Viele Menschen in der Schweiz husten seit Wochen, haben einen verschleimten Hals, Druck auf den Ohren und vieles mehr, was zu einer Atemwegserkrankung gehört. Nun kommt Weihnachten und damit das gemütliche Beisammensein im Wohnzimmer. Dabei treffen sich Jung und Alt und somit auch jene, die als Risikopersonen gelten.
Wie soll man sich da am Fest verhalten? «Ich sehe keinen Grund, Weihnachten anders zu verbringen als vor der Pandemie», sagt dazu der Long-Covid-Forscher Philipp Kohler, Infektiologe am Kantonsspital St.Gallen. «Der Anteil der Personen mit Risiko für einen schweren Verlauf nimmt mit zunehmender Immunität in der Bevölkerung laufend ab, auch bei älteren Personen. Im Einzelfall kann man sich mit einfachen Hygienemassnahmen wie Masken und Händehygiene schützen.»
Das sieht auch der Chef der Impfkommission Christoph Berger so: «Wer krank ist, bleibt zuhause. Bei Erkältungssymptomen sollte man eine Maske tragen, insbesondere wenn besonders gefährdete Personen anwesend sind.»
Kaum jemand weiss allerdings, an welchem Infekt er leidet. Auch die Hausärzte wollen es oft gar nicht mehr so genau wissen und machen keine Tests. Für die meisten Menschen sei das auch nicht nötig, sagt der Infektiologe Kohler. «Es gibt aber Risikopatienten, bei denen eine Corona- oder eine Grippeinfektion immer noch schwerer verlaufen könne. Eine Diagnostik auf diese beiden Viren kann deshalb bei Risikopersonen mit ausgeprägten Symptomen sinnvoll sein, da eine gezielte Therapie zur Verfügung steht.»
Denn Sars-CoV-2 ist noch aktiv. Die meisten Kläranlagen in der Schweiz zeigen zwar seit kurzem eine steil abfallende Kurve der Viruslast. Das sei nur ein Parameter, sagt Kohler. «Es gibt andere, wie zum Beispiel die Anzahl der Hospitalisierten mit Covid-19 in der Schweiz. Diese Zahl nimmt im Moment noch nicht ab. Von dem her kann man nicht sagen, dass die Welle vorbei ist», sagt Kohler. Noch gibt es auch zwischen 10 und 15 Covid-Tote pro Woche. «Die Daten des BAG zeigen, dass vor allem betagte Personen und andere besonders gefährdete Personen mit oder wegen Covid gestorben sind», sagt Berger.
Für über 65-Jährige und Jüngere mit chronischen Krankheiten gilt nach dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der Impfkommission (EKIF) die Empfehlung, sich gegen Grippe und Corona impfen zu lassen. Der ideale Zeitpunkt für die Covid-19-Impfung lag zwischen Mitte Oktober und Mitte Dezember. «Aber es ist auch kurz vor Weihnachten nicht zu spät, Versäumtes nachzuholen», sagt die deutsche Altersmedizinerin Anja Kwetkat auf dem «Deutschen Gesundheitsportal», das Neuigkeiten aus der Forschung zu chronischen Erkrankungen meldet.
Wer allerdings schon an einem Infekt leidet, sollte es bleiben lassen. Fieber ist eine Gegenanzeige zum Impfen, zudem sollte man nach einer Covid-Infektion sechs Monate waren. Aber jene, die es erst im Hals kratzt und die Sorge von einer Ansteckung unter dem Weihnachtsbaum haben, können sich immer noch impfen lassen. «Je mehr Senioren sich noch zur Impfung entschliessen, desto weniger Patienten werden wir Altersmediziner in den nächsten Wochen auf unseren Stationen und Intensivstationen sehen», sagt Kwetkat.
Auch für die Impfung gegen Influenza bleibt gemäss dem BAG noch genügend Zeit, damit das körpereigene Immunsystem einen Impfschutz aufbauen kann. Die Grippewelle beginnt in der Schweiz in der Regel nicht vor Ende Dezember, meistens im Januar.
Wie viele von den Risikopersonen einen Covid-Booster erhalten haben, weiss das BAG allerdings nicht. Während der Pandemie hatte das BAG dank der Meldepflicht der Covid-19-Impfungen genaue Kenntnisse über die Fortschritte der Durchimpfung der Bevölkerung. «Da Sars-CoV-2 zunehmend endemisch ist, wurde die Meldepflicht der Covid-19-Impfung an den Bund Anfang Juli sistiert», sagt Ming.
Nur einzelne Kantone wüssten noch über die Zahl der Covid-Impfungen Bescheid. «Im Kanton St.Gallen wurden seit dem 2. Oktober bis heute rund 12'000 Personen gegen Sars-CoV-2 geimpft», meldet zum Beispiel das dortige Gesundheitsdepartement. Das sind seit Anfang Oktober nur etwa 12 Prozent der Seniorinnen und Senioren, die sich impfen lassen sollten. Wirklich interessiert scheint das BAG daran nicht zu sein. Impfchef Berger sagt dazu nur: «Es geht bei der Covid-Impfung nun um den individuellen Schutz». Also weniger um den Solidaritätsgedanken wie während der Pandemie.
Solange keine neue gefährlichere Variante von Sars-CoV-2 auftaucht, wird sich das auch nicht ändern. Die ist nach dem Virenanalysten Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel nicht in Sicht. Allerdings hat eine neue Variante die Vorherrschaft in der Schweiz gewonnen. «Laut den Viren-Daten aus dem Abwasser ist jetzt die Variante JN.1 in allen Regionen der Schweiz dominant», sagt Neher. Ein Abkömmling der Variante Pirola.
Diese Variante führe substanziell aber nicht zu einem anderem Krankheitsverlauf. «Aber sie breitet sich schnell aus und erzeugt eine grosse Welle», sagt der Virenanalyst. Der Anteil von Eris, EG.5.1, nimmt dagegen laufend ab. Sequenziert werden nur noch Nachfahren von Eris, die aber von JN.1 verdrängt werden. Einen noch etwas grösseren Anteil hat die bei Variante HV.1 mit 15 Prozent. «Die wird aber wohl abnehmen, wenn JN.1 weiter dominant wird», erklärt Neher. Eine unmittelbare Corona-Gefahr ist somit für die allermeisten Menschen in der Schweiz nicht in Sicht.
Vorletzte Woche hat mich Covid trotzdem erwischt, aber dank Impfung war ich nach 5 Tagen wieder fit. Man kann es nicht verhindern, aber man kann es sich angenehmer machen... mein Fazit.