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Gesellschaft & Politik

Umweltverantwortungsinitiative scheitert – Jetzt folgt der Strassenkampf

Olivia Senn, Campaignerin Junge Gruene, Linus Dolder, Mitglied Junge Gruene, Magdalena Erni, Co-Praesidentin der Jungen Gruenen, Mirjam Hostetmann, Praesidentin JUSO, vorne von links, reagieren auf di ...
Lange Gesichter bei den Befürwortern: Magdalena Erni, Co-Präsidentin der Jungen Grünen (erste Reihe, 3. von links), und Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann (4. von links) bei Bekanntwerden des ersten Abstimmungstrends.Bild: keystone

«Zeit, dass wir wieder auf die Strasse gehen»: Junge Linke setzen auf Aktivismus

Das deutliche Nein zur Umweltverantwortungsinitiative ist für die Jungen Grünen eine Klatsche. Jetzt wollen sie ihre Strategie ändern.
10.02.2025, 09:0410.02.2025, 09:04
Lea Hartmann / ch media
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Die Jungen Grünen waren aufs Schlimmste gefasst. Bevor der erste Abstimmungstrend über die Leinwand flimmerte, informierte Moderatorin Olivia Senn die Anwesenden, wo sich die Notausgänge befinden – und dass ein Care-Team bereitsteht. Eine Info, die bei der Jungpartei zum Standard gehört. Doch an diesem Sonntagmittag im Berner Progr konnte man sie auch anders verstehen. Weshalb sich die Sprecherin beeilte zu ergänzen: «Die Ablehnung der Umweltverantwortungsinitiative ist kein Grund zur Panik!»

Im Gegenteil. Die Initiantinnen und Initianten klatschten erfreut, als kurz darauf die erste Hochrechnung eintrudelte. Dabei haben sie sehr deutlich verloren: Gerade einmal 30,2 Prozent der Stimmenden nahmen die Initiative der Jungen Grünen an. Diese forderte, dass die Schweiz nur noch so viele Ressourcen verbraucht und Treibhausgase ausstösst, wie das die Natur verkraftet.

«Jetzt ist es vier vor zwölf»

Klar sei man enttäuscht, sagt Magdalena Erni, Co-Präsidentin der Jungen Grünen. «Aber wir können auch stolz sein.» Dass man es knapp über die 30-Prozent-Marke schaffte, werten die Befürworterinnen und Befürworter als Erfolg.

Magdalena Erni, Co-Praesidentin der Jungen Gruenen Schweiz, spricht beim Treffpunkt der Initianten der Umweltverantwortungsinitiative, am Sonntag, 9. Februar 2025, im Progr in Bern. (KEYSTONE/Peter Kl ...
Enttäuscht, aber auch stolz: Magdalena Erni, Co-Präsidentin der Jungen Grünen.Bild: keystone

Sie hatten im Abstimmungskampf gewarnt, dass in Sachen Klimaschutz fünf vor zwölf sei. Nun sei es «vier vor zwölf», sagt Erni. «Wir müssen weiter vorwärtsmachen – und ganz sicher keinen Schritt zurückgehen, wie das der Bundesrat nun mit seinem Sparpaket plant.» Dabei sei zentral, dass die Massnahmen zum Schutz des Klimas sozialverträglich seien.

Verlierer werfen Nein-Lager «Lügenkampagne» vor

Genau das wäre die Initiative aber nicht gewesen, so der Vorwurf der Gegner. «Niemand in diesem Land ist gegen Klimaschutz, doch diese Initiative war zu extrem», sagt Monika Rühl, Direktorin des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse. «Ein Ja hätte die Schweiz an die Wand gefahren», meint sie. Auch Umweltminister Albert Rösti sagte, dass das Nein nicht als Nein zum Umweltschutz zu verstehen sei.

Mirjam Hostetmann wird von der Delegierte der Juso zur neuen Praesidentin gewaehlt, am Samstag, 29. Juni 2024, in Solothurn. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Mirjam Hostetmann ist Präsidentin der Juso.Bild: keystone

Die Gegner hatten im Abstimmungskampf vor massiven Preissteigerungen und Verboten gewarnt und ihr darum den Übernamen «Verarmungs-Initiative» gegeben.

Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann wirft dem Nein-Lager vor, eine «Lügenkampagne» gefahren zu haben. Doch die Befürworter liessen im Abstimmungskampf offen, wie die abstrakte Forderung konkret umgesetzt werden soll.

Verlierer sehen auch Erfolge

Die Initianten selbst sehen das auch im Nachhinein nicht als Problem. Sowieso zeigen sie sich wenig selbstkritisch. «In keiner Debatte über die Initiative wurde abgestritten, dass es mehr Klimaschutz braucht. Davon waren wir bei der Lancierung der Initiative vor vier Jahren noch weit entfernt», sagt Magdalena Erni. «Es hat sich also etwas getan, wenn auch viel zu wenig.» Nun müssten auch die anderen Parteien ihre Verantwortung wahrnehmen und konkrete Lösungsvorschläge einbringen.

Für die Jungen Grünen ist klar, dass sie weiter kämpfen wollen. Nun brauche man ein paar Tage Erholung, so Gaëlle Valterio, Co-Präsidentin der Jungen Grünen Waadt. Doch dann mache man weiter – «stärker als je zuvor».

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Sie wollen wieder auf die Strasse

Nach der Schlappe an der Urne wollen die jungen Linken wieder vermehrt auf Aktivismus setzen. Sechs Jahre ist es her seit dem grossen Klimastreik, der Zehntausende Jugendliche mobilisiert hatte. «Es braucht den Druck der Strasse, damit sich im Parlament etwas bewegt», sagt Magdalena Erni. Man werde in der Jungpartei bald darüber diskutieren, wie man konkret weiterfahren will.

Klimastreik in Zuerich am Freitag, 24. Mai 2019. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Die Jungparteien künden an, wieder mehr auf Aktivismus setzen zu wollen - wie 2019 beim Klimastreik.Bild: KEYSTONE

Auch Valterio hält es für richtig, wieder stärker aktivisch unterwegs zu sein – sei es mit Demonstrationen, Streiks oder anderen Aktionen. «Es braucht beides, den Aktivismus und die institutionelle Politik. In den vergangenen Jahren haben wir uns mit der Initiative stark auf die institutionelle Schiene konzentriert», sagt sie. Nun müsse man wieder ein Gegengewicht setzen «und auf der Strasse unsere Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen».

Juso-Präsidentin Mirjam Hostetmann pflichtet dem bei. «Das Nein zur Initiative sollte uns aufrütteln: Es ist Zeit, dass die Leute wieder auf die Strasse gehen.» (aargauerzeitung.ch/thw)

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So sieht es aus, wenn gegen 100'000 fürs Klima demonstrieren
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So sieht es aus, wenn gegen 100'000 fürs Klima demonstrieren
Gegen 100'000 Menschen strömten laut Organisatoren am Samstag nach Bern, um vor den Wahlen für mehr Klimaschutz zu demonstrieren.
quelle: jan hostettler / jan hostettler
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Erklärvideo Umweltverantwortungsinitiative
Video: watson
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184 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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7immi
10.02.2025 10:13registriert April 2014
Wie verblendet kann man nur sein... Um etwas verändern zu können, braucht es eine mehrheitsfähige Lösung. Die Initiative war dies nicht. Jetzt einfach auf Demos zu setzen zeigt, dass man nicht erwachsen genug ist, um in der Politik Fuss zu fassen. Eine Analyse über die Gründe für die Niederlage (die zahlreich sind) sollte jetzt folgen, dann eine realistische Neuauflage. Die Strassenkampfansage dagegen zeigt, dass man wohl von Anfang an einfach auf Aufmerksamkeit und Krawall aus war - und nicht auf eine Lösung des Problems abzielte.
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Padi76b
10.02.2025 10:14registriert Dezember 2020
1) Man startet eine völlig unrealistische Klimaschutz-Initiative, von der man schon von Angang an weiss, dass sie keine Chance hat.
2) Man ist glücklich, dass die Initiative mit 30% wenigstens einen kleinen Achtungserfolg erzielt.
3) Man jammert, weil bei Klimaschutz keine Fortschritte gemacht werden.

Macht total Sinn. Ich bin wirklich beeindruckt von dieser konstruktiven Herangehensweise.
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Hans -würkli- Nötig
10.02.2025 09:57registriert Juli 2015
Man ist also hässig oder unzufrieden und will das zeigen aber wie was zu ändern ist sollen die Anderen selbst herausfinden und umsetzen? Wenigstens etwas Konkretes sollte man schon beitragen wenn man ernstgenommen werden will.
Zumindest wenn man sich als politische Partei begreift. Ansonsten seid doch einfach privat hässig und spielt euch nicht so auf.
Mötzlen kann jeder, Mitarbeiten ist halt etwas schwieriger.
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