Präsidentschaftswahlen in den USA sorgen immer wieder für einen Entwicklungsschub bei Informationstechnologien. Im Jahr 2007 setzte ein relativ unbekannter Senator aus Illinois plötzlich Facebook für seinen Wahlkampf ein. Sein Name: Barack Obama. Der Kandidat stand anfänglich im Schatten der viel bekannteren Demokratin Hillary Clinton. Doch Obama investierte seine kleinen Ressourcen in eine Facebook-Kampagne, die ihm bald ein Following von 250'000 Menschen bescherte. Hillary Clinton hatte damals um die 3200 Facebook-Freunde.
Wie das ausging, ist bekannt: Obama setzte sich dank seiner Social-Media-Strategie durch und obsiegte später auch souverän über den Republikaner John McCain, der kaum wusste, was Facebook überhaupt ist. Wahlkämpfe ohne eine Kampagne in den sozialen Medien sind seither auf der ganzen Welt undenkbar.
Ein ähnliches Spiel gab es 2016, als Donald Trump zum ersten Mal antrat und als erster Kandidat nicht mehr die traditionellen Medien, sondern den Kurznachrichtendienst Twitter als wichtigstes Kommunikationsmittel nutzte. Anfangs noch wegen stupider Tweets belächelt, entwickelte sich Trumps Twitter-Strategie bald zum Geniestreich. Er konnte seine Positionen ungefiltert und unkontrolliert mit der Weltöffentlichkeit teilen. Wieder obsiegte der Underdog mit der Wette auf die neue Technologie gegen die haushohe Favoritin.
Und selbst dieses Jahr wiederholte sich die Geschichte. Die Kampagne von Kamala Harris gab kürzlich erst bekannt, im Swing State Pennsylvania im Oktober an 2 Millionen Türen geklopft und mit Wählern gesprochen zu haben. Ihr «Ground Game», also ihre politische Hausmacht, sei unschlagbar. Doch Donald Trump und seine Republikaner schlugen mit einer neuen Wahlkampftechnologie auch ihr ein Schnippchen: Sie setzten alles auf Podcasts.
Insgesamt trat Trump bei 14 verschiedenen amerikanischen Podcastern auf – für einen prominenten Politiker seiner Gewichtsklasse ein absolutes Novum. Dabei liess sich Trump auch auf ein dreistündiges Gespräch mit dem erfolgreichsten Podcaster der USA Joe Rogan ein. Kontrahentin Harris sagte ihren Auftritt bei Rogan dagegen «wegen Terminkonflikten» ab und erschien insgesamt nur bei drei Kurz-Podcasts. Etwa bei «Call Her Daddy», einer Produktion, die eigentlich eher unpolitisch, dafür aber ein Beziehungsratgeber für junge Frauen ist. Das Endresultat dieses Wahlkampfs war dann der klare Sieg für Donald Trump.
Doch diesmal ist es nicht Trump allein, der für den Erfolg verantwortlich ist. Denn tatsächlich hat er sich nur an die Spitze einer Strategie gestellt, welche seine Partei schon seit längerem promotet. Die Republikaner und konservative Unterstützer investieren nämlich seit Jahren viel Geld in kleine Privatmedienproduktionen, die für eine bestimmte Wählerklientel Podcasts produzieren. Und das mit Erfolg: je nach Tag stammten im Oktober bis zu 7 der 10 meistgehörten Podcasts in den USA laut den Spotify-Charts von Trump-Unterstützern.
Die meisten dieser erfolgreichen Podcaster sind ehemalige Aushängeschilder des konservativen TV-Senders «Fox News». Da ist der Journalist Tucker Carlson, der bibeltreue Influencer Charlie Kirk oder die schwarze TV-Kommentatorin Candace Owens, die Trump leidenschaftlich unterstützt.
Kurz darauf folgen in den Charts eine Reihe von weiteren ehemaligen Fox-News-Mitarbeitern, die heute eigene Medienunternehmen haben. Erfolgreiche Podcasts mit klar demokratischen Kommentatoren gibt es dagegen nur zwei: jenen der «New York Times» und einen von ehemaligen Obama-Beratern. Grund dafür ist, dass konservative TV-Persönlichkeiten sich öfter als Anti-Mainstream-Kommentatoren ein Stammpublikum schaffen, bei dem nur sie absolute Glaubwürdigkeit geniessen.
Doch genau hier liegt die Krux der Angebote, und der neuen Wahlkampfstrategie Trumps: Die Podcast-Moderatoren sind viel stärker von ihren Gästen abhängig als Interviewer bei traditionellen Medien. Denn Podcaster holen sich die Reichweite und Zuhörerzahlen mit dem Namen der Gäste. Sie müssen einen wohlwollenden Ton anschlagen, um Politiker wie Trump in ihre Sendung zu bekommen. Ausserdem sind sie in der Regel keine neutralen Journalisten, sondern Aktivisten, die gleich denken wie ihre Gäste. Sie haben deshalb kein Interesse, kritische Fragen zu stellen.
Vielleicht deshalb – und weil die Produktion eines Podcasts günstig ist – erleben politische Podcasts gerade einen Boom. Nach der US-Präsidentschaftswahl scheint jedenfalls klar, dass die Zukunft von Wahlkämpfen im Podcast-Business liegt. So haben selbst Schweizer Parteien und Politiker begonnen, für Sympathisanten Podcasts zu produzieren.
Seit diesem Herbst etwa gibt es einen SVP-Podcast mit Parteipräsident Marcel Dettling höchstpersönlich. In «Dütsch. Dütlich. Dettling!» spricht Dettling mit SVP-Nachwuchspolitikerin Vivienne Huber alle paar Wochen über jedwede Fragen aus dem politischen Tagesgeschäft. «Das Projekt ist mit rund 30'000 Zuschauer allein auf Youtube erfolgreich gestartet», schreibt die Volkspartei auf Anfrage.
Das Format ermögliche es, SVP-Inhalte und Positionen direkt zu vermitteln, ohne dass sie verzerrt würden – anders, als das bei «den tendenziell linken Medien» der Fall sei. Die Pressestelle der SVP verneint, dass man sich bezüglich Kommunikationsstrategie an den Taktiken von anderen Parteien orientiere. Ähnlich wie in den USA die Republikaner haben in der Schweiz aber vor allem SVP-Politiker private Medienproduktionen lanciert – so zum Beispiel «In den Sümpfen von Bern» von Banker Thomas Matter oder «Nebelspalterinnen» mit Co-Moderatorin Camille Lothe.
Wie in den USA sind konservative Kräfte dabei in der Schweiz auf dem Podcast-Parkett erfolgreicher als progressive. Nach drei Folgen hat der Podcast des SVP-Parteipräsidenten Dettling bereits zehnmal so viele Zuschaueraufrufe auf Youtube wie die Konkurrenz von der SP. Dies, obwohl die SP ihren Podcast «Meyer:Wermuth» schon seit mehr als zwei Jahren produziert und die Co-Parteipräsidenten Cédric Wermuth und Mattea Meyer Woche für Woche das Weltgeschehen einordnen. Das Interesse ist auf etwa 3000 Zuschauer pro Video begrenzt.
Trotzdem entdecken allmählich auch die anderen Schweizer Parteien den Podcast als Mittel für eine erfolgreiche politische Kommunikation mit der eigenen Klientel. Seit Anfang Jahr betreibt etwa die FDP der Stadt Zürich den «Züri Cha Meh»-Podcast. Und die Junge Mitte Schweiz produziert in deutlich regelmässigeren Abständen neue Folgen von ihrem Podcast «Mittendrin». Zumindest hierzulande ist deshalb punkto Podcasts mehr politischer Wettbewerb zu erwarten als in den USA. (bzbasel.ch)
Sprich, ohne Faktencheck und kritischer Analyse.