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So ändert sich die PK-Rente mit der Reform

Jetzt ist sie unter Dach und Fach: So ändert sich die PK-Rente mit der Reform

Nach drei Jahren Hin und Zurück haben sich die beiden Räte auf eine Reform der zweiten Säule geeinigt. Wer die Reform unterstützt und was sie für die Erwerbstätigen bedeutet: in der Übersicht.
17.03.2023, 10:23
Anna Wanner / ch media
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Jetzt ist sie durch den Rat: Die Reform der zweiten Säule hat nach drei Jahren und einem intensiven Endspurt einen Abschluss gefunden. Die Schlussabstimmung im Parlament galt wegen der Bauernvertretern aus der Mitte und der SVP als Zitterpartie: Dass eine unheilige Allianz zwischen SP, Grünen und SVP die Reform noch killt. Doch mit 113:69 und 15 Enthaltungen stimmte eine klare Mehrheit des Nationalrats für die Änderungen.

altes ehepaar
Für Rentnerinnen und Rentner ändert sich mit der Reform nichts, sehr wohl aber für die Erwerbstätigen.Bild: Shutterstock

Bauernpräsident Markus Ritter (Mitte) war zusammen mit den SVP-Mitgliedern Esther Friedli, Magdalena Martullo sowie Alfred Heer ziemlich alleine unter bürgerlichen Reformgegnern. Selbst Fabio Regazzi, Präsident des Gewerbeverbands, stimmte nicht dagegen. Er enthielt sich der Stimme.

Diese breite Unterstützung illustriert auch die Medienmitteilung, welche GLP, Mitte, FDP und SVP zusammen mit den Wirtschaftsdachverbänden Economiesuisse und Arbeitgeberverband verschickten: Sie unterstützen die Reform der zweiten Säule. Der Kompromiss sei «gelungen», das Versprechen der AHV-Abstimmung sei eingelöst:

«Alle Menschen in der Schweiz sollen die Möglichkeit haben, in ihre Vorsorge investieren zu können.»

Doch das Referendum ist angekündigt, die Gewerkschaften lehnen gemeinsam mit den linken Partien die Reform ab. Das Volk wird also das letzte Wort haben. Die Einschätzungen über die Konsequenzen der Reform könnten denn auch gar nicht weiter auseinander liegen: Die grünliberale Nationalrätin Melanie Mettler spricht von einem «historischen Reformschritt», der die zweite Säule stärke. «Nicht durch die Reform sinken die Renten, sondern durch Nichtstun», sagte Mettler diese Woche und verwies auf die massive Umverteilung zwischen Erwerbstätigen und Rentnern, die sich seit der Finanzkrise auf bis zu 90 Milliarden Franken anhäufte. Ihre Ratskollegin Katharina Prelicz-Huber von den Grünen findet hingegen, das Ergebnis sei «enttäuschend». Die Reform bedeute einen eigentlichen Rentenabbau, den die Grünen nicht unterstützen würden. «Wir zahlen mehr ein – und erhalten eine tiefere Rente.»

Was hat das Parlament also beschlossen und was bedeutet dies für die heutigen Erwerbstätigen? Klar ist nämlich schon jetzt: Für Rentnerinnen und Rentner ändert sich mit der Reform nichts.

Umverteilung stoppen: Senkung des Umwandlungssatzes

Die Reform der zweiten Säule verfolgt das Hauptziel einer faireren Finanzierung der Renten. Denn die heutigen Erwerbstätigen mussten in den letzten Jahren im Schnitt mehr als 4 Milliarden Franken pro Jahr an die Renten der Pensionierten zahlen. Der Grund liegt hauptsächlich an der höheren Lebenserwartung und dem Rentenversprechen bei der Pensionierung: Das Alterskapital reicht nicht aus, um bis ans Lebensende jeden Monat die versprochene PK-Rente zu zahlen.

Eine Senkung der bisherigen Renten ist politisch ausgeschlossen. Die Lücke füllen heute darum die Erwerbstätigen. Dabei ist diese Umverteilung im System der beruflichen Vorsorge gar nicht vorgesehen. Jeder spart für sich. Für die Erwerbstätigen hat der hohe Umwandlungssatz darum direkte Konsequenzen: Ihnen steht bei der Pensionierung weniger Alterskapital zur Verfügung.

Mit der Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6.8 auf 6 Prozent wird die Umverteilung gemindert – wenn auch nicht behoben.

Kompensation für Übergangsgeneration

Die Senkung des Mindestumwandlungssatzes führt bei rund 15 Prozent der heute Erwerbstätigen theoretisch zu einer Renteneinbusse. Eine Mehrheit von 85 Prozent der Erwerbstätigen ist überobligatorisch versichert. Das heisst, sie sparen mehr, als es das gesetzliche Minimum vorsieht, und sind folglich über das gesetzliche Minimum hinaus versichert. Das ist dann der Fall, wenn eine Person sich in die Pensionskasse einkauft, wenn der Arbeitgeber mehr Lohnanteile als nötig versichert oder wenn die Person über 88’200 Franken pro Jahr verdient.

Das zweite wichtige Ziel der Reform ist, das Rentenniveau zu erhalten. Oder anders formuliert: Die Reform soll bei den Versicherten nicht zu einem Rentenabbau führen. Um dieses zweite Ziel zu erreichen, hat das Parlament zwei Massnahmen beschlossen: Erstens sollen die Versicherten während des Erwerbslebens mehr ansparen, damit die Rente für den ganzen Lebensabend von durchschnittlich zwanzig Jahren – und womöglich mehr – reicht.

Weil die älteren Erwerbstätigen nicht mehr so viel Zeit haben, um ihr Altersguthaben entsprechend aufzustocken, sollen sie eine Kompensation erhalten. Fünfzehn Jahrgänge sollen ab Eintreten der Reform eine solche Ausgleichszahlung zwischen 100 und 200 Franken pro Monat erhalten. Einen vollen Zuschlag erhält, wer beim Zeitpunkt des Rentenbezugs über ein Altersguthaben von maximal 220’500 Franken verfügt. Wer mehr als 441’000 Franken Altersguthaben besitzt, erhält keinen Zuschlag. Zum Vergleich: Das entspricht einer monatlichen Rente von 2200 Franken.

Wer dazwischen liegt, erhält einen reduzierten Zuschlag, abgestuft nach Guthaben. Gemäss Schätzungen des Bundes profitiert rund die Hälfte aller Erwerbstätigen von einem Ausgleich – das sind deutlich mehr, als von der Reform betroffen sind.

Diese Überkompensation sorgt vor allem im bürgerlichen Lager für Kritik: Namentlich die SVP weibelte für die Variante, die alleine den Betroffenen einen Ausgleich finanziert. Ihr Argument: Ziel der Reform sei es nicht, die Renten zu erhöhen, sondern sie zu erhalten. Wohingegen die Ratslinke für alle Versicherten einen Ausgleich verlangte. Der Rat hat sich nun in der Mitte gefunden.

Finanzierung des Rentenzuschlags

Die Kritik an einer allzu grosszügigen Kompensation hat auch einen nachvollziehbaren Hintergrund: Wer die Umverteilung von Erwerbstätigen zu Rentenbezügerinnen stoppen will, baut mit einem grosszügigen Rentenzuschlag die Ungerechtigkeit weiter aus.

Gemäss Schätzungen des Bundes kosten die Rentenzuschläge der Übergangsgeneration rund 11.3 Milliarden Franken. Bezahlt wird das zunächst über die Rückstellungen der betroffenen Kassen. Reichen deren Mittel nicht, können sie die Finanzierung beim Sicherheitsfonds in Rechnung stellen. Dieser wird wiederum über höhere Beiträge aller Erwerbstätigen alimentiert.

20-Jährige sind weiterhin vom Zwangssparen befreit

Der Nationalrat wollte zunächst das Alter senken, ab welchem Erwerbstätige in die zweite Säule einzahlen müssen. Der Ständerat wehrte sich dagegen und setzte sich durch: Der Sparbeginn bleibt wie heute bei 25 Jahren.

Gut 100’000 Erwerbstätige erhalten neu eine zweite Säule

Der Zankapfel, über den am Ende die Einigungskonferenz entscheiden musste, war die Höhe der Eintrittsschwelle. Also die Frage, ab welcher Höhe ein Lohn in der beruflichen Vorsorge versichert sein muss. Heute liegt die Schwelle bei 22’050 Franken. Alle Löhne darunter sind nicht versichert. Weil aber das Parlament sich zum Ziel setzte, gerade Personen mit tiefen Löhnen, mit mehreren Arbeitgebern sowie mit Teilzeitpensen besser zu versichern, wollte es die Schwelle senken.

Zunächst wollte der Nationalrat Löhne ab 12’863 Franken versichern und so bis zu 460’000 Personen neu eine PK-Rente ermöglichen. Der Ständerat wollte die Schwelle bei 17’640 Franken festlegen und rund 200’000 Personen neu versichern. Eine unheilige Allianz zwischen Ratslinken, Gewerbe und Bauern schwenkte dann plötzlich um – und verlangte, beim Status quo zu bleiben. Die Ersteren argumentierten, dass sich das Sparen für derart tiefe Einkommen nicht rechne: Die Rente, die am Ende herausschaue, reiche dann doch nicht zum Leben. Die Letzteren beide, dass es für die Bauern und KMU als Arbeitgeber zu teuer würde, ihre Mitarbeitenden besser zu versichern.

Geeinigt hat sich das Parlament dann auf eine minimal tiefere Eintrittsschwelle von 19’845 Franken. Dadurch würden schätzungsweise 70’000 Personen neu obligatorisch versichert und 30’000 Einkommen zusätzlich versichert.

Ältere Erwerbstätige werden von Nachteil befreit

Ein Anliegen, das schon länger im Parlament herumgeistert, ist die Anpassung der Altersgutschriften. Der Bundesrat hat vorgeschlagen, die Staffelung zu vereinfachen: Für die Altersgruppe bis 44 Jahre gilt ein Satz von 9 Prozent, für Erwerbstätige ab 45 Jahren ein Satz von 14 Prozent. Heute gilt für 25- bis 34-Jährige der Satz von 7 Prozent, ab 35 Jahren sind es 10 Prozent, ab 45 Jahren 15 Prozent und ab 55 Jahren 18 Prozent. Die älteren Erwerbstätigen sind deshalb auf dem Arbeitsmarkt gegenüber den unter 55-Jährigen benachteiligt, weil sie wegen hoher Sozialbeiträge teurer sind für die Arbeitgeber. Der Altersnachteil wird nun beseitigt.

Mehr sparen für bessere Rente

Damit die Versicherten trotz tieferer Altersgutschriften mehr sparen können, wird neu ein deutlich grösserer Teil des Lohnes versichert. Der Koordinationsabzug von heute 25’725 Franken, der zur Berechnung des versicherten Lohnes vom AHV-Lohn abgezogen wird, führt gerade im Tieflohnbereich dazu, dass kaum Geld in die zweite Säule fliesst.

Der Bundesrat schlug vor, den Koordinationsabzug zu halbieren, damit tiefere Einkommen mehr Alterskapital ansparen können. Das Parlament entschied sich für eine andere Lösung: Der Koordinationsabzug soll fairer gestaltet werden, also unabhängig vom Einkommen. Das Parlament einigte sich auf einen Koordinationsabzug von 20 Prozent. Das bedeutet, dass neu 80 Prozent des Lohnes versichert sind. Bei einem Einkommen von 40’000 Franken im Jahr sind anstatt wie bisher 14’275 Franken neu 32’000 Franken versichert.

Für die betroffene Person heisst das konkret, dass sie neu anstatt 89 Franken pro Monat 186.50 Franken aufs Pensionskassenkonto legen muss. Bei der Pensionierung steigt die PK-Rente dafür von 412 auf 581 Franken.

Ähnlich wie bei der Eintrittsschwelle stösst die bessere Versicherung von Tieflöhnern und Teilzeitpensen bei Gewerbe und Bauern auf Kritik, weil die Arbeitgebenden die Altersgutschriften hälftig mittragen müssen. Es fallen höhere Lohnkosten an.

Die Massnahme ist auch unter Ratslinken umstritten, weil die andere Hälfte des Sparbetrags Personen finanzieren, die bereits einen vergleichsweise tiefen Lohn haben. Ihnen fehlt das Geld im Portemonnaie,

Klar ist hingegen, dass von der Änderung vor allem Frauen betroffen sind, die heute über eine kleine oder gar keine PK-Rente verfügen.

Und jetzt?

Für die Gewerkschaften überwiegen die Nachteile der Reform, sie ergreifen das Referendum. Auch die SP lehnt die Reform ab, weil nicht alle Neurentnerinnen eine Kompensation erhalten. Doch gibt es in der SP durchaus weniger ideologische Stimmen, welche die Vorteile für Frauen erkennen. Beispielsweise kommt der Rentenzuschlag nur tieferen Einkommen zugute – und wird darüber hinaus solidarisch finanziert.

Gleichzeitig haben Gewerbe und Bauern ihre liebe Mühe mit den Kosten der Reform. Allerdings haben die jeweiligen Verbandspräsidenten bereits erklärt, dass sie das Referendum nicht unterstützen werden.

Schliesslich sind auch die meisten Pensionskassen unzufrieden mit dem Ergebnis. Es schiesst übers Ziel hinaus, weil auch Personen einen Rentenzuschlag erhalten, die gar nicht von der Reform betroffen sind. Auch gilt die Umsetzung als aufwendig.

Den Kampf – so sieht es heute aus – müssen die Parteien führen, welche die Reform im Parlament unterstützt haben: die GLP, die FDP, die Mitte und weite Teile der SVP. Erschwert wird ein erfolgreicher Ausgang, weil am Tag der Abstimmung das Volk gleichzeitig über die 13. AHV-Reform befinden muss. Ein Thema, das vor allem linke Wählerinnen und Wähler mobilisieren dürfte. (aargauerzeitung.ch)

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136 Kommentare
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HARPHYIE
17.03.2023 10:57registriert Mai 2020
Das Gewicht des Bauernverbandes, welcher knapp 2,5% aller Erwerbstätigen vertritt, ist echt langsam unsäglich!!! Warum gibt man einem Wirtschaftszweig, welcher ohne staatliche Subventionen nicht wirrschaftlich wäre, politisch derart grosse Macht?
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Katerchen
17.03.2023 10:43registriert März 2023
Einkommen in der Schweiz sollen ab dem ersten Franken in der Pensionskasse voll versichert werden.
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Lowend
17.03.2023 10:39registriert Februar 2014
Die Pensionskassenverwalter reiben sich schon die Hände und lassen die Korken knallen, denn 100'000 neue Zwangseinzahler zusammen mit einem tieferen Umwandlungssatz ergeben fette Gewinne für die vielen privaten Pensionskassen! 🥂
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