«Wir schwimmen im Geld», sagte der SVP-Finanzdirektor des Kantons Zug vergangenen Winter noch. Diesen Satz würde Heinz Tännler heute angesichts der laufenden Diskussionen wohl nicht mehr so deutlich formulieren – er behält aber seine Richtigkeit. Denn mittlerweile ist bekannt: 2023 erzielte der Kanton einen Überschuss von 461,3 Millionen Franken. Budgetiert waren 248 Millionen.
Der Überschuss ist ein weiterer Rekord, nachdem der Kanton bereits 2022 ein Plus von 332 Millionen Franken verbucht hatte. Der Geldsegen führt dazu, dass Zug von allen Kantonen neu am meisten in den Nationalen Finanzausgleich (NFA) einzahlen wird.
Doch ungeachtet dessen werden nun Forderungen laut, dass Zug – ebenso wie weitere Geberkantone – noch mehr als schon vorgesehen einzahlen sollte. So sagte zum Beispiel der jurassische SVP-Nationalrat Thomas Stettler:
Die Forderungen erhalten auch deshalb grosse Aufmerksamkeit, weil Zug den eigenen Überschuss gerade maximal auskostet: Im Kanton wohnhafte Steuerzahlende müssen künftig weniger Krankenkassenprämien zahlen, zudem gibt es weitere Steuererleichterungen.
Das wirft einmal mehr Fragen zur Steuergerechtigkeit auf. Zu Recht? Um dies zu beurteilen, müssen zunächst andere Fragen gestellt werden.
Dank deutlich höherer Steuereinnahmen – vor allem von juristischen Personen, also im Kanton ansässigen Unternehmen.
Gemäss Medienmitteilung des Kantons widerspiegelt der Überschuss des vergangenen Jahres «nicht nur die starken wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Kanton Zug, sondern auch die Fähigkeit, stabile Finanzpolitik mit nachhaltigem Wachstum zu verbinden».
Durchaus: Einige grosse Ausgabenposten kosteten weniger als budgetiert, und die Zinserträge fielen höher aus als erwartet. Aber man kann es drehen und wenden wie man will: Der Haupttreiber hinter dem Rekordüberschuss dürfte weniger mit dem guten Wirtschaften des Kantons, sondern vielmehr mit einer Zäsur in der Wirtschaftspolitik zu tun haben: der OECD-Mindeststeuer.
Im Kanton Zug zahlen grosse, international tätige Unternehmen neu 15 Prozent Steuern auf ihre Gewinne – statt wie bisher 11,8 Prozent. Weil die OECD-Mindeststeuer ab Anfang 2024 überall in der Schweiz gilt, dürften einige Unternehmen in den Kantonen mit bisher niedrigem Steuerfuss in diesem Jahr ihre Gewinne etwas anders verbucht haben: Verschiedene Gesellschaften hätten «wegen sich konkretisierender Änderungen» im internationalen Steuerrecht «Umstrukturierungen durchgeführt und mittels Auflösung steuerwirksamer Reserven vorzeitig Gewinne realisiert», lässt sich Zugs Finanzdirektor Heinz Tännler zitieren.
Ausgedeutscht: Diese Firmen haben sich auf die Mindeststeuer vorbereitet und wohl sogenannte stille Reserven aufgelöst. Dadurch wird in der Bilanz ein höherer Gewinn ausgewiesen – der im Steuerjahr 2023 noch mit einem tieferen Steuersatz belegt wird.
Der Kanton will mit dem Überschuss seinen Einwohnerinnen und Einwohnern «zu viel bezahlte Steuern» zurückgeben und betont, damit den Mittelstand zu entlasten. Dazu hat die Regierung verschiedene Pakete geschnürt. Unter anderem wird der Kanton in den nächsten Jahren den grössten Teil der Spitalkosten übernehmen und so für tiefere Krankenkassenprämien sorgen.
Zudem werden erneut die Steuern gesenkt: Für die Jahre 2026 bis 2029 will die Regierung den Kantonssteuerfuss um vier Prozentpunkte senken. Rentnerinnen und Rentner und der Mittelstand sollen mehr Steuerabzüge geltend machen können.
Luzian Franzini ist Co-Präsident der Grünen in Zug und Mitglied des Zuger Kantonsrats. Zu den beschlossenen Entlastungspaketen in seinem Kanton sagt er: «Es ist erfreulich und auch ein bisschen überraschend, dass die Regierung die Haushalte bei den Krankenkassenprämien entlastet – das fordern wir seit Jahren.»
Die Steuererleichterungen sieht er hingegen kritisch: «Mit diesen ist es immer das Gleiche: Man macht den Kanton Zug steuerlich noch attraktiver, wovon der Mittelstand, zum Beispiel durch höhere Mieten, verdrängt wird.» Für bezahlbaren Wohnraum mache die Regierung hingegen nichts – «obwohl die Mieten alleine im ersten Halbjahr 2024 wieder um 5,6 Prozent gestiegen sind», so Franzini.
Ja – mehrere Kantone erzielten einen Rekordüberschuss. Etwas mehr als die Hälfte beendete das Jahr 2023 mit einem Plus, elf von ihnen fuhren ein Defizit ein. Erstaunlich: Eine Mehrheit nahm viel mehr ein, als zuvor budgetiert worden war. So betrug die Differenz zum Beispiel im Kanton Basel-Stadt ganze 421 Millionen, in Zürich 351 Millionen und im Aargau 416 Millionen Franken.
An Genf kommt hingegen bei weitem kein anderer Kanton heran: Budgetiert hatte der Westschweizer Kanton ein Defizit von 476 Millionen Franken – herausgekommen ist ein Überschuss von sage und schreibe 1,4 Milliarden Franken.
Dabei fällt auf: Es sind diejenigen Kantone, die von der Schweizer Umsetzung der OECD-Mindeststeuer ab 2024 am meisten profitieren werden, die nun schon im vergangenen Jahr die höchsten (unerwarteten) Überschüsse verzeichnen.
Während mehrere Kantone einen Rekordüberschuss erzielen – solche wie der Kanton Zug zum wiederholten Mal –, sehen die Bundesfinanzen nicht so rosig aus. 2023 resultierte auf Bundesebene ein Defizit, und auch für die Zukunft muss der Bundesrat wegen steigender Ausgaben den Gürtel enger schnallen. In den kommenden Jahren drohen Defizite in Milliardenhöhe.
Der Nationale Finanzausgleich (NFA) dient dazu, die ressourcenschwachen Kantone zu unterstützen. Alimentiert wird er von den finanzstarken Kantonen und dem Bund. Nun zahlt der Bund aber wesentlich mehr in den Umverteilungstopf ein als die «reichen» Kantone. Konkret: 2024 übernimmt er 2705 Millionen Franken, die acht finanzstarken Kantone zusammen gerade mal 1803 Millionen Franken.
Eine Motion vom Grünen Nationalrat Felix Wettstein will das nun ändern. Gemäss Bundesverfassung betragen die Leistungen der ressourcenstarken Kantone «mindestens zwei Drittel und höchstens 80 Prozent der Leistungen des Bundes». Aktuell liegt der Anteil, den die Kantone wie Zug oder Basel-Stadt beitragen, am unteren Rand dieser Bandbreite – bei zwei Dritteln dessen, was der Bund zum Ressourcenausgleich beisteuert. Die Motion Wettsteins will den Betrag der Geberkantone auf 80 Prozent heraufschrauben, nicht zuletzt, um den Bund zu entlasten.
Zwar zeigt sich eine Mehrheit der Kantone mit dem Finanzausgleich grundsätzlich zufrieden. Der Ökonom Christoph Schaltegger sieht das ähnlich und sagte gestern gegenüber «20 Minuten», der Kanton Zug zahle sowieso schon viel. Und: «Aus meiner Sicht wird eher zu viel umverteilt und nicht zu wenig.» Mehr Geld aus dem Finanzausgleich würde falsche Anreize setzen. Auch die Geberkantone halten wenig überraschend nichts von Wettsteins Motion. So sagt der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler: «Das ganze System ist auf Nachhaltigkeit ausgelegt und demokratisch abgesegnet – da sollte man auf keinen Fall von heute auf morgen willkürlich daran herumschrauben.» Zu viel Geld? So etwas gibt es laut Tännler nicht.
Anderer Meinung ist hier Luzian Franzini. Als Grüner einerseits, aber auch als Politiker und Einwohner des neu grössten Geberkantons andererseits, steht Franzini hier zwischen den Fronten. Trotzdem hat er eine klare Meinung:
Die OECD-Mindeststeuer werde dem Kanton auch in den kommenden Jahren viele Millionen Franken jährlich zusätzlich in die Kasse spülen. «Beim Bund würde dieses Geld besser eingesetzt und käme allen Steuerzahlenden zugute – bei uns wird es einfach zu mehr Subventionen für Grosskonzerne kommen.» Franzini sagt:
Doch. Der Kanton Zug muss 2025 mehr zum Finanzausgleich beitragen als im laufenden Jahr, zum ersten Mal sogar am meisten von allen. Zürich hingegen wird entlastet. 2025 stehen aber trotzdem 15 Kantone pro Kopf gerechnet schlechter da als 2024. Zehn Kantone werden profitieren.
Insgesamt steigt die Summe der Ausgleichszahlungen an: gegenüber dem Vorjahr um 284 Millionen Franken auf 6,2 Milliarden Franken. 4,2 Milliarden Franken davon bezahlt der Bund. Laut der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) handelt es sich um einen starken Anstieg.
Dieser ist auf das starke Wachstum des Ressourcenausgleichs zurückzuführen, auf dem der Finanzausgleich hauptsächlich beruht. Mit anderen Worten: Die Ungleichheit zwischen den Kantonen nimmt zu, weshalb die Finanzströme für den Ausgleich ebenfalls ansteigen (müssen). Denn diese werden jährlich neu berechnet.
Allerdings: Die Motion Wettsteins hätte für die Nehmerkantone keinen positiven Effekt: «Mit der vorgeschlagenen Motion ändert sich auf der Empfängerseite des Finanzausgleichs nichts», heisst es in der Motion.
Mit einem höheren Beitrag würden die Geberkantone vielmehr dem Bund unter die Arme greifen – und damit auch alle Steuerzahlenden des Landes entlasten. Denn das Geld des Bundes ist nicht Manna vom Himmel: Auch die Steuerzahlenden der Nehmerkantone leisten ihren Anteil. Sie berappen somit einen Teil der Transfers an den eigenen Kanton gleich selber. Analysiert man die Finanzströme im Nationalen Finanzausgleich aus Sicht der Steuerzahlenden, dann werden sogar einige Nehmer- zu Geberkantonen.
Fazit: Der Bund schiesst mehr als die reichen Kantone in den Finanzausgleich ein. Aber er erhält nur 25 Prozent der Mehreinnahmen aus der OECD-Mindeststeuer für grosse Unternehmen. Gleichzeitig sind es international tätige Konzerne mit ihren Milliardengewinnen, die den Kantonen die Mehreinnahmen bescheren. Ob das fair ist oder nicht – darüber wird einmal mehr die Politik befinden müssen.
Oder wir bremsen halt diesen absurden Steuerdumpingwettlauf auf kleinstem Raum. 🤷🏻♂️
Der Kanton Zug ist in der Hauptverantwortlichkeit, dass viele Länder Mühe haben, genug Steuern von Firmen einzutreiben.