Die EU-Innenministerinnen und -minister haben am Donnerstag in Stockholm über eine Verbesserung von Rückführungen von abgewiesenen Asylsuchenden diskutiert. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider, die zum ersten Mal an einem EU-Ministertreffen teilnahm, plädierte für Augenmass.
Die EU verzeichne einen «grossen Anstieg von irregulären Migranten», sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson kurz vor dem Treffen. Gleichzeit habe man «eine sehr tiefe Rückkehrquote». Dies, obwohl die EU über 18 Rückführungsabkommen hat. Daher begrüsse sie es, dass die schwedische EU-Ratspräsidentschaft ihren Fokus auf eine effizientere Rückführung setze, so Johansson weiter.
2021 wurden in der EU von den rund 300'000 abgelehnten Asylsuchenden lediglich 21 Prozent in ihre Heimatstaaten zurückgeführt, wie es seitens der EU-Kommission heisst. Es sind aber auch tiefere Zahlen im Umlauf - unter anderem 16 Prozent.
Damit ist die EU jedoch weit entfernt von ihrem Ziel, eine Rückführungsquote von 70 Prozent zu erreichen. Das Problem ist, dass es Länder gibt, die nicht gewillt sind, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen. Als «unkooperative Länder» gelten etwa Marokko, Algerien sowie Staaten am Horn von Afrika.
Anfang der Woche machte die EU-Kommission daher Vorschläge, wie man die Rückführungsquoten erhöhen kann. Dazu zählen vermehrt gemeinsame Rückführungen, durchgeführt von der EU-Aussengrenzschutz-Agentur Frontex. Auch sollen die Rückkehrberatung und die Wiedereingliederung verbessert werden.
Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft ihrerseits schlägt in einem Arbeitspapier vor, die «unkooperativen» Staaten noch stärker unter Druck zu setzen - etwa durch eine restriktivere Visa-Vergabe.
Denn bisher haben sich sich die EU-Staaten lediglich auf eine restriktivere Visa-Politik gegenüber Gambia geeinigt, welche die Schweiz als assoziiertes Schengen-Mitglied übernommen hat.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser äusserte sich jedoch skeptisch dazu. Sie plädiert vielmehr für ein umfassenderes Konzept als reine Rückführungsabkommen. «Ich glaube, dass der Weg über Migrationsabkommen der bessere ist», sagte sie.
Auf Druckmassnahmen angesprochen sagte Baume-Schneider, es brauche ein Gleichgewicht zwischen dem humanitären Völkerrecht und der Sicherheit. Sie habe in ihrer Rede darauf hingewiesen, dass die europäische Migrationspolitik auf gemeinsamen Werten basiere.
«Man kann auf der einen Seite restriktiv sein», sagte sie und verwies als Beispiel auf die Aussengrenze. Dann müsse man aber auch auf der anderen Seite mit den Menschen auf der Flucht solidarisch sein, sagte die für Migrationspolitik zuständige Bundesrätin.
Die Schweiz arbeitet bereits seit längeren erfolgreich mit Migrationspartnerschaften, wie es die deutsche Innenministerin Faeser fordert. Das zeigt sich in ihrer Rückführungsquote von 31 Prozent. Baume-Schneider führte diese Erfolge auf die Reziprozität zurück.
Denn anders als reine Rückführungsabkommen verfolgen Migrationspartnerschaften einen breiteren Ansatz, bei dem alle Vertragsparteien profitieren - beispielsweise durch Unterstützung bei Grenzkontrollen, bei der beruflichen Ausbildung oder durch Mikrokredite bei der Rückkehr.
Insgesamt hat die Schweiz acht Migrationspartnerschaften: mit Bosnien und Herzegowina, Georgien, Kosovo, Nigeria, Nordmazedonien, Serbien, Sri Lanka und Tunesien.
Am Rande des Treffens tauschte sich die Bundesrätin auch mit EU-Innenkommissarin Johansson aus. Bilaterale Treffen fanden zudem mit Italiens Innenminister Matteo Piantedosi, der deutschen Innenministerin Faeser und dem österreichischen Innenminister Gerhard Karner statt.
Es sei für sie äusserst wichtig, diese Kontakte zu pflegen, sagte Baume-Schneider nach dem Treffen. Sie habe viele interessante Persönlichkeiten getroffen und freue sich auf das nächste Treffen. Denn «Migration ist ein Thema, das mich bewegt», sagte sie. (sda)