Am 8. Dezember stürzte der syrische Diktator Baschar al-Assad nach 24-jähriger Schreckensherrschaft. Am Tag danach fällte das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen einen Entscheid, der dadurch plötzlich hochbrisant wurde.
Drei Richter (Mitte, SVP und SP) hatten eine Beschwerde von Assads Tante gegen das Schweizer Wirtschaftsdepartement auf dem Tisch. Die betagte Frau wollte sich nach Dubai absetzen und verlangte dafür Zugriff auf ihre in der Schweiz gesperrten Millionen.
Der Fall zeigt, wie die Schweizer Behörden gegen Finanztransaktionen syrischer Clans vorgingen, und er gibt Einblick in ein mächtiges Familiensystem.
Ghada Adib Mhana ist 76 Jahre alt. «Ich führe ein friedliches Leben, das dem einer Frau in meinem Alter entspricht», schreibt sie in ihrer Beschwerde. Mit der Politik und der Wirtschaft in Syrien habe sie nichts mehr zu tun. Nur wegen ihrer Familienzugehörigkeit seien Sanktionen gegen sie nicht gerechtfertigt.
Sie ist die Witwe von Baschar al-Assads Onkel mütterlicherseits: Mohamad Makhlouf. Er war der Patriarch der mächtigen Makhlouf-Familie. Diese kontrollierte die Wirtschaft der Diktatur, während die Assads die Politik steuerten.
Das Regime schlug 2011 die Protestbewegung des arabischen Frühlings nieder und begann damit einen Bürgerkrieg. Der Bundesrat übernahm damals umgehend die Sanktionen der EU gegen die syrische Elite und fror deren Gelder ein. Damit wollte die Schweiz das Regime unter Druck setzen und dem Sicherheitsapparat die Geldbeschaffung erschweren.
Makhlouf war einer der reichsten Männer des Landes und damit die zentrale Figur auf der Sanktionsliste. 2020 starb er mit 87 Jahren an Corona. In der Schweiz hinterliess er mehrere Konten bei der Genfer Filiale der britischen Privatbank HSBC. Eines davon besass er zusammen mit Ghada Mhana. Als er starb, erhielt sie die Kontrolle darüber.
Vor zwei Jahren wollte sie ihre Gelder abziehen, Syrien verlassen und in Dubai das letzte Kapitel ihres Lebens beginnen. So beschrieb sie ihre Pläne in ihrer Beschwerde gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht. Doch just zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2022 setzten die EU und die Schweiz auch sie unter Sanktionen. Damit war das Genfer Konto eingefroren.
Die Regierungen wollten verhindern, dass Makhloufs Gelder an die nächste Generation weiterflossen. Die Söhne hatten die Positionen des Patriarchen übernommen. Sie unterzeichneten zwar eine Verzichtserklärung, wonach sie kein Geld aus der Schweiz wollten. Doch die Behörden befürchteten 2023 trotzdem, dass die Millionen vom Genfer Konto für die Gräueltaten des Regimes missbraucht werden könnten.
Ghada Mhana wandte erfolglos ein, dass sie schon seit 2016 ein autonomes Leben führe. Danach habe ihr Mann mit seiner zweiten Ehefrau und deren Sohn zusammengelebt. Die Schweiz verhalte sich willkürlich, wenn diese ihr nur wegen ihrer Familienzugehörigkeit ihr Schweizer Vermögen vorenthalte.
Das Bundesverwaltungsgericht entgegnet in seinem Urteil jedoch, dass es in diesem Fall gemäss den Sanktionsbestimmungen tatsächlich genüge, ein Teil der Makhlouf-Familie zu sein. Denn diese kontrollierte in Syrien das Wirtschaftssystem. Obwohl Ghada Mhana getrennt vom Patriarchen lebte, bildete sie immer noch eine eheliche Gemeinschaft mit ihm und blieb mit seinem Finanzsystem verbunden, wie das Schweizer Gericht aufzeigt. Deshalb lehnt es die Beschwerde ab.
Für Aussenstehende ist es schwierig, sich ein Bild des syrischen Systems zu verschaffen. Von den meisten Clanmitgliedern existieren online nicht einmal Fotos, weil sie ihre Macht diskret ausüben. Ausnahmen sind die Enkel Mohammad und Ali, die auf Instagram mit ihrem Reichtum protzen.
Dennoch kennt das Bundesverwaltungsgericht das Machtnetz von Syriens alter Elite ziemlich genau. Denn es hat deren Geldflüsse schon in mehreren Fällen beleuchtet. Es handelte sich um Oligarchen des Assad-Makhlouf-Clans, die ebenfalls erfolglos versuchten, ihre in der Schweiz eingefrorenen Vermögenswerte freizuklagen.
Mohamad Makhlouf war in den späten 1960er-Jahren ein ganz normaler Angestellter der syrischen Airline. Doch als sich sein Schwager Hafez al-Assad 1970 an die Macht putschte, stieg auch Makhlouf plötzlich auf. Er erhielt staatliche Monopole und kontrollierte die syrischen Ölressourcen, die staatliche Tabakbehörde und die syrische Nationalbank.
2002 eröffnete er in Genf sein erstes Konto bei der Privatbank HSBC. Er wies sich dafür mit einem Diplomatenpass aus, der ihn als «Generaldirektor im Wirtschaftsministerium» betitelte.
Zehn Jahre später verwendete das Schweizer Wirtschaftsdepartement eine Kopie dieses Ausweis gegen ihn. Denn Makhlouf behauptete 2012 vor dem Bundesverwaltungsgericht, er unterstütze das syrische Regime nicht und übe keinerlei Einfluss darauf aus. Doch wenn dem so wäre, hätte er kaum einen Diplomatenpass.
Zudem hielten ihm die Behörden eine verdächtige Finanztransaktion vor: Als die Schweiz die Sanktionen einführte, versuchte er noch rasch, zehn Millionen US-Dollar von seinem Genfer Konto abzuziehen. Er deklarierte diese als «Investition» in Syrien. Als Empfängerin war seine damalige Frau Ghada Mhana vorgesehen. Doch die Bank schritt rechtzeitig ein und sperrte die Gelder – bis heute.
Der heute 55-jährige Rami Makhlouf ist der Sohn von Mohamad Makhlouf und der Cousin von Baschar al-Assad. Selber erzählt Rami seine Geschichte als klassische Tellerwäscher-Karriere. Er habe seine Laufbahn mit einem Duty-Free-Geschäft in Damaskus begonnen und aufgrund des Erfolgs sieben weitere Filialen eröffnet. Im Jahr 2000 habe er das Netz des Mobilfunkanbieters Syriatel aufgebaut und sich als Marktführer etabliert.
Diese Angaben sind nicht falsch, ergeben aber ein verzerrtes Bild. Tatsächlich verdankt er alles dem korrupten System. Als der alte Diktator Hafez al-Assad im Jahr 2000 starb und die Macht an seinen Sohn Baschar weitergab, wechselte auch bei den Makhloufs die wirtschaftliche Macht an die nächste Generation.
Rami Makhlouf erhielt so eine Exklusivlizenz für sein Netz an Duty-Free-Geschäften, das den landesweiten Warenfluss organisierte. Auch der Aufbau von Syriatel war nur mit einer staatlichen Lizenz möglich. Er kontrollierte auch Luftfahrt-, Öl-, Bau-, Import- und Immobilienfirmen.
So wurde Rami Makhlouf in den 00er-Jahren zum reichsten Mann Syriens. Geschätztes Vermögen: drei Milliarden Dollar. Er gehörte zu Assads Entourage und war für die wirtschaftliche Führung des Landes verantwortlich, wie das Bundesverwaltungsgericht in einem Entscheid von 2015 festhielt. Damit bestätigte es die Sanktionen gegen ihn und verwehrte ihm den Zugriff auf sein Konto in der Schweiz, das er in Franken führte.
Im Jahr 2020 kam es zu einem aussergewöhnlichen Vorgang: Rami Makhlouf verlor die Unterstützung des syrischen Regimes. Der Grund dafür soll gemäss Medienberichten ein Streit mit der syrischen First Lady gewesen sein, die höhere Gewinnabgaben von den Makhloufs forderte. Sie stand unter Druck von syrischen Geschäftsleuten, die daneben kaum noch Geld verdienen konnten.
Rami Makhlouf eröffnete darauf einen Facebook-Account und veröffentlichte Videobotschaften, in denen er das Regime kritisierte. Dabei verriet er auch, dass es ganz einfach sei, die Sanktionen mit Tarnfirmen zu umgehen.
Auch Ramis Bruder Hafez Makhlouf – ein weiterer Cousin Assads – steht auf der Sanktionsliste und hat gemäss einem Bundesgerichtsurteil drei Millionen Franken bei der Bank HSBC in Genf parkiert. Als er seine Gelder befreien wollte, stellte er sich gegenüber dem Schweizer Wirtschaftsdepartement als harmlosen Mann dar.
Er habe lediglich die kleinste Abteilung des syrischen Geheimdienstes geleitet und habe dabei eine noble Aufgabe verfolgt. Er sei gegen gefälschte Medikamente vorgegangen und sei dafür sogar von Novartis gelobt worden. Er legte dafür ein Dokument von Novartis vor. Dieses entlarvte das Bundesverwaltungsgericht jedoch als Fälschung.
Tatsächlich hatte er gemäss dem Urteil eine hohe Stellung im Repressionsapparat inne. Als starker Mann des Geheimdienstes leitete er eine Miliz, die Demonstrationen niederschlug. Diese erhielt dabei ausdrücklich einen Schiessbefehl, um Menschen zu töten («shoot to kill»).
Eine wichtige Figur des Assad-Clans hat ebenfalls Vermögenswerte in der Schweiz parkiert: Assads Schwester Buschra al-Assad. Sie gilt als deutlich intelligenter als ihre vier Brüder.
Nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs setzte sie sich jedoch nach Dubai ab und verlangte von dort, dass die Schweiz die Sanktionen gegen sie aufhebe. Ihre Ausreise zeige, dass sie sich vom Regime distanziere, argumentierte sie.
Das Bundesverwaltungsgericht hielt ihr 2014 jedoch entgegen, dass es ihr vor allem um eine bessere Schulbildung für ihre Kinder gehe – und lehnte auch ihre Beschwerde ab.
Als Assad am 8. Dezember im Privatjet nach Moskau flüchtete, liess er die Familie Moukhlaf zurück. Ihab Makhlouf, einer von Assads Cousins, versuchte in einem grossen BMW nach Beirut zu fahren. Doch Rebellen stoppten ihn an einem Checkpoint und erschossen ihn. Bilder zeigen seinen Wagen, durchsiebt von Kugeln.
Einige Mitglieder des Clans haben sich schon vor dem Machtwechsel nach Dubai abgesetzt und inszenieren sich jetzt als Regimekritiker. Allerdings haben sie schon früher je nach Gelegenheit behauptet, keinen Einfluss zu haben. Das war gelogen, wie die Schweizer Gerichtsentscheide nachweisen.
Die Clanmitglieder, die in der Schweiz vor Gericht zogen, waren nicht nur bei der gleichen Bank. Fast alle hatten auch denselben Anwalt: Eric Hess aus Genf. Auf die Frage, ob er noch Kontakt zu Assads Tante habe und eine Stellungnahme von ihr einholen könne, antwortet er mit dem üblichen Satz: «Ich unterliege der beruflichen Schweigepflicht und werde keinen Kommentar abgeben.» (aargauerzeitung.ch)
Das Land und deren Bevölkerung ist total am Boden.
Ich kann ja auch nicht ne Bank ausräumen das Geld investieren, mich in 20 Jahren stellen und erwarten, dass ich alles durch das Ursprüngliche geklaute Vermögen erwirtschaftete Geld dann behalten dürfte. 🤨