Schweiz
Genf

Genf: Steuer-Schock für Autofahrer – bis zu 500 Prozent mehr

500 Prozent mehr Steuern: In diesem Kanton erleben Autofahrer gerade ihr blaues Wunder

Rechnungsschock für Tausende Autolenkerinnen und Autolenker: In Genf hat eine Reform ungeahnt happige Folgen für den Geldbeutel. Niemand will verantwortlich sein – die Kakofonie ist perfekt.
22.11.2024, 14:1522.11.2024, 15:15
Julian Spörri / ch media
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Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Und damit flattern wieder vermehrt Rechnungen in die Briefkästen. Man hofft, dass es nicht teurer wird als im Vorjahr. Einige Franken mehr mag man verschmerzen. Aber gleich eine Zunahme um 500 Prozent oder mehr? Genfer Autofahrerinnen und Autofahrern sind diese Woche fast die Augen aus dem Kopf gefallen.

Autos sind parkiert auf kostenpfichtigen Parkplaetzen in der Innenstadt von Freiburg, am Dienstag, 4. Juni 2024. Die Initiative "Die erste Stunde Parkieren ist gratis in Freiburg" - "La ...
Die Motorfahrzeugsteuern werden in jedem Kanton unterschiedlich berechnet.Bild: keystone

Eine Gesetzesänderung führt im westlichsten Schweizer Kanton zu teils massiven Zunahmen der Motorfahrzeugsteuer – von denen niemand wusste oder wissen wollte. Dutzende Beispiele zirkulieren in den Medien. So muss eine Besitzerin eines Citroën-Familienvans aus dem Jahr 1998 neu 2100 Franken statt bisher 297 Franken zahlen. Und für einen Fiat-Campingwagen von 2015 werden 3840 statt 700 Franken fällig, wie die «Tribune de Genève» berichtete.

Bei der Genfer TCS-Sektion sind viele Anrufe von besorgten Personen eingegangen, die die Rechnungen nicht stemmen können. Am stärksten zur Kasse kommen Lenker von Autos, die älter als fünfzehn Jahre sind, sowie Fahrerinnen von Campingwagen.

Der Rechnungsschock geht auf eine Abstimmung von Anfang Jahr zurück. Im März hiess das Genfer Stimmvolk eine Vorlage gut, wonach Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor künftig nach ihrem CO2-Ausstoss besteuert werden. Dies, um den Kauf umweltfreundlicher Autos zu fördern. Das Versprechen lautete: Für zwei Drittel der Bevölkerung sinken die Steuern, jenes Drittel mit den umweltschädlicheren Autos bezahlt dagegen mehr. Insgesamt sollte es für den Staat ein Nullsummenspiel werden.

Und das wurde es auch. Nur hat offenbar niemand erwartet, dass die Steuerprogression derart hart zuschlägt – und so für alte Autos exorbitante Beträge von einigen tausend Franken fällig werden. Tausende Genferinnen und Genfer seien von massiven Steuererhöhungen betroffen, konstatierte die Kantonsregierung am Donnerstag. Das stosse auf «allgemeines Unverständnis». Tatsächlich ist der Aufschrei über alle Parteien hinweg gross. Auch linke Abgeordnete wie SP-Kantonsrat Sylvain Thévoz sprechen von einem «Schockeffekt».

Maudet übt und erntet Kritik

Das neue Gesetz entstammt einem Kompromiss von Grünen, SP, Mitte und FDP. Die Revision wurde vom Parlament als Gegenvorschlag zu einer SVP-Initiative lanciert und von der Regierung unterstützt. Die SVP wollte die Fahrzeugsteuer halbieren.

Warum hat niemand die Folgen der Revision antizipiert? Medien in der Romandie zögern nicht, von einer Genferei zu sprechen. Mobilitätsdirektor Pierre Maudet schob die Verantwortung auf dem TV-Sender «Léman Bleu» derweil dem Parlament zu: Das Projekt sei nicht zu Ende gedacht gewesen. Die angesprochenen Abgeordneten zeigten sich darüber «schockiert», sie hätten ja eng mit Maudets Departement zusammengearbeitet.

Nun versucht Genf, den Scherbenhaufen zu beseitigen. Am Donnerstag entschied das Parlament, dass die Rechnungen erst im Juni 2025 statt schon dieses Jahres fällig werden und Betroffene die Beträge gestaffelt bezahlen können. Zudem überwiesen die Abgeordneten einen ganzen Strauss an Vorstössen an die zuständige Kommission, um das Gesetz zu überarbeiten. Und um die Lehren aus dem Debakel zu ziehen. (aargauerzeitung.ch)

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343 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nony
22.11.2024 14:43registriert Februar 2019
Und wieder mal hat man im Übereifer dem Umweltschutz einen richtig dicken Knüppel zwischen die Beine geworfen. Nicht nur, dass nun haufenweise Autos, die noch gut in Schuss waren verschrottet werden (graue Energie ist auch für CO2 verantwortlich), es wird künftig auch wesentlich schwerer werden, die Leute davon zu überzeugen, für Umweltthemen abzustimmen.
Bravo, bravo, bravo.
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Hzwo
22.11.2024 14:36registriert April 2019
Cenau die Autos, Camper die eh fast nie fahren, sollen mehr zahlen als einer der im jahr 50000km macht? Birewaich
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Rethinking
22.11.2024 15:37registriert Oktober 2018
Jemand der das Auto sehr lange behält ist viel ökologischer unterwegs, als jemand der alle 4 Jahre auf ein Neues umsteigt…

Die Produktion des Autos ist mitunter der grösste CO2 Faktor…

Folglich ist es dämlich alte Autos höher zu besteuern…
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