Das Unheil begann mit der Schlappe an den Zürcher Kantons- und Regierungsratswahlen. Die SVP verlor nahezu überall Wähleranteile. 5,5 Prozentpunkte hat die Partei eingebüsst – der grösste Sitzverlust seit Jahrzehnten.
Auf den grossen Sitzverlust folgt eine Kaskade von Rücktrittsankündigungen. Auf einen Schlag ging fast die ganze Leitung der kantonalen Zürcher SVP. Präsident Konrad Langhart, Stellvertreter Gregor Rutz und Stefan Schmid, dazu der Parteisekretär und dessen Vize: Sie alle mussten weichen. Den Befehl für den Wechsel der Zürcher Parteispitze soll kein anderer als Christoph Blocher gegeben haben. Dieser stellte innert kürzester Zeit eine neue Parteileitung zusammen, die vergangenen Dienstagabend in Oerlikon von den Delegierten hätte bestätigt werden sollen.
Gemäss der NZZ am Sonntag war dieses Unterfangen aber gar nicht so einfach wie ursprünglich geplant. Szenenwechsel nach Oerlikon: Von einer «Hauruck-Übung» ist dort die Rede, es gehe zu und her wie in der DDR, kritisieren die Delegierten in Oerlikon und wünschen eine Auswahl, um die Parteiführung neu zu besetzen. Begleitet werden die Voten von tosendem Applaus.
Doch die Palastrevolution wird im Keim erstickt. Spätestens als Blocher höchstpersönlich zu später Stunde die Versammlung adressiert, kuschen die Delegierten und wählen brav die vorgeschlagene Parteileitung. Doch das Unheil ist angerichtet.
Einer der Ersten, der nach der Zürcher Wahlschlappe laut wurde, war alt SVP-Nationalrat Hermann Weyeneth. Er sei wenig überrascht über die Niederlage der SVP, sagte der 75-Jährige gegenüber dem St. Galler Tagblatt.
Nicht nur wettert er gegen die Zürcher SVP-Fraktion, die sich «mehr als nur dumm benommen hat», er lässt auch kein gutes Haar an alt Bundesrat Christoph Blocher. Für Weyeneth ist klar: Blochers Zeit ist vorbei, er sei «ausgeschöpft». Er sei nicht mehr präsent und habe nicht mehr die Kraft, die Partei zu ordnen.
Auf Weyeneth folgt bereits die nächste medienwirksame Klatsche, die deutlich zeigt: Bei der nationalen Volkspartei ist vieles im Argen.
Michael Frauchiger, Mitglied der SVP und homosexuell, regte sich fürchterlich über die Wahl der neuen Zürcher Parteileitung auf. Neben dem neu gewählten Präsidenten Patrick Walder soll nämlich alt Nationalrat Toni Bortoluzzi als Stellvertreter fungieren. Für Walder ein absolutes No-Go.
Unverständlich, peinlich und unter aller sau! Einen #Homophoben und #Frauenverachtenden Vizepräsidenten Toni Bortoluzzi werde ich nie, absolut nie unterstützen! Eine klatschen für den #Fortschritt der @svpzh@SRF @watson_news @20min @NZZ @tagesanzeiger @SVPch
— Michael Frauchiger (@MFrauchigerSVP) 2. April 2019
Der Jungpolitiker verweist auf Aussagen Bortoluzzis von 2015, als dieser sagte, Homosexuelle hätten einen verkehrten Hirnlappen. Auf Twitter machte Frauchiger seinem Ärger Luft. Und erntete zahlreiche Reaktionen.
Harsche Kritik kommt auch aus dem Norden der Schweiz. Für Reto Tschudin, SVP-Präsident von Liestal und Umgebung, ist die Partei zu altbacken und kaum innovativ. «Wir blasen seit Jahren mit den gleichen Leuten ins gleiche Horn. Das kann nicht immer gut gehen», so Tschudin gegenüber dem Blick.
Für den 34-jährigen Politiker braucht die SVP neue Gesichter. Die alten Herren sollen jüngeren und allen voran auch weiblichen Personen weichen. Ohne eine Umwälzung werde seine Partei weiter verlieren.
In die Reihe der Kritiker kann sich auch Konrad Langhart, der abgesetzte Präsident der Zürcher SVP, stellen. In einem Interview mit dem Tages-Anzeiger schiesst er vor allem gegen die «Parteimitglieder von der Goldküste».
Langhart kritisiert die Themensetzung der SVP, die beim Volk so gar nicht ankommt. Stichwort Selbstbestimmungs-Initiative, die kläglich gescheitert ist. Die ewige Polemik der Partei ist ihm ein Dorn im Auge. «Ich kann Ihnen sagen, die Polemik und Aggressivität geht den SVPlern im Weinland immer mehr auf den Wecker.»
Und auch für SVP-Nationalrat Roger Köppel, der aktuell besonders gegen die Klimajugend schiesst, hat Langhart kein gutes Wort übrig. «Man kann doch nicht alle, die sich Sorgen wegen des Klimas machen, in die gleiche Ecke stellen. Es ist selbst in unserer Wählerschaft nicht zielführend, sie lächerlich zu machen.»
Und dann fragen sich, warum die jugendlichen wieder vermehrt systemkritisch sind.
was lange gärt wird Wut?