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«Znüni-Gate»: Noch mehr fragwürdige Spesen von Berner Regierungsräten

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Neue Enthüllungen zeigen: Die Bananen und die Brötchen bleiben nicht die einzigen fragwürdigen Spesen. Bild: comments://279446473/2274587

«Znüni-Gate» geht weiter – noch mehr fragwürdige Spesen von Berner Regierungsräten

Berner Regierungsräte haben mehrfach Mini-Beträge als Kleinspesen abgerechnet. Das sorgte für Empörung. Recherchen des «Tages-Anzeiger» zeigen: Es gab noch mehr fragwürdige Abrechnungen, als angenommen.
05.02.2024, 16:4605.02.2024, 16:46
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Vor drei Wochen hat die SRF-Sendung «Kassensturz» über die fragwürdige Spesenhandhabung der Berner Regierung berichtet. Es seien viele kleine Beträge als Spesen abgerechnet worden – und das bei einem durchschnittlichen Jahreslohn von 280'000 Franken.

Kuno Schedler, Professor für Public Management an der Universität St. Gallen, sagte damals gegenüber dem «Kassensturz»: «Bereits die Bearbeitung kostet 25 bis 30 Franken. Und die Frage stellt sich: Wenn jemand 20 Rappen ausreizt, was reizt er sonst noch aus?»

Die Kantonsverwaltung dementierte die Anschuldigungen. Auf X schrieb sie: «Es gibt kein Regierungsmitglied, das Kleinstbeträge als Spesen abrechnet – erst recht nicht systematisch. Der ‹Kassensturz› hat nach Durchsicht hunderter von Spesenbelegen auf rund 300 Seiten lediglich zwei Einzelfälle gefunden, die rund fünf Jahre zurückliegen.»

Der Berner Regierungsrat Philippe Mueller spricht anlaesslich dem Festakt in der Justizvollzugsanstalt JVA Hindelbank, am Freitag, 5. November 2021, in Hindelbank. Die Justizvollzugsanstalt feiert ihr ...
Rechnet gerne Kleinspesen ab: Philippe Müller.Bild: KEYSTONE

Der Berner FDP-Regierungsrat Philippe Müller beteuerte ebenfalls, dass er lediglich zwei Bretzel und eine Banane falsch verbucht hätte. Seither habe er aber keine Kleinspesen mehr angegeben.

Mehrere «Fehler»

Doch wie nun Recherchen des «Tages-Anzeigers» zeigen, sagt Müller nur die halbe Wahrheit: Denn er hat sowohl am 13. März 2020 und am 2. Juli desselben Jahres Apple-Kopfhörer für 44.90 Franken gekauft und diese auf seine Spesenabrechnung genommen.

Diese Käufe sind nur zwei von einigen Beträgen, welche auffallen: Nach erneuter Durchsicht der 300 Seiten Belege hat der Tages-Anzeiger herausgefunden, dass es viele weitere fragwürdige Buchungen gibt.

Die jährliche Spesenpauschale der sieben bernischen Regierungsräten beträgt 8000 Franken, damit sollen Alltagsausgaben abgedeckt werden. Wenn grössere Kosten anfallen, etwa für Reisen, können diese als Einzelfallentschädigung abgerechnet werden. Müller hat auf diesem Wege die Banane und die beiden Laugenbrezel abgerechnet.

Eine dritte Variante ist, dass die Regierungsmitglieder Kosten über den Repräsentationskredit ihrer jeweiligen Direktion abrechnen. Der «Tages-Anzeiger» hat nun herausgefunden, dass Müller 2018 und 2019 mehrere Einkäufe für Sandwiches und Salate mit dem Vermerk «Mittagessen» abgerechnet hat.

Grosszügige Einladungen

Danach habe sich das Kaufverhalten von Müller geändert, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Im Fokus seien fortan nicht mehr die Sandwiches gewesen, sondern Essenslieferdienste.

Müller habe mehrheitlich Kaderangestellte aus seiner Direktion zum Essen eingeladen. Ein Amtsvorsteher sei 2020 zum Beispiel fünfmal von ihm eingeladen worden sein, schreibt der «Tages-Anzeiger». Zudem seien auch seine Parteikollegen oder Journalisten von Müller eingeladen worden – auf den Nacken der Steuerzahler in Bern. Laut «Tages-Anzeiger» fielen im Jahr 2020 20-mal Kosten zwischen 35 und 80 Franken für solche «Business-Lunches» an.

Müller ist mit seinen Spesen-Exzessen nicht alleine: Auch die Regierungsräte Christoph Ammann (SP) und Pierre Alain Schnegg (SVP) haben während dieser Zeit mehrere Mittagessen mit externen Personen über die Repräsentationsspesen abgerechnet.

Der «Tages-Anzeiger» hat, wie das SRF auch, eine Expertin konsultiert. Monika Roth ist Corporate-Governance-Expertin und emeritierte Professorin für Compliance an der Hochschule Luzern.

Sie sagt gegenüber dem «Tages-Anzeiger», dass sie keinen Grund sehe, weshalb ein Regierungsrat innerhalb eines Jahres gleich mehrmals auf Kosten der Steuerzahlenden mit demselben Angestellten essen gehe. Sie ist der Meinung, dass man diese Auslagen eigentlich selber bezahle. Zudem würden beispielsweise Kopfhörer nicht in eine Spesenabrechnung gehören. (jub)

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86 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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MRDL
05.02.2024 17:10registriert August 2020
Nochmals, nur damit ich das richtig einordne: Fix einen Lohn von über 250k plus Spesen von 8k (also über einem Medianmonatslohn) als Volksvertreter und dann Gadgets und Mittagsessen über andere Spesen/Auslagen vom Steuerzahler berappen lassen..?

Darf man dann noch erfahren, was er mit den 8k Spesen überhaupt macht?

... zum Davonlaufen!
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Einhorn2.0
05.02.2024 17:02registriert April 2020
Das zeigt, wie kleinlich diese Menschen sind. Trotz sehr guten Salären und einer tollen Spesenregelung wird ausgepresst, was geht. Empathie gegenüber den Steuerzahlenden inexistent und offensichtlich auch parteiunabhängig. Und solche kleinlichen Menschen leiten unsere Gesellschaft, fällen wichtige Entscheidungen für unsere Gegenwart und legen Weichen für unsere Zukunft. Ich würde keinen einzigen von ihnen wieder wählen.
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Pidemitspinat
05.02.2024 17:10registriert März 2018
8k für Spesen auf die 20pk Jahreslohn und trotzdem Brezel abrechnen? Und ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn mein Geschäftsabendessen in Paris über 50 EUR kostet. Das zahlt dann aber mein Arbeitgeber, nicht die Steuerzahler
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