Vor drei Wochen hat die SRF-Sendung «Kassensturz» über die fragwürdige Spesenhandhabung der Berner Regierung berichtet. Es seien viele kleine Beträge als Spesen abgerechnet worden – und das bei einem durchschnittlichen Jahreslohn von 280'000 Franken.
Kuno Schedler, Professor für Public Management an der Universität St. Gallen, sagte damals gegenüber dem «Kassensturz»: «Bereits die Bearbeitung kostet 25 bis 30 Franken. Und die Frage stellt sich: Wenn jemand 20 Rappen ausreizt, was reizt er sonst noch aus?»
Die Kantonsverwaltung dementierte die Anschuldigungen. Auf X schrieb sie: «Es gibt kein Regierungsmitglied, das Kleinstbeträge als Spesen abrechnet – erst recht nicht systematisch. Der ‹Kassensturz› hat nach Durchsicht hunderter von Spesenbelegen auf rund 300 Seiten lediglich zwei Einzelfälle gefunden, die rund fünf Jahre zurückliegen.»
Der Berner FDP-Regierungsrat Philippe Müller beteuerte ebenfalls, dass er lediglich zwei Bretzel und eine Banane falsch verbucht hätte. Seither habe er aber keine Kleinspesen mehr angegeben.
Es gibt zwei Bretzel (2018) & 1 Banane (2019)🍌, die falsch verbucht wurden, mein Fehler. Seither wurden von mir keine Kleinstspesen abgerechnet.
— Philippe Müller (@SicherheitBern) January 17, 2024
Das Bild, das #Kassensturz abgibt, würde mich auch empören. - Aber es ist ein falsches Bild. https://t.co/F72P1pDt4D pic.twitter.com/tIwgNTAzRv
Doch wie nun Recherchen des «Tages-Anzeigers» zeigen, sagt Müller nur die halbe Wahrheit: Denn er hat sowohl am 13. März 2020 und am 2. Juli desselben Jahres Apple-Kopfhörer für 44.90 Franken gekauft und diese auf seine Spesenabrechnung genommen.
Diese Käufe sind nur zwei von einigen Beträgen, welche auffallen: Nach erneuter Durchsicht der 300 Seiten Belege hat der Tages-Anzeiger herausgefunden, dass es viele weitere fragwürdige Buchungen gibt.
Die jährliche Spesenpauschale der sieben bernischen Regierungsräten beträgt 8000 Franken, damit sollen Alltagsausgaben abgedeckt werden. Wenn grössere Kosten anfallen, etwa für Reisen, können diese als Einzelfallentschädigung abgerechnet werden. Müller hat auf diesem Wege die Banane und die beiden Laugenbrezel abgerechnet.
Eine dritte Variante ist, dass die Regierungsmitglieder Kosten über den Repräsentationskredit ihrer jeweiligen Direktion abrechnen. Der «Tages-Anzeiger» hat nun herausgefunden, dass Müller 2018 und 2019 mehrere Einkäufe für Sandwiches und Salate mit dem Vermerk «Mittagessen» abgerechnet hat.
Danach habe sich das Kaufverhalten von Müller geändert, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Im Fokus seien fortan nicht mehr die Sandwiches gewesen, sondern Essenslieferdienste.
Müller habe mehrheitlich Kaderangestellte aus seiner Direktion zum Essen eingeladen. Ein Amtsvorsteher sei 2020 zum Beispiel fünfmal von ihm eingeladen worden sein, schreibt der «Tages-Anzeiger». Zudem seien auch seine Parteikollegen oder Journalisten von Müller eingeladen worden – auf den Nacken der Steuerzahler in Bern. Laut «Tages-Anzeiger» fielen im Jahr 2020 20-mal Kosten zwischen 35 und 80 Franken für solche «Business-Lunches» an.
Müller ist mit seinen Spesen-Exzessen nicht alleine: Auch die Regierungsräte Christoph Ammann (SP) und Pierre Alain Schnegg (SVP) haben während dieser Zeit mehrere Mittagessen mit externen Personen über die Repräsentationsspesen abgerechnet.
Der «Tages-Anzeiger» hat, wie das SRF auch, eine Expertin konsultiert. Monika Roth ist Corporate-Governance-Expertin und emeritierte Professorin für Compliance an der Hochschule Luzern.
Sie sagt gegenüber dem «Tages-Anzeiger», dass sie keinen Grund sehe, weshalb ein Regierungsrat innerhalb eines Jahres gleich mehrmals auf Kosten der Steuerzahlenden mit demselben Angestellten essen gehe. Sie ist der Meinung, dass man diese Auslagen eigentlich selber bezahle. Zudem würden beispielsweise Kopfhörer nicht in eine Spesenabrechnung gehören. (jub)
Darf man dann noch erfahren, was er mit den 8k Spesen überhaupt macht?
... zum Davonlaufen!