Mal mit 60 noch mit einem neuen Start-up durchstarten? Oder vielleicht mit 70 nochmals in die Schule, um etwas ganz Neues zu lernen? Wer weiss, vielleicht leben wir in 10 Jahren auch in so einer hybriden Realität, teils als Mensch und teils als Avatar in irgendeiner Meta-Welt, die wir vom Sofa aus steuern, unterstützt von künstlicher Intelligenz in Form von einem dann sicher superschlauen und perfekt trainierten ChatGTP, der nicht nur unsere Wünsche befolgt, sondern sie auch gleich vorhersehen kann.
Was sicher ist: Statistisch gesehen leben wir immer länger und gesünder, so schätzt das BFS, dass von den im Jahr 2017 geborenen Menschen ca. 15 % der Männer und jede vierte Frau 100 Jahre oder älter werden. Als Vergleich, bei den 1967 Geborenen sind die erwarteten Anteile noch 4 % bzw. 11 %.
Mit zunehmender Lebenserwartung werden neue Lebens- und Arbeitsmodelle möglich und vielleicht auch zwingend notwendig, wenn das Geld für ein längeres Leben einfach nicht mehr reicht. Genauso wichtig ist es, dass die Vorsorgesysteme an die heutigen Lebens- und Arbeitsformen angepasst werden, sodass z. B. Teilzeitarbeitende oder Menschen, welche einen Teil ihres Lebens der Care-Arbeit widmen, eine faire Chance haben, im Laufe des Lebens adäquat vorzusorgen. Reform tut auf allen Ebenen not und es wird vieles unternommen. Gerade bei der dritten Säule gäbe es Chancen, mit mehr Flexibilität die Vorsorgesituation für viele von uns zu verbessern. Dazu gibt es auch schon einiges an Initiativen; hier ist, was du darüber wissen solltest.
Heute sind 73 % (1,7 Millionen) der Teilzeiterwerbstätigen in der Schweiz Frauen und leisten gemäss BFS (2020) 50 % mehr Haus- und Familienarbeit als Männer (28,7 Stunden vs. 19,1 Stunden pro Woche), wobei die Männer stetig zulegen (2010 waren es noch 16,2 Stunden pro Woche).
Gerade für diese Lebensumstände birgt das Vorsorgesystem einige Herausforderungen, vor allem in der zweiten und dritten Säule. Hier einige Beispiele:
Der Gender-Pension-Gap, die Lücke, welche sich aus tieferen Löhnen und tieferen Arbeitspensen bei gleichzeitig längerer Lebenserwartung (in der Schweiz leben Frauen im Schnitt gegenwärtig ca. 4 Jahre länger als Männer) in Bezug auf die Vorsorge ergibt, ist mit 34,6 % in der Schweiz höher als der OECD-Durchschnitt von 26 %.
Schaut man noch etwas genauer hin, dann wird ersichtlich, dass es erhebliche Unterschiede in den drei Säulen gibt. Die HSG-Studie «Frauen und Altersvorsorge» (2021) zeigt z. B. bei der AHV einen Gap von 0,46 % auf, während es bei der zweiten Säule, der beruflichen Vorsorge bei den Renten, 40 % sind. Frauen erhalten im Schnitt mit einer Rente von 1398 Franken 40 % weniger Rente aus der beruflichen Vorsorge als Männer mit 2346 Franken. Gemäss der Neurentenstatistik des BFS haben Frauen im Durchschnitt auch 27 % weniger Vermögen in der Säule 3a als Männer.
Auch beim Anlegen gibt es gemäss Nils Aggett, Präsident des Vereins Vorsorge Schweiz, Unterschiede:
Was in der AHV und bei den Pensionskassen schon längst möglich ist, könnte auch für die Säule 3a Realität werden: Vorsorgelücken, welche z. B. durch Erwerbsunterbrüche entstehen, mit Zusatzeinkäufen zu schliessen.
Die von Ständerat Erich Ettlin im Jahr 2019 eingereichte Motion «Einkauf in die Säule 3a ermöglichen» fand 2020 Unterstützung und wurde vom Ständerat und vom Nationalrat angenommen.
Sie sieht vor, «dass Personen mit einem AHV-Einkommen, die in früheren Jahren keine oder nur Teilbeiträge in die Säule 3a einzahlen konnten, die Möglichkeit erhalten, dies nachzuholen, und es vollumfänglich vom steuerbaren Einkommen im Einkaufsjahr abziehen können (sog. 3a-Einkauf). Die Einkaufsmöglichkeiten sollen dabei zeitlich und finanziell eingeschränkt werden». So soll in der Ausgestaltung ein Einkauf z. B. nur alle 5 Jahre möglich sein, der Betrag auf einen Maximalbetrag beschränkt werden und alle bereits getätigten Wohneigentumsvorbezüge vom maximalen Einkaufsbetrag abgezogen werden. Details zur Motion hier.
Wie sich dies auswirken könnte, zeigt dieses Berechnungsbeispiel: Eine heute 45-jährige Frau, welche in den letzten 20 Jahren total 30'000 Franken in die Säule 3a einzahlen konnte, könnte gemäss dem Rechner des Vereins Vorsorge im Einkaufsjahr bis maximal 35'280 Franken in die Säule 3a aufstocken. Wie dieser Betrag für dich aussieht, kannst du mit dem Rechner berechnen.
Ein möglicher Kritikpunkt an der Flexibilisierung der Einkäufe in die Säule 3a ist, dass es sich bereits heute nicht alle leisten können, überhaupt Beiträge in die private Vorsorge einzuzahlen, und die neuen zusätzlichen Einkaufsmöglichkeiten vor allem bereits Gutverdienende besserstellen.
Wie praktisch die Lösung in der Umsetzung für uns alle ist, wenn der Einkauf alle 5 Jahre stattfinden kann, wird sich in der Zukunft zeigen: Hat man die Summe nicht auf der hohen Kante, dann müsste man dafür das Geld ja zuerst irgendwie über die Zeit auf dem Sparkonto oder anderweitig ansammeln, um den Einkauf vorzubereiten.
Wie seht ihr das: Hilft die Möglichkeit der Zusatzeinkäufe in die Säule 3a? Welche weiteren Massnahmen würden uns allen am meisten nützen, für ein Leben bis 100 auch finanziell gerüstet zu sein? 😉