In Deutschland herrscht Hebammenmangel. Auf eine Hebamme kommen 90 Geburten pro Jahr, berichtete kürzlich t-online. Immer mehr Hebammen arbeiten wegen der hohen körperlichen und psychischen Belastung Teilzeit.
In der Schweiz ist die Situation etwas komplizierter. Weil national keine Zahlen erhoben werden, sei es schwierig, eine eindeutige Einschätzung zur hiesigen Situation der Hebammen abzugeben, erklärt Andrea Weber, Geschäftsführerin des Schweizerischen Hebammenverbands.
«Klar ist: Die Ökonomisierung hat auch vor dem Gebärsaal nicht Halt gemacht. Und das Personal ist nun mal am teuersten», führt Weber aus. So stark wie in Deutschland sei der Mangel noch nicht. «Es gibt aber durchaus Schweizer Randregionen, wo zu wenige freie Hebammen verfügbar sind und grosse Gesundheitszentren, die aus unterschiedlichen Gründen zu wenige Hebammen finden.»
Durchschnittlich 6520 Franken – für die Leiterin Geburtshilfe* eines kleinen kantonalen Spitals ist dieser Lohn gemessen an der Arbeit zu tief angesetzt. «Hebammen übernehmen die Verantwortung für Mutter und Kind – zwei Menschenleben. Diese riesige Verantwortung sollte gerechter entlohnt werden.» Am Spital gestalte sich die Rekrutierung neuer Hebammen schwierig, so die Leiterin. «Ich kann mir vorstellen, dass besonders junge Frauen sich gegen eine Bewerbung in einem kleineren Spital entscheiden. Wegen der hohen Verantwortung und des im Vergleich eher tiefen Lohns», so die Hebamme. Doch nicht nur der Lohn sei ein Problem. Auch die Zeit für die werdenden Eltern werde immer knapper. «Eine 1:1 Betreuung ist nicht mehr garantiert. Hinzu kommt der steigende administrative Aufwand.»
Verschärfen die tiefen Löhne und die steigende Arbeitslast den Hebammenmangel? 2014 berechnete die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW) in einer Studie, wie der Bedarf an Hebammen in den nächsten zehn Jahren ansteigt. 2025 bräuchte es rund 58 Prozent mehr Hebammen als noch 2014.
Dass der Bedarf an Hebammen in den letzten zehn Jahren tatsächlich angestiegen ist, zeigt sich auf Anfrage bei zwei Schweizer Spitälern: An einem kantonalen Spital in der Innerschweiz betreute eine Hebamme 2010 durchschnittlich 60.3 Geburten. 2018 ist die Geburtenzahl auf 62.3 gestiegen. Noch stärker ist der Anstieg am Zürcher Unispital (USZ). 2010 kamen auf eine Hebamme 64 Geburten, 2018 waren es bereits 89 Geburten.
Als Universitätsspital hat Zürich die Möglichkeit, Studierende nach deren Abschluss fest anzustellen. Dennoch ist es auch in Zürich nicht einfach, genügend Hebammen zu finden. «Die Rekrutierung unterjährig gestaltet sich schwierig», bestätigt Claudio Jörg, Kommunikationsbeauftragter am USZ.
Doch es ist nicht nur die steigende Anzahl an Geburten, die eine steigende Belastung mit sich bringt. Gemäss Jörg seien die Frauen immer selbstbestimmter und haben präzise Vorstellungen an ihre Geburt. Das bestätigt Gabriele Hasenberg, Co-Leiterin des Bachelor-Studiengangs Hebamme an der ZHAW. «Heutzutage informieren sich die Frauen übers Internet und haben manchmal Erwartungen an ihre Geburt, die nicht erfüllt werden können», erklärt Hasenberg. Hebammen würden gerne auf die individuellen Bedürfnisse der Frauen eingehen, aber es bleibe immer weniger Zeit dafür. «Das führt zu einer grossen körperlichen und psychischen Belastung der Hebammen.»
Und dennoch: Die Beliebtheit des Jobs bleibt ungebremst. «Wir haben jährlich dreimal so viele Bewerberinnen wie Studienplätze», so Hasenberg. Auch sie sieht es als Widerspruch, dass es an Hebammen fehlt, obwohl das Interesse am Beruf hoch ist. «Wir bräuchten doppelt so viele Ausbildungsplätze. In einem ersten Schritt wollen wir die Studienplätze von 66 um ungefähr einen Drittel erhöhen, um der Nachfrage gerecht zu werden.»
*Name der Redaktion bekannt
Natürlich, Jahresverträge sind bzgl. Arbeitnehmerschutz nämlich total unattraktiv. Bei Krankheit oder Schwangerschaft kann der Arbeitgeber einfach den Vertrag nicht verlängern und ist fein raus.
Leider braucht es im Gesundheitswesen vielerorts richtig Personalmangel, damit sich endlich die Anstellungsbedingungen verbessern.
Schade, denn bis dahin ist schon viel Porzellan zerschlagen. Alles kaputtsparen, überall Stellenabbau...ausser in Verwaltungen.