bundesrat sparen, voraussichtlich auch bei der Finanzierung von Wissenschaft. Die Expertengruppe um den Chef-Sparer des Bundesrats, Serge Gaillard, schlägt vor, das vom Bund finanzierte Budget des Schweizerischen Nationalfonds um 10 Prozent zu kürzen.
Der SNF reagiert mit grossen Bedenken: «Der Schweizerische Nationalfonds ist besorgt, dass der Bundesrat die Vorschläge des Expertenberichts Gaillard umsetzen und die Bundesbeiträge bereits ab 2026 kürzen könnte», schreibt die Pressestelle. «Dies wäre ein historischer Eingriff in die Schweizer Wissenschaft mit gravierenden Folgen für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt der Schweiz.»
Fakt ist: Der Anteil der von der Privatwirtschaft finanzierten Forschung ist seit 2012 laut den neusten Zahlen des Bundesamts für Statistik bereits um etwa 10 Prozent gestiegen. Wenn der Bundesrat die staatlichen Gelder tatsächlich kürzen sollte, wird der prozentuale Anteil der Privaten noch stärker steigen.
Mit diesem Trend bewegt sich die Schweiz in Richtung eines Forschungsumfeldes, wie es in den USA oder Japan herrscht. Dort zahlt der Staat im Verhältnis einen kleineren Anteil der Forschungskosten. Wissenschaft wird vornehmlich durch die Privatwirtschaft finanziert. Man muss dazu aber wissen, dass die Schweiz im europäischen Vergleich schon heute jenes Land ist, dessen Forschungssektor zu einem grösseren Anteil von privaten Investoren finanziert wird.
Denn im EU-Durchschnitt trägt der private Sektor nur rund 57 Prozent der Forschungsausgaben eines Landes. Dafür ist der Anteil der vom Staat finanzierten Forschung im EU-Durchschnitt mit 30 Prozent im Vergleich zu 27 in der Schweiz tiefer.
«Unter der Voraussetzung, dass eine saubere Governance, die Qualität der Forschung und eine transparente Publikation der Ergebnisse gewährleistet werden, sind privat finanzierte Institute gut für den akademischen Betrieb», sagt Philosoph René Scheu, Geschäftsführer des privat finanzierten Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik. Denn Konkurrenz belebe das Geschäft. Zugleich weist Scheu auf Synergieeffekte zwischen privat finanzierten Forschungsinstituten und Universitäten hin, etwa im Hinblick auf die Ausbildung jüngerer Forscher und Doktoranden. René Scheu sieht die USA in diesem Zusammenhang als Vorbild: «Einige der besten Universitäten und Forschungsinstitutionen sind ganz oder zu wesentlichen Teilen privat finanziert.»
Die Sparvorschläge des Bundesrats müssen laut Scheu auch nicht negativ sein. «In den letzten Jahren wurden die Ausgaben für Forschung stark erhöht. Da ist es jetzt sinnvoll, nach der Phase des Ausbaus in eine Phase der Effizienzsteigerungen überzugehen», sagt der Philosoph. Eine solche Konsolidierung könne die Hochschulen stärken, um bürokratische Strukturen zu hinterfragen und agiler zu werden.
Wissenschaftsforscher Christoph Hoffmann hingegen hat in der Vergangenheit davor gewarnt, dass sich der Staat bei der Finanzierung von Forschung zurückzieht. Doch auch er zeigt sich für Einsparungen beim SNF offen. «Universitäten finanzieren sich heute nicht unerheblich quer durch das Einwerben von Forschungsgeldern beim Nationalfonds und den damit verbundenen zusätzlichen Beiträgen des Bundes.»
Hoffmann spricht damit den Mechanismus an, dass die Universitäten zusätzliches Geld direkt erhalten – abhängig von der Anzahl der vom SNF bewilligten Forschungsanträge. Anträge zu schreiben, werde für die Mitarbeitenden an den Universitäten deshalb zur Pflicht und das Einreichen von möglichst vielen Projektvorschlägen zur Strategie, so Wissenschaftsforscher Hoffmann von der Universität Luzern. Er schlägt stattdessen vor, dass der Bund das beim SNF gekürzte Geld zu einem Teil direkt an die Hochschulen zahlt – und diese selbst über die Verwendung entscheiden.
Unabhängig von der Debatte um die Sparvorschläge ist klar: Auch die privaten Institute sind auf starke staatlich finanzierte Hochschulen angewiesen. So stellte Harvard-Ökonom Dani Rodrik vor ein paar Jahren am WEF klar, dass der Erfolg von Privatinstituten nicht ohne die sozialen, rechtlichen und bildungsrelevanten Voraussetzungen der staatlichen Universitäten möglich wäre. Gerade in der Schweiz bilden nur die staatlichen Unis neue Top-Forscher aus.
Daneben sind viele Privatinstitute auch nicht komplett von den Universitäten unabhängig. So ist das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik IWP über eine Kooperationsvereinbarung mit der Universität Luzern verbunden – und das Basler IOB für Augenforschung wurde von der Universität Basel mitgegründet und mitfinanziert.