Die Geburtenrate in der Schweiz ist auf einen historischen Tiefstwert gesunken: Gemäss den jüngsten Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) kamen letztes Jahr pro Frau nur noch 1.39 Kinder zur Welt. Dies hat Konsequenzen auf die Altersvorsorge. Der demografische Wandel macht die nachhaltige Finanzierung insbesondere der AHV in Zukunft noch anspruchsvoller.
Derzeit finanzieren 3.1 erwerbstätige Personen eine Altersrente. Das BFS geht in seinen Prognosen bis 2050 mit einer Geburtenrate von im Vergleich zu heute optimistischen 1.62 Kindern pro Frau aus. Doch selbst dann kämen im Jahr 2058 nur noch zwei Beitragszahlende auf eine Rentnerin oder einen Rentner.
In der «NZZ am Sonntag» schlägt der Ökonom Wolfram Kägi vom Basler Beratungsbüro BSS – gemeinsam mit anderen Berufskollegen – deshalb vor, die Höhe der AHV-Rente an die Zahl der eigenen Kinder zu koppeln. «In der AHV wird die Rendite der Kinder sozialisiert, während die Kinderkosten zum grossen Teil privat zu tragen sind». Eine kinderabhängige Rente bringe somit nicht nur mehr Gerechtigkeit, sondern verbessere ebenso die finanzielle Nachhaltigkeit der AHV.
Bei der Politik hingegen fällt der Vorschlag querbeet durch. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi kann mit der Idee wenig anfangen. Er gibt zu bedenken: Ein AHV-Bonus für Eltern differenziere nicht, ob deren Kinder gut verdienten und ergo gute AHV-Beitragszahler oder lebenslange Sozialhilfebezüger seien. «Im Kampf gegen die sinkende Geburtenrate müsse man die traditionelle Familie stärken, statt in der Altersvorsorge ein systemfremdes Element wie den Kinderbonus einzuführen», sagt Aeschi. Mehrheitsfähige Reformen bei der AHV seien ohnehin schon schwierig zu bewerkstelligen.
Für FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt muss die Finanzierungsgrundlage der AHV der Geburtenrate angepasst werden, nicht umgekehrt: «Der Staat soll keine Geburtenpolitik machen. Das hat für mich nichts mit einer liberalen Gesellschaft zu tun.» Die AHV soll Grundsicherung im Alter für alle da sein. «Ich finde es falsch, sie an Bedingungen wie die Anzahl Kinder zu knüpfen», so Silberschmidt.
Für Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner passt der Vorschlag der Ökonomen, die Rentenhöhe an die Anzahl Kinder zu binden, nicht zum breit anerkannten Grundprinzip der ersten Säule, das er als «Leistungsprinzip mit grosser Solidarität» bezeichnet. Hinzu komme, dass viele Menschen auch unfreiwillig kinderlos blieben. «Das macht die vorgeschlagene Diskriminierung der Kinderlosen noch zusätzlich unpraktikabel.»
SP-Nationalrätin Barbara Gysi findet den Vorschlag «total daneben». Dieser spiele Familien gegen Kinderlose aus und befeure die gesellschaftliche Entsolidarisierung: «Wenn Kinderlose in der Altersvorsorge diskriminiert werden, könnten diese die Finanzierung der Schulbildung mit ihren Steuergeldern oder anderes infrage stellen.» Die finanzielle Entlastung von Eltern müsse über höhere Kinderzulagen und bei den Kita-Kosten geschehen, nicht mit einem neuen AHV-Bonus.