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Das 2-Grad-Ziel ist unrealistisch, sagt Klimaforscher James Hansen

Erderwärmung Klima
Die Erde erwärmt sich in immer rasanterem Tempo.shutterstock

«Das 2-Grad-Ziel ist tot», sagt ein renommierter Klimawissenschaftler

James Hansen, der einst in den 80er-Jahren die Welt über den Treibhauseffekt in Kenntnis setzte, ist in einer neuen Studie zum Schluss gekommen, dass die Menschheit die Erderwärmung nicht auf 2 Grad wird begrenzen können.
05.02.2025, 18:38
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Er war es, der die Welt 1988 auf den Treibhauseffekt aufmerksam machte. In einer geschichtsträchtigen Rede vor dem US-Kongress warnte der renommierte Klimaforscher James Hansen:

  • Die Erde sei wärmer als je zuvor.
  • Diese globale Erwärmung könne mit 99-prozentiger Sicherheit auf einen vom Menschen verursachten Anstieg des Treibhauseffekts zurückgeführt werden.
  • Das werde dazu führen, dass extreme Wetterereignisse immer häufiger und intensiver auftreten würden.

Jetzt, 37 Jahre später, sind Stürme, Hitzewellen und Überschwemmungen schon nahezu Alltag. Und während die internationale Gemeinschaft noch immer hin- und herdiskutiert, ob und wie wir die Erderwärmung bei 1,5 °C stoppen können, verkündet Hansen: Nicht mal das schaffen wir. Schlimmer noch:

«Das 2-Grad-Ziel ist tot.»
James Hansen

Das ehrgeizige Klimaszenario des UNO-Klimarats, das dem Planeten eine 50-prozentige Chance einräumt, die Erwärmung bis zum Jahr 2100 unter 2 °C zu halten, sei «ein unplausibles Szenario». Die Wissenschaft habe das Tempo, mit dem sich unser Planet erhitzt, massgeblich unterschätzt.

BONN, GERMANY - NOVEMBER 06: Climate expert and activist James Hansen attends a press conference at the COP 23 United Nations Climate Change Conference on November 6, 2017 in Bonn, Germany. The confer ...
James Hansen an der UN-Klimakonferenz in Bonn 2017.Bild: Getty Images Europe

Diese Aussagen macht Hansen in einem Webinar zu seiner neusten Studie. Das Autorenteam präsentiert darin neue Ergebnisse, wonach etwa das Wetter immer schneller immer extremer würde. Auch die kritischen Meeresströmungen «Atlantic Meridional Overturning Current» (AMOC) würden aller Wahrscheinlichkeit nach bereits in 20 bis 30 Jahren kollabieren. Sie warnen eindringlich:

«Wenn wir zulassen, dass die AMOC kollabiert, dann steigt der Meeresspiegel um mehrere Meter. Das wäre der ‹Point of no Return›.»

Das willst du zur Studie wissen:

Wie begründen die Wissenschaftler ihr Szenario?

Die Forschenden identifizieren in ihrer Studie zwei Faktoren, die die Erde unerwartet schnell erwärmen: Einerseits führt ein Rückgang der Schiffsemissionen zu saubererer Luft, was wiederum mehr Sonnenlicht auf die Erde prallen lässt und sie so erwärmt.

Andererseits habe man unterschätzt, wie empfindlich der Planet auf zusätzliche Treibhausgase reagiert. Die sogenannte Klimasensitivität beschreibt, wie stark die Erdtemperatur ansteigt, wenn sich die Menge an CO₂ in der Atmosphäre verdoppelt.

Bisher ging der Weltklimarat (IPCC) davon aus, dass diese Erwärmung irgendwo zwischen 2,5 °C und 4 °C liegt. Doch das Forschungsteam um James Hansen kommt in seiner neuen Studie zu einer höheren Schätzung: 4,5 °C. Das würde bedeuten, dass unser Klima stärker auf CO₂ reagiert als bisher angenommen.

Welche Lösungen gibt es?

Trotz der alarmierenden Erkenntnisse präsentieren die Forschenden Lösungen. Der «Point of no Return» könne abgewendet werden, wenn die internationale Politik Massnahmen ergreife. Eine Kohlenstoffabgabe, bei der alle fossilen Brennstoffe besteuert werden und die Einnahmen an die Bevölkerung zurückfliessen, würde etwa helfen.

«Das Grundproblem ist, dass die Abfallprodukte der fossilen Brennstoffe immer noch kostenlos in die Luft gelangen», sagt Hansen.

Obgleich umstritten, sieht Hansen als weiteren Lösungsansatz die Abkühlung der Erde durch Geo-Engineering-Techniken, die er lieber als «gezielte globale Abkühlung» bezeichnet.

Er richtet sich mit einem klaren Appell an die Öffentlichkeit:

«Politischer Wandel ist notwendig, um all diese Massnahmen umzusetzen. Interessengruppen haben viel zu viel Macht in unseren politischen Systemen übernommen. In demokratischen Ländern sollte die Macht bei den Wählern liegen, nicht bei denen, die das Geld haben. Das erfordert Reformen in einigen unserer Demokratien, einschliesslich der USA.»

Wie reagieren andere Wissenschaftler?

Die Ergebnisse der Gruppe liegen zwar am oberen Ende der Schätzungen der Mainstream-Klimawissenschaft, können aber nicht ausgeschlossen werden, so unabhängige Experten.

Der Klimawissenschaftler Zeke Hausfather, der nicht an der Studie beteiligt war, bezeichnete sie etwa als einen nützlichen Beitrag. «Es ist wichtig zu betonen, dass beide Themen – Verringerung der Verschmutzung und Klimasensitivität – Bereiche mit grosser wissenschaftlicher Unsicherheit sind», sagte er. Und weiter:

«Auch wenn Hansen und sein Team am oberen Ende der verfügbaren Schätzungen liegen, können wir nicht mit Sicherheit sagen, dass sie falsch liegen – vielmehr stellen ihre Ergebnisse eher ein mögliches Worst-Case-Szenario dar.»
Zeke Hausfather

Gavin Schmidt, ein weiterer Klimawissenschaftler, der direkt nach James Hansen Direktor des Goddard Institute for Space Studies der NASA wurde, zeigt sich kritischer. Sowohl Hansens Ansatz, die historische Erwärmung und die aufgenommene Wärme der Erde zu betrachten, als auch detailliertere Klimamodelle des IPCC seien zwar nützlich ergänzten sich oft.

«Aber ich denke, in diesem Fall ist Hansens Ansatz zu simpel und berücksichtigt weder Veränderungen der Emissionen in China noch die natürliche Klimavariabilität.»
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172 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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α Virginis
05.02.2025 19:00registriert März 2017
Dass die 2° Grenze nicht mehr eingehalten werden kann ist schon länger klar. Dafür hätte schon viel früher mehr geschehen müssen, um das Ziel zu erreichen.
Nun müssen wir, wohl oder übel, mit den Konsequenzen klarkommen. Allereedings bin ich mir echt nicht sicher, ob wir das mit den jetzigen Führern der Menschheit schaffen...
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Bemic
05.02.2025 19:16registriert April 2023
Es gibt drei Arten von Menschen, die diesen Bericht lesen: Diejenigen, die bereits seit langem (hoffnungslos) handeln, diejenigen, die sich der Notwendigkeit bewusst sind, aber lieber auf die anderen warten, und schliesslich diejenigen, die das Ganze nicht wahrhaben wollen. Den anderen ist es einfach egal.

Wenn man sich das Weltgeschehen so ansieht... Ja, die Menschheit fährt ungebremst gegen die Wand.🤷🏼‍♂️
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Sarah.J.M.
05.02.2025 18:58registriert April 2024
Ja, ok, Herr Hansen, hab verstanden, dass sich die Demokratien wieder mehr dem Wohl ihrer Bürger zuwenden sollen. Da bin ich ganz bei Ihnen. Aber was ist denn Ihre Meinung wie die zunehmende Zahl von autokratisch regierten Länder dazu bewogen werden sollen mitzumachen? Was ist da der Lösungsansatz? Sollen die Demokratien für die mitkompensieren? Dann scheitert es, denn das macht keine Bevölkerung auf Dauer mit und die Populisten gewinnen mehr Boden in den Demokratien. Ist somit keine Lösung. Also, wie bewegt man die Autokraten? Auf deren langfr. Selbsterhaltungstrieb würd ich da nicht zählen.
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    Nach Chat-Panne in den USA: Welche Kommunikations-App ist am sichersten?
    Geheime Regierungs-Chats sollten nicht auf gängigen Plattformen geführt werden, wie die aktuelle Panne in den USA zeigt. Der Fehler lag in diesem Fall jedoch nicht bei einer technischen Sicherheitslücke. Eigentlich wäre Signal für geheime Unterredungen ganz gut geeignet.

    Punkto Sicherheit war es ein netter Versuch von Trumps Sicherheitsberater Michael Waltz, den Gruppenchat «Houthi PC small group» wenigstens auf Signal zu gründen. In diesem Chat besprachen führende Mitglieder der Regierung, darunter der Verteidigungsminister Pete Hegseth und der Vizepräsident JD Vance, konkrete Angriffspläne gegen die Huthi-Miliz im Jemen.

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