Die Auswahl von Donald Trumps bemerkenswerten Aussagen über die Windkraft zeigt: Er ist kein Fan. Und für einmal scheint der für seine Unberechenbarkeit und seine Kehrtwenden gefürchtete Präsident bei seiner Meinung zu bleiben. Denn am 20. Januar unterzeichnete er ein Dekret, mit dem sämtliche Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien an Land und auf See gestoppt wurden. Fast gleichzeitig rief er einen nationalen Energienotstand aus.
Laut dem offiziellen Notstands-Papier gelten Wind und Sonne per Definition nicht als Energiequellen: «Die Begriffe ‹Energie› oder ‹Energieressourcen› bedeuten Rohöl, Erdgas, Leasingkondensate, Erdgasflüssigkeiten, raffinierte Erdölprodukte, Uran, Kohle, Biokraftstoffe, geothermische Wärme, die kinetische Bewegung von fliessendem Wasser und kritische Mineralien».
Weiter heisst es, die Politik von Joe Biden habe zu dieser nationalen Energiekrise geführt. Statt von Wind- und Sonne schwärmt der 78-jährige New-Yorker von Gas und Kohle – «sauberer Kohle», wie Trump jeweils betont.
Was viele nicht wahrhaben wollen: Auch Trumps Vorgänger war alles andere als ein Klimawandel-Antagonist. Zwar setzte er mit dem Green New Deal ein milliardenschweres grünes Investitionsprogramm um, doch Biden fuhr stets zweigleisig: Nie pumpten die USA mehr Gas und Öl aus dem Boden, als während seiner Amtszeit.
Unter seiner Führung wurden die USA zum weltgrössten Produzenten von fossilen Energieträgern. Auch weil er mit Bohrlizenzen nur so um sich warf. Mit 758 neuen Genehmigungen in einem Jahr (2023) übertraf Biden Trumps freizügigstes Jahr (2019: etwas über 400) fast um das Doppelte.
Auch deshalb wird Trumps Schlachtruf «Drill baby drill!» immer mehr zum Rohrkrepierer. Die einträglichsten US-Felder sind bereits angezapft. Aufgrund der tiefen Öl-Preise lohnen sich Bohrungen vielerorts nicht mehr. Deshalb liegen in den USA über 6000 Öl- und Gasfelder mit Bohrgenehmigung ungenutzt brach. Diese Zitrone lässt sich aktuell kaum mehr weiter auspressen.
Eine andere Entwicklung macht die von Trump bei jeder Gelegenheit diffamierte Windkraft. Der Sektor floriert, das Geschäft boomt. Im Vergleich zum Vorjahr nahm die Windkraft 2024 um 12,3 Prozent zu. In vier der 50 Bundesstaaten (Iowa, South Dakota, Kansas und New Mexico) wird bereits über die Hälfte des Stroms mit Windkraft produziert. Mittlerweile stehen in den USA über 70'000 Windkraftanlagen – in Texas alleine sind es über 15'000.
Der zweitgrösste Bundesstaat, der grösste Energieproduzent der USA, setzt immer stärker auf Windenergie. Seit 2014 wird in Texas mehr Strom mit Windkraft als mit Atomkraftwerken produziert. Seit 2020 ist es auch mehr als mit Kohlekraftwerken – 28,6 Prozent der Gesamtstromproduktion im Jahr 2023. Neben Strom kreieren die Windturbinen auch Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Die über 26'000 Windkraft-Jobs bringen in Texas durchschnittlich 110'000 Dollar pro Jahr ein.
Dass der Windstrom boomt, hat seinen Grund. Denn Trumps Behauptung, Windenergie sei teuer, könnte nicht falscher sein. Aktuell kennt die Menschheit keine günstigere Stromproduktionsmöglichkeit. Das belegen diverse Studien – und auch die Beispiele in den USA. In den sieben US-Bundesstaaten mit über einem Drittel Windstromanteil bezahlen Konsumenten überall weniger als der Landesmedian.
Günstiger Strom ist bekanntlich gut fürs Business. Als China gegen das Bitcoin-Mining vorging, rollte deshalb Texas den Vertriebenen den roten Teppich aus. Und sie kamen in Scharen. Der Deal ist, dass die Miner bei Strombedarfsspitzen ihre Anlagen herunterfahren. So helfen sie, den Verbrauch und damit auch das Netz zu stabilisieren. Mit ihrem Bedarf nach möglichst günstigem Strom fördern sie gleichzeitig den Ausbau der Windkraft.
Selbstverständlich funktioniert dieses System in der Theorie besser als in der Realität. Bitcoin-Minern wird vorgeworfen, den Verkauf von Stromkapazitäten zum lukrativen Geschäft zu nutzen – auf Kosten von Privatkunden. Ihnen – und den Windkraftanlagen – die Netzinstabilität und Stromausfälle anzulasten, wäre indes Unfug. Die Deregulierung des Strommarktes und die marode Netzinfrastruktur spielen eine weit grössere Rolle.
Auch weiter oben im Norden, in Iowa, ist Wind ein lukratives Geschäft. Der Staat ist bekannt für seine vielen Mini-Tornados und seine Winterstürme. Dank extrem stabiler Windverhältnisse wird bereits heute zwei Drittel des Stroms mit Windenergie produziert. Auf einen solchen Wert kommt nicht einmal Europas Topnation Dänemark (56 Prozent). Der Ausbau soll damit aber noch lange nicht beendet sein. Geplant ist eine Verdoppelung der Kapazität in den nächsten Jahren auf fast 30 Gigawatt.
Neben viel Luftzug gibt es in Iowa auch viel Kälte. Zweistellige Minusgerade sind hier jeden Winter Standard. Das sind wiederum exzellente Bedingungen, um Grossrechner und Datencenter günstig zu kühlen.
Und so mauserte sich der Flyover-State in den letzten Jahren zum Hotspot für die boomende KI-Branche. Microsoft hat rund um die Hauptstadt Des Moines Datencenter gleich im Dutzend gebaut. Google, Apple und Meta sind ebenfalls präsent. Microsoft schreibt sich auf die Fahne, klimaneutral zu wirtschaften – und setzt entsprechend auf Erneuerbare. Zusammen mit OpenAI hat der Grosskonzern in Iowa einen Supercomputer gebaut, der als einer der schnellsten Rechner der Welt gilt. Hier – und nicht etwa im sonnigen Kalifornien – wurde GPT-4 trainiert. Windkraft sei dank.
Auch mit «Made in China» schwingt der aktuelle US-Präsident am Golfball vorbei. Weltweit ist mit Goldwind tatsächlich eine chinesische Firma führend, doch in den USA weht ein anderer Wind. Seit Jahren installiert hier der einheimische Konzern GE Vernova mit Abstand am meisten Windturbinen. Stolze 57 Prozent waren es im Jahr 2023. Dahinter folgt der dänische Hersteller Vestas (30 Prozent). Siemens Gamesa (Spanien/Deutschland) und Nordex (Deutschland) machen die Brosamen untereinander aus.
Das US-Büro für Arbeitsstatistik schätzt, dass Windturbinentechniker mit einer Zunahme von 60 Prozent das Berufsfeld mit dem grössten Wachstum bis ins Jahr 2032 ist. Auf dem zweiten Platz folgt Solaranlageninstallateur (48 Prozent). Daran wird auch Trumps Kreuzzug gegen die Windmühlen nichts ändern. Auf Bundesstaatenebene hat er wenig Einfluss. Und gerade in den USA gilt: ein Geschäft bleibt ein Geschäft. Ist es erfolgversprechend, lässt sich stets jemand dafür finden. Und so erstaunt es nicht, dass 70 Prozent der US-Windmühlen in republikanisch dominierten Staaten stehen.
Zurück zur Liste mit den grössten Zukunftschancen: Berufe im Bereich der fossilen Energien lassen sich in dieser keine finden.
Es gilt:
"Wer Begriffe prägt, der prägt die Sprache. Wer die Sprache prägt, der prägt das Denken. Wer das Denken prägt, prägt den politischen Diskurs, und wer den politischen Diskurs prägt, der beherrscht die Politik", sagte Thüringens AfD-Chef Björn Höcke bei einer Veranstaltung im Jahr 2018.
Genau so funktioniert es.
Bei der AfD. Bei Trump. Bei der SVP.
Und die Medien machen fleissig mit und verbreiten und multiplizieren die Botschaft. Und machen so die verlogenen Rechtspopulisten gross.
Ist er nicht? Er prodiziert aber genau so viel Luft wie ein Fan.