In Schweizer Städten haben 2022 weniger Menschen Sozialhilfe bezogen als im Jahr zuvor. Die Zahl der unterstützten Personen sank laut einer Erhebung der Städteinitiative Sozialpolitik im Durchschnitt um 2,4 Prozent. In zehn der 14 untersuchten Städte war die Sozialhilfequote rückläufig.
Zu der Entwicklung habe unter anderem die günstige Lage auf dem Arbeitsmarkt beigetragen, teilte die Städteinitiative am Dienstag mit. Auch die Zahl der neuen Fälle ging zurück – gegenüber dem Durchschnitt der vorangegangenen drei Jahre um 11,1 Prozent.
Am höchsten war die Sozialhilfequote den Angaben zufolge mit 9,9 Prozent nach wie vor in Biel. Dies, obwohl sie seit 2016, als ein Höchststand von 11,8 Prozent erreicht wurde, stetig abgenommen hat.
Auf Platz zwei der Rangliste folgt Lausanne mit einer Sozialhilfequote von 6,8 Prozent, wobei auch dort im Mehrjahresvergleich ein Rückgang zu beobachten ist. 2012 hatte die Sozialhilfequote in der Waadtländer Kantonshauptstadt noch 10,3 Prozent betragen.
Für den Bericht «Sozialhilfe in Schweizer Städten - Kennzahlen 2022 im Vergleich» analysierten die Städteinitiative Sozialpolitik des Schweizerischen Städteverbands und die Fachhochschule Bern Daten aus 14 Städten: Basel, Bern, Biel, Chur, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Schaffhausen, Schlieren, Uster, Wädenswil, Winterthur, Zug und Zürich.
In den untersuchten Städten lebt laut den Studienautorinnen und -autoren ein Viertel der Sozialhilfebeziehenden in der Schweiz. Die Erhebung basiert auf in erster Linie auf der Sozialhilfestatistik des Bundesamts für Statistik (BFS).
Die tiefste Sozialhilfequote wies im vergangenen Jahr Zug mit 1,5 Prozent auf. In Basel belief sich die Quote auf 5,3 Prozent, in Bern auf 4,9 Prozent und in Zürich auf 4,1 Prozent.
Als Gründe für die erheblichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Städten bezeichnen die Studienautoren eine Reihe struktureller Faktoren: So hätten Städte mit höheren Bevölkerungszahl, in denen relativ viele preisgünstige Wohnungen verfügbar seien, in der Regel eine höhere Sozialhilfequote.
Eine Rolle spielt demnach auch der Anteil Alleinerziehender und Geflüchteter an der Bevölkerung - und wie viele Arbeitslose, Ausgesteuerte oder Menschen ohne Ausbildung an einem Ort leben. Zudem unterstützten die Kantone Haushalte mit geringem Einkommen unterschiedlich stark. Entsprechend sei auch das Risiko, auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, nicht überall gleich gross.
In vier Städten nahm die Zahl der Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger im Vergleich zum Vorjahr zu: In Zug stieg sie um 6,2 Prozent, in Schaffhausen um 3,7 Prozent, in St. Gallen um 2,6 Prozent und in Luzern um 2,5 Prozent.
Die Zahl der unterstützten geflüchteten Personen habe in allen Städten zugenommen, schrieb die Städteinitiative dazu. Je höher der Anteil von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen unter den Sozialhilfebeziehenden sei, desto stärker wirke sich die Zunahme auf die Gesamtentwicklung aus.
Im Bezug auf die Situation Geflüchteter hob die Städteinitiative hervor, dass Geflüchtete, die auf Sozialhilfe beziehen, häufig erwerbstätig sind. 2022 waren 36 Prozent von ihnen sogenannte Working Poor, von den übrigen Sozialhilfebeziehenden waren lediglich 23 Prozent erwerbstätig.
Die Erhebung zeige, dass Sprachkurse, der Zugang zur Berufsbildung, und die Anerkennung von Abschlüssen unerlässliche Massnahmen seien, um Geflüchteten ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, liess sich die Lausanner Sozialvorsteherin Émilie Moeschler im Communiqué zitieren. Die SP-Politikerin ist Vizepräsidentin der Städteinitiative.
In allen grösseren Städten lebten anteilmässig mehr Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene als im Durchschnitt des jeweiligen Kantons, betonte die Städteinitiative. Intergrationsmassnahmen müssten aus Sicht der Städte rasch erfolgen - und auf die individuelle Situation der Betroffenen abgestimmt sein.
Der Winterthurer Sozialvorsteher Nicolas Galladé/SP, Präsident der Städteinitiative, forderte in diesem Zusammenhang namentlich, dass auch das Intergrationsprogramm für Menschen aus der Ukraine mit Schutzstatus S weitergeführt wird. Er kritisierte zudem die Ungleichbehandlung von Personen, die Asylsozialhilfe beziehen. (sda)