Als Missionschefin ist Pascale Baeriswyl das Gesicht der Schweiz bei der UNO in New York. So war es die ehemalige Staatssekretärin, die am Mittwochnachmittag die Erklärung des Bundes vorlas, als es um die Abstimmung über eine Resolution zum Krieg in Nahost ging.
«Bereits am 7. Oktober hat die Schweiz die Terrorakte, die wahllosen Angriffe und die Geiselnahmen der Hamas gegen die israelische Bevölkerung scharf verurteilt», sagte Baeriswyl einleitend. Weiter drückte sie das Bedauern der Eidgenossenschaft aus «über den Tod von Tausenden von Zivilisten, darunter Hunderten von Kindern, in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten, insbesondere in Gaza». Die Schweiz verurteile die Angriffe, besonders denjenigen auf das Al-Ahli-Arab-Spital mit Hunderten Toten und Verletzten.
Die Schweiz sei besorgt über die dramatische Lage der Zivilbevölkerung in Gaza. «Deeskalation, der Schutz von Zivilisten, die humane Behandlung aller Geiseln – deren sofortige Freilassung die Schweiz fordert – und ein schneller, sicherer und ungehinderter humanitärer Zugang sind vorrangig», erklärte Baeriswyl. Ein Resolutionsentwurf Brasiliens habe diesen Prioritäten entsprochen: «Aus diesem Grund hat die Schweiz für die Resolution gestimmt, und wir bedauern zutiefst, dass die heute zur Abstimmung stehende Resolution nicht angenommen wurde.»
Die Resolution erhielt eine Mehrheit im Sicherheitsrat, scheiterte jedoch am Veto der USA. Diese vermissten darin den Hinweis auf das Selbstverteidigungsrecht Israels.
Schon vorher war eine Resolution gescheitert, die Russland eingebracht hatte. Das Regime von Wladimir Putin wollte darin den Terrorangriff der Hamas auf Israel nicht verurteilen und zeigte sich nicht bereit, am Text weiterzuarbeiten. Die Verurteilung der Hamas war aber für die Mehrheit der Staaten im Sicherheitsrat zwingend. Deshalb lehnte auch die Schweiz, die Resolution ab.
Am Vorschlag Brasiliens hatte die Schweiz daraufhin als nichtständiges Mitglied des UNO-Sicherheitsrats intensiv mitgewirkt. Und zwar längst nicht nur in der Person von Pascale Baeriswyl: In New York und Bern arbeiten ganze Teams für das Schweizer Engagement im Sicherheitsrat.
Vor der Wahl in den Sicherheitsrat beschäftigten sich Bundesrat und Parlament in Bern mit der Frage, wie die Positionsbezüge der Schweiz innenpolitisch abgestützt werden sollen. Schon für gewöhnliche Zeiten entwickelte die Verwaltung dafür das Modell einer «koordinierten Beschlussfassung» unter Einbezug des Gesamtbundesrats. Dieser hat nach Ausbruchs des Krieges zudem entschieden, die Taskforce Naher Osten des Aussendepartements zu einer Taskforce des Bundesrats auszubauen. Diese beschäftigt sich auch mit strategischen Fragen wie der Einstufung der Hamas als Terrororganisation, wie es der Bundesrat beabsichtigt.
Und auch das Parlament redet mit. «Das Thema Sicherheitsrat ist in jeder Sitzung traktandiert, die Informationen fliessen», sagt Franz Grüter, Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. Da die Kommission nahezu jeden Monat eine Sitzung abhalte, könne sie sich gut einbringen. Die Erfahrung zeige freilich, dass im Sicherheitsrat die nichtständigen Mitglieder wie die Schweiz nur wenig Spielraum hätten: «Das Sagen haben die Vetomächte», erklärt der SVP-Nationalrat, «dies relativiert auch die Rolle der Schweiz in dem Gremium, vor allem wenn es um Reformbemühungen geht.»
Die Nahostpolitik des Bundes folgt klaren Leitlinien. «Die Schweiz bleibt überzeugt, dass eine dauerhafte Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts nur mit friedlichen Mitteln erreicht werden kann», teilt das Aussendepartement auf Anfrage mit. «Dies auf Basis einer durch beide Seiten verhandelte Zwei-Staaten-Lösung im Einklang mit dem Völkerrecht und den Resolutionen des UNO-Sicherheitsrats.»
Dieser Tage ist aber eine solche Lösung fern jeder Realität. Die nun von der Schweiz im Sicherheitsrat angestrebten Ziele sind denn wesentlich bescheidener: «In den Verhandlungen zu den Resolutionsentwürfen während der vergangenen Tage setzte sich die Schweiz für die Verurteilung der Terrorakte der Hamas, den Schutz der Zivilbevölkerung und einen raschen humanitären Zugang (...) ein.»
Dies entspricht den Prioritäten, die sich die Schweiz schon bei der Wahl in den Sicherheitsrat setzte: «Nachhaltigen Frieden fördern» und die «Zivilbevölkerung schützen», stehen auf der Website zu oberst. Die von den USA gestoppte Resolution hätte diesen Zielen entsprochen.
Immerhin: Die USA werden in den nächsten Tagen in einer Debatte in der UNO-Generalversammlung ihr Veto erklären müssen. Und sämtliche Mitgliedsstaaten werden sich dazu äussern dürfen. Es ist dies ein neues Verfahren, das notabene auf die Initiative eines der kleinsten UNO-Mitglieder zurückgeht: auf das Fürstentum Liechtenstein. Die Idee dahinter: Die Veto-Mächte im Sicherheitsrat, die USA, China, Russland, Frankreich und Grossbritannien, sollen sich wenigstens erklären müssen, wenn sie ein Vorhaben der Völkergemeinschaft blockieren. (aargauerzeitung.ch)
Der Haken daran ist, dass in einem solchen Fall die Vetomächte die UNO verlassen und damit zu einem, jetzt schon ziemlich, zahnlosen Tiger machen. Pest oder Cholera, wer die Wahl hat, hat die Qual.