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Bundesrat ringt um Antwort auf SVP-Initiative – das wissen wir

Bundesrat ringt um Antwort auf SVP-Initiative – was wir dank immer neuen Leaks wissen

Im Streit um die Zuwanderung kann sich der Bundesrat auf keinen gemeinsamen Nenner einigen. Zumindest bislang nicht. Darauf deuten verschiedene Leaks aus dem Umfeld der Landesregierung. Dabei drängt die Zeit.
21.11.2024, 14:31
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Was sagt der Bundesrat?

Was wir wissen: Der Bundesrat lehnt die sogenannte Nachhaltigkeits-Initiative der SVP ab. Sie gefährde Wohlstand und Sicherheit der Schweiz. Zugleich beauftragte die Landesregierung Justizminister Beat Jans im Sommer, ein «Begleitkonzept» für den drohenden Abstimmungskampf über die sogenannte Initiative «Keine ‹10-Millionen-Schweiz!›» zu erarbeiten. Ziel: Damit sollen die unerwünschten Folgen der Zuwanderung gemildert werden.

Bundesrat Beat Jans, 2. links, lacht mit Parteipraesident und Nationalrat Gerhard Pfister, Mitte-ZG, Fraktionschef und Nationalrat Thomas Aeschi, SVP-ZG, Fraktionschef und Nationalrat Philipp Matthias ...
Gut lachen oder ausgelacht? SP-Bundesrat Beat Jans im Kreis der bürgerlichen Parteiexponenten an den letzten Von-Wattenwyl-Gesprächen.Bild: keystone

Was geschah seither?

Im Bundesrat gab es eine erste Diskussion über das Begleitkonzept. Und diese war «sehr interessant». Das – und kein Wort mehr – sagte Jans am Mittwoch vor den Medien in Bern. Auch auf zahlreiche Nachfragen von Journalisten beharrte der SP-Bundesrat auf diesen zwei kurzen Sätzen. Ein Entscheid im eigentlichen Sinn ist also nicht gefallen.

Was steht im Begleitkonzept?

Was wir damit offiziell nicht wissen: Welche Massnahmen Bundesrat Jans seinen Regierungskollegen im Begleitkonzept effektiv vorschlägt. Gesprächiger sind derzeit Insider in Bundesbern. Jedenfalls verbreiten sich im und ums Bundeshaus seit Tagen Indiskretionen wie selten zuvor. Darauf lassen zumindest verschiedene Medienartikel schliessen.

So berichtet am Donnerstag beispielsweise die NZZ unter dem Titel «Ist Beat Jans naiv, oder läuft er absichtlich ins Messer?», was der Asylminister seinen Kolleginnen und Kollegen in der Sitzung vorgeschlagen habe. Und zwar eine «Liste von nicht weniger als 25 Massnahmen». Die Palette reiche von höheren Kinderzulagen über zusätzliche Subventionen für den Wohnungsbau bis zur Asylpolitik.

Doch das Echo im Bundesrat auf Jans' Pläne sei «verheerend ausgefallen», so die NZZ. «Aus den anderen Departementen sind fünf Mitberichte zurückgekommen, von denen vier relativ kritisch bis vernichtend waren.» Einzig Genossin Elisabeth Baume-Schneiders Stellungnahme sei wohlwollend gewesen, auch wenn sie einzelne Massnahmen ebenfalls ablehne. Kritisch äusserten sich demnach Ignazio Cassis, Karin Keller-Sutter, Guy Parmelin und Albert Rösti. Als einzige Magistratin geschwiegen haben soll Bundespräsidentin Viola Amherd.

Runde Tische mit allen möglichen Interessierten

Was Insider der NZZ weiter verraten: Nebst einer «Zuwanderungsgebühr» sollen auf dem Wunschzettel von Innenminister Jans vorab Anliegen stehen, welche die Linken und Gewerkschaften schon länger fordern. Allerdings scheint unklar, ob es sich bei der geleakten Liste um eine aktuelle oder ältere Version des «Begleitkonzepts» handelt.

Klar scheint laut dem Bericht also einzig, dass Beat Jans im Bundesrat auflief mit seiner ersten Version. Auch soll bislang kein neuer Zeitpunkt für eine nächste Diskussion feststehen.

Bereits tags zuvor berichteten die Tamedia-Zeitungen über ähnliche Pläne. Und dass Jans damit laut Mitberichten in der Regierung auf «heftigen Widerstand» stosse. Und das alles trotz Dutzender Sitzungen, unter anderem mit Guy Parmelins Wirtschaftsdepartement. Aber auch Gewerkschaften und Arbeitgeber hätten Einladungen zum Austausch über ihre Ideen und Forderungen erhalten, seien zusammen mit Experten Ideen vorgestellt worden. Und das «alles unter strenger Geheimhaltung», so der Medienbericht. Selbstverständlich basieren auch in diesem Fall alle Infos ebenfalls auf Leaks aus dem Umfeld der Landesregierung.

Wie die SVP den Bundesrat unter Druck setzt

Die sogenannte Nachhaltigkeits-Initiative der SVP fordert eine Begrenzung der Bevölkerung in der Schweiz auf unter 10 Millionen bis 2050. Werde diese Grenze vorher überschritten, seien Massnahmen zu ergreifen. Sollte das nichts bewirken, müsste nach zwei Jahren die Personenfreizügigkeit mit der EU gekündigt werden. Die Gegner sprechen denn auch von der «Kündigungsinitiative 2.0».

Parteipraesident und Nationalrat Marcel Dettling, SVP-SZ, Nationalrat Lars Guggisberg, SVP-BE, Nationalraetin Sandra Sollberger, SVP-BL, und Nationalrat Roland Rino Buechel, SVP-SG, von links nach rec ...
Bild: keystone

Im Bundeshaus gilt die SVP-Initiative alles andere als chancenlos. Dies, weil das Zuwanderungs-Thema in der Bevölkerung starke Emotionen wecke. Denn schon 2014 hat das Volk die Masseneinwanderungsinitiative der Volkspartei angenommen, die eine ähnliche Stossrichtung hatte.

Zu reden gab dann vor allem die Umsetzung der Volksinitiative durch das Parlament. Dazu hatten Bundesrat und Sozialpartner einen Deal geschlossen: Sie stellten sich geschlossen gegen die SVP-Initiative. Im Gegenzug führte der Bund die sogenannte Überbrückungsrente für ausgesteuerte Arbeitnehmer über 60 Jahre ein. In der Folge hat die Stimmbevölkerung die «Begrenzungs-Initiative» der SVP mit 62 Prozent Nein-Stimmen deutlich abgelehnt.

Mit der Initiative setzt die SVP insbesondere auch den Bundesrat unter Druck in den laufenden Verhandlungen über ein neues Abkommen mit der EU. Die Diskussionen zur Ausgestaltung der künftigen bilateralen Beziehungen stehen bekanntlich auf der Zielgeraden. Dabei verlangt die Schweiz von der EU beispielsweise eine bessere Schutzklausel, mit der sie die Zuwanderung temporär beschränken könnte. Brüssel stellt sich jedoch gegen starre Obergrenzen. (sat, aargauerzeitung.ch)

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136 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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NicknamePaul
21.11.2024 14:54registriert Juni 2023
Zuwanderungsgebühr finde ich eine sehr gute Idee! Allerdings müsste diese von der Wirtschaft (Branchen- und Bedarfsorientiert) bezahlt werden, immerhin ist es ja sie, die mehr als 90% der Immigration verantwortet. Wetten, die SVP findet das dann wiederum eine mega schlechte Idee..?
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John H.
21.11.2024 15:11registriert April 2019
Mich stört dieses Spiel mit Geheimhaltung und Leaks. Drama und Soaps sehe ich mir auf Netflix an, die sind da auch besser inszeniert.
Von meiner Regierung erwarte ich, dass sie mir transparent aufzeigt, wo sie Handlungsbedarf sieht und wie sie handeln will. Was ich von ihr nicht will, ist bei Streitigkeiten innerhalb als Schlichter oder Richter beigezogen zu werden. Wenn ihr Konkordanz nicht mehr wollt, so sagt es deutlich. Dann können wir auch über eine Regierung mit Opposition reden.
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Yogi Bär
21.11.2024 15:13registriert August 2018
Das wiederspiegelt unser Problem! 4 Bürgerliche 1 Halbbürgerliche 2 Sozialdemokraten, die bürgerliche Mehrheit ist übervertreten. Zuviele Polemiker die ihre Partei Interessen vertreten und zu keinem Konsenz mehr bereit sind! Wir brauchen wieder Menschen in der Politik die Konsenzfähig sind und nach GEMEINSAMEN Lösungen suchen und keine Narzissten!
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