Die im Frühjahr eingesetzte Expertengruppe ortet bis zu 5 Milliarden Franken Sparpotenzial im Bundeshaushalt. Sie schlägt über sechzig Massnahmen vor, mit denen das finanzielle Gleichgewicht wiederhergestellt werden kann. Der Bundesrat begrüsst den Bericht.
Am Donnerstag hat das Gremium unter der Leitung des ehemaligen Chefs der Finanzverwaltung, Serge Gaillard, in Bern vor den Medien seinen Bericht vorgestellt. Tags zuvor nahm der Bundesrat dessen Schlussforderungen entgegen und führte eine erste Diskussion dazu.
In den vergangenen Monaten hatten fünf Expertinnen und Experten sämtliche Aufgaben und Subventionen des Bundes unter die Lupe genommen - mit dem Ziel, die strukturellen Defizite im Bundeshaushalt zu beseitigen. Diese belaufen sich gemäss Finanzplanung auf rund 3 Milliarden Franken pro Jahr. Grund dafür sind insbesondere Mehrausgaben für die AHV und die Armee.
Neben Gaillard wurden alt Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel (SP/FR), alt Nationalrat Jacques Bourgeois (FDP/FR) sowie die Professoren Aymo Brunetti und Christoph Schaltegger mit der Aufgabe betraut. Sie zeigen im 62-seitigen Schlussbericht mit 66 Massnahmen auf, wie der Bundeshaushalt in den kommenden Jahren um 4 bis 5 Milliarden Franken entlastet werden kann.
Die Expertengruppe empfiehlt dem Bundesrat, die Defizite durch ausgabenseitige Massnahmen zu beseitigen - was auch dem Auftrag der Regierung entsprach. Einnahmenseitige Massnahmen stellt das Gremium auch zur Diskussion, erachtet sie aber nicht als prioritär.
Das Sparpotenzial beträgt bei Ausgaben von insgesamt über 70 Milliarden Franken bei rund 6 bis 7 Prozent. Die Expertengruppe präsentiert konkrete Massnahmen in allen Aufgabengebieten und verweist auf Bereiche mit Reformbedarf. Zudem schlägt sie Kürzungen im Eigenbereich der Bundesverwaltung im Umfang von 0,2 bis 0,3 Milliarden Franken vor.
Gemäss Bericht könnten im Jahr 2027 rund 1,7 Milliarden und im Jahr 2030 rund 2 Milliarden Franken mit Massnahmen in der Migrationspolitik, der Klima- und Energiepolitik sowie bei der Verkehrsinfrastruktur eingespart werden. Aktuelle Subventionen - beispielsweise die Förderung des Güterverkehrs - sollen hinterfragt oder Fonds-Einlagen gekürzt werden.
Zudem sieht das Gremium ein Sparpotenzial von 1,3 Milliarden (2027) respektive 1,5 Milliarden Franken (2030) dort, wo der Bund im Zuständigkeitsbereich der Kantone aktiv geworden ist - beispielsweise bei der Kita-Betreuung. Weitere Einsparungen von 0,2 bis 0,4 Milliarden Franken könnten mit einer Dämpfung des Ausgabenwachstums bei der sozialen Wohlfahrt erreicht werden.
Mit der Kürzung und Streichung kleinerer Subventionen liegt ausserdem ein Ausgabenminus von 0,1 Milliarden Franken drin, wie die Expertengruppe schreibt. 0,3 bis 0,6 Milliarden Franken könnten zusätzlich mit einer Neupriorisierung von Ausgaben eingespart werden.
Insgesamt ist die Schweiz aus Sicht der Expertengruppe in der Lage, die finanzpolitischen Herausforderungen mit ausgabenseitigen Entlastungsmassnahmen zu bewältigen, wie es in der Zusammenfassung des Berichts heisst. «Eine Ausserkraftsetzung der Schuldenbremse würde den künftigen finanzpolitischen Spielraum der Schweiz einschränken.»
Auf Basis der Vorschläge der Expertengruppe sollen laut dem Bundesrat erste Entlastungen des Haushalts ab den Jahren 2026 und 2027 realisiert werden. Der Bericht sei eine «gute Grundlage für die weiteren Schritte», schrieb die Landesregierung. Das Ziel sei es, ausgeglichene Budgets und wieder genügend Handlungsspielraum zu erreichen.
Aus heutiger Sicht erachtet der Bundesrat ab 2027 ein Entlastungsvolumen von 3 bis 3,5 Milliarden Franken als notwendig. Ab 2030 steigt das notwendige Entlastungsvolumen auf 4 bis 4,5 Milliarden Franken pro Jahr. Es werde unvermeidlich sein, dass einige Massnahmen die Kantone tangieren werden, schrieb er. Er wolle aber keine grundsätzlichen Änderungen an der Aufgabenteilung mit den Kantonen vornehmen.
In den kommenden Tagen werden Runde Tische mit Kantonen, politischen Parteien und Sozialpartnern einberufen. Schon Ende September soll dann das weitere Vorgehen festgelegt werden. Voraussichtlich im Januar wird der Bundesrat zu den definierten Massnahmen eine ordentliche Vernehmlassung durchführen. Darüber entscheiden wird schliesslich das Parlament.
Die Integrationspolitik für vorläufig aufgenommene Personen und für Flüchtlinge soll auf das prioritäre Ziel einer raschen Integration ins Erwerbsleben ausgerichtet werden. Damit liessen sich Ausgaben für die spätere Unterstützung der Personen einsparen und die Abgeltungspflicht des Bundes an die Kantone auf vier Jahre verkürzen.
Es soll vermehrt auf Lenkungsabgaben, Emissionsvorschriften und technische Vorschriften zurückgegriffen werden. Dies erlaube es, die Ausgaben für Subventionen an Immobilienbesitzer und Unternehmungen zu reduzieren und zu priorisieren. Finanzielle Beiträge an einzelne Unternehmen und bestimmte Branchen sollen drastisch reduziert oder gestrichen werden.
Die Einlagen in den Bahninfrastrukturfonds (BIF) und in den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) sollen reduziert werden. Die sich noch nicht im Bau befindlichen Projekte seien zudem neu zu priorisieren. Dies würde eine Verfassungsänderung voraussetzen mit obligatorischer Volksabstimmung.
Der Bund soll auf Beiträge und Leistungen verzichten, die im Zuständigkeitsbereich der Kantone sind. Gänzlich gestrichen werden sollen beispielsweise Finanzhilfen für die familienergänzende Kinderbetreuung. Die Aufstockung für den soziodemografischen Lastenausgleich von vor zwei Jahren sei zudem rückgängig zu machen.
Einerseits sollen die Ausgaben des Bundes und der AHV stärker entflochten werden. Der Bundesanteil für die AHV soll sich künftig am Wachstum der Bundeseinnahmen orientieren. Andererseits sollen Bund und Kantone mit Zielwachstumsraten gemeinsam das Kostenwachstum bei den Gesundheitskosten dämpfen.
Auf «Bagatellsubventionen» sei künftig zu verzichten. Freiwillige Beiträge an internationale Organisationen ausserhalb der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (IZA) sowie Finanzhilfen für die Sportförderung sollen um 10 Prozent gesenkt werden. Ganz verzichtet werden soll auf das Weiterbildungsgesetz.
Wenn beispielsweise die Armeeausgaben ohne zusätzliche Steuereinnahmen schneller erhöht werden sollen, sollen unter anderem die IZA-Ausgaben bis 2030 eingefroren und der Bundesbeitrag für den Schweizerischen Nationalfonds und Innosuisse um 10 Prozent gekürzt werden.
Neue Aufgaben sollen bis 2030 mit den bestehenden Ressourcen bewältigt werden. Die Eigen- und speziell auch die Personalausgaben sollen nach einer Senkung um 300 Millionen Franken bis 2030 nur noch mit der Teuerung zunehmen. Auch die absehbar hohe Zahl kommender Pensionierungen schaffe Spielräume, um den Personaleinsatz in neue Aufgabengebiete zu lenken und die Effizienz zu erhöhen.
Werden die Armeeausgaben weniger schnell erhöht und der Wiederaufbau der Fähigkeiten zur Verteidigung gebremst, müsste in anderen Politikbereichen weniger gespart werden.
Die steuerliche Begünstigung von Kapitalbezügen im Rahmen der zweiten und dritten Säule soll beseitigt werden. Damit könne der steuerliche Anreiz vermindert werden, aus Gründen der Steueroptimierung das Alterskapital zu beziehen. Diese Massnahme würde beim Bund zu Mehreinnahmen von jährlich gut 200 Millionen Franken führen. Zudem sollen weniger Ausnahmen von der Mehrwertsteuerpflicht gewährt werden. Mit einem Einheitssatz von 6,8 Prozent wären Zusatzeinnahmen von jährlich rund einer Milliarde möglich. Es soll ausserdem eine Grundstückgewinnsteuer auf nationaler Ebene geprüft werden. Eine solche hätte ein Aufkommenspotenzial von bis zu 1 Milliarde Franken pro Jahr. (sda)
Da gäbs viel Potential... hat die mächtige Bauernlobby wieder gut hingekriegt.