Dass Mitglieder der Berner Kantonsregierung trotz hohem Gehalt und Spesenpauschale kleinste Auslagen als Spesen abrechnen, hat in der Bevölkerung für Kopfschütteln gesorgt. Nun dürfte das Thema auch die Politik beschäftigen. Derweil sagt der Kanton, es handle sich um Einzelfälle.
Er hält die Vorwürfe «für ungerechtfertigt». Kein Regierungsmitglied rechne Kleinstbeträge über Spesen ab, schon gar nicht systematisch, setzte der Kanton einen Post im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) ab.
Einzelne Berner Regierungsmitglieder stehen aktuell in der Kritik, weil sie gemäss einem Fernsehbeitrag des «Kassensturz» Kleinstbeträge als Spesen abgerechnet haben. Die Kritik ist ungerechtfertigt.
— Kanton Bern (@kanton_bern) January 17, 2024
Die Sendung «Kassensturz» des Schweizer Fernsehens SRF hatte das Thema ins Rollen gebracht. Der «Kassensturz» habe nach der Durchsicht hunderter Belege lediglich zwei Einzelfälle gefunden, die rund fünf Jahre zurücklägen, betonte der Kanton.
Die «Kassensturz»-Redaktion hatte auf Grund des Öffentlichkeitsprinzips Einsicht in die Spesenabrechnungen der Berner Regierungsmitglieder verlangt und blitzte zunächst ab. Erst nach einer Beschwerde rückte der Kanton die Belege heraus.
Dort fanden sich Kleinstbeträge für Parktickets, kleine Zwischenverpflegungen wie Butterbrezel, Bananen und Ähnliches. Auch die Ausleihe eines Huts und eines Schals für einen Empfang fanden sich verbucht.
Die Mitglieder der Berner Kantonsregierung verdienen rund 280'000 Franken pro Jahr. Dazu kommt unter anderem noch eine Spesenpauschale von rund 8000 Franken.
Einer der Regierungsräte, die im «Kassensturz»-Beitrag prominent vorkommen, ist Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP). Er betonte auf X, die beiden Brezel im Jahr 2018 und eine Banane im Jahr 2019 seien falsch verbucht worden. Seither habe er keine Kleinstspesen abgerechnet.
Es gibt zwei Bretzel (2018) & 1 Banane (2019)🍌, die falsch verbucht wurden, mein Fehler. Seither wurden von mir keine Kleinstspesen abgerechnet.
— Philippe Müller (@SicherheitBern) January 17, 2024
Das Bild, das #Kassensturz abgibt, würde mich auch empören. - Aber es ist ein falsches Bild. https://t.co/F72P1pDt4D pic.twitter.com/tIwgNTAzRv
Das Bild, das die Sendung zeichne, «würde mich auch empören – aber es ist ein falsches Bild», schrieb Müller in seinem Post.
Dass die Regierungsratsmitglieder Kleinstspesen abrechnen ist laut geltendem Reglement zulässig, wie der Kanton dem «Kassensturz» beschied. In der Öffentlichkeit kommt diese Praxis aber schlecht an. Eine solche Kleinkrämerei sei «leicht peinlich» sagte etwa SP-Grossrätin Andrea Rüfenacht im Beitrag des Regionaljournals am Mittwoch.
«Offenbar braucht auch der Regierungsrat jemanden, der ihm besser auf die Finger schaut», sagte GLP-Grossrat Tobias Vögeli am Mittwoch im Regionaljournal von Radio SRF.
Er könne nicht nachvollziehen, weshalb die Regierungsmitglieder solche Kleinstspesen trotz Spesenpauschale abrechneten. Das sei «eher fragwürdig». Vögeli will in den nächsten Tagen einen parteiübergreifenden Vorstoss lancieren, wie er im Radio ankündigte.
Auch Daniel Wyrsch, Geschäftsführer des bernischen Staatspersonalverbands und ex SP-Grossrat zeigte sich erstaunt über die regierungsrätliche Kleinkrämerei. «Das wirkt kleinlich und peinlich» zitierten die Berner Tamedia-Zeitungen Wyrsch.
Kantonsangestellte erhielten für ein Mittagessen 24 Franken, was knapp berechnet sei. Mehrkosten müssten die Betroffenen selber berappen. Ausserdem habe die Regierung im vergangenen Sommer eine Erhöhung der Spesen fürs Mittagessen abgelehnt.
(hah/sda)