Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz haben im ersten Jahr der Corona-Pandemie doppelt so häufig Antibiotika verschrieben wie zuvor. Das zeigt eine neue Studie der Universität und des Universitätsspitals Basel. Dies, obwohl Antibiotika gegen Viren wie das Coronavirus nicht wirken, wie die Universität Basel am Montag in einer Mitteilung betonte.
Laut der in der Fachzeitschrift «Clinical Microbiology and Infection» publizierten Studie verdoppelte sich der Einsatz von Antibiotika von rund acht Verschreibungen pro 100 Konsultationen im Jahr 2017 auf 16 Antibiotikaverschreibungen pro 100 Konsultationen im Jahr 2020. Der Anstieg der Verschreibungen zeigte sich demnach für alle Antibiotikaklassen, auch für solche, die nicht primär zur Behandlung von Atemwegsinfektionen vorgesehen sind.
Die Forscherinnen und Forscher halten dies für besorgniserregend: Der übermässige und unsachgemässe Einsatz von Antibiotika erhöhe das Risiko, dass Bakterien resistent gegen den eingesetzten Wirkstoff werden, erklärte Studienleiter Heiner Bucher in der Mitteilung der Universität Basel. Multiresistente Bakterien führen zu Infektionen, die sich kaum mehr behandeln lassen.
«Für künftige Viruspandemien sollten Interventionspläne mit rechtzeitigen Aktivierungsschritten zur Minimierung des ungerechtfertigten Antibiotikaverbrauchs in der Primärversorgung erstellt werden», schrieben die Forscherinnen und Forscher in der Studie.
Als mögliche Gründe für den Anstieg nannten die Forschenden die Angst vor zusätzlichen bakteriellen Komplikationen bei einer Covid-19-Infektion. Auch fehlende Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten gegen Covid-19 dürften eine Rolle gespielt haben, wie die Universität Basel in einer Mitteilung schrieb.
Nicht ausschlaggebend für den Anstieg waren aber laut den Forschenden «Blindverschreibung», etwa durch Telefonkonsultationen. Der Grossteil der Verschreibungen erfolgte bei Konsultationen in der Praxis.
Die Forschenden der Universität und des Universitätsspitals Basel starteten ihre Studie zur Verschreibung von Antibiotika bereits 2017. Grundlage waren vollständig anonymisierte individuelle Patientendaten von über zwei Millionen Krankenversicherten aller Altersgruppen sowie Abrechnungsdaten von Ärztinnen und Ärzten.
Während der Pandemie untersuchten sie dann anhand der Daten von fast 3000 Kinderärztinnen und -ärzten und und Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern, wie sich das Verschreibungsverhalten durch Corona veränderte.
In einem nächsten Schritt will das Forschungsteam untersuchen, ob sich die Verschreibungspraxis in den Folgejahren der Pandemie erneut verändert hat. Ausserdem möchte es in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Zentrum für Antibiotikaresistenzen herausfinden, wie sich die Resistenzbildung infolge des erhöhten Antibiotikagebrauchs entwickelt. (saw/sda)