Die Gästeliste deutete auf wichtige Neuerungen hin: Die Chefin des Personenverkehrs der SBB, Véronique Stephan, und Trenitalia-Chef Luigi Corradi präsentierten vergangenen Freitag in Mailand einen neuen Vertrag, der die Zusammenarbeit zwischen den Staatsbahnen auf eine neue Stufe hebt. Nebst neuen Zügen geht es auch um neue Verbindungen.
Ein weiterer täglicher Zug soll ab Ende 2025 von Zürich nach Venedig verkehren, womit auf dieser Strecke dann zwei tägliche Verbindungen angeboten werden. Diese Züge sind sehr gut gebucht und bringen hohe Erlöse. Zudem sind die Fahrzeiten attraktiv: Die durchgehende Reise nach Venedig dauert im Eurocity-Zug der SBB nicht länger als eine gesplittete Verbindung mit Umstieg auf den Hochgeschwindigkeitszug in Mailand.
Daneben kündigten die SBB neue Direktverbindungen von Zürich nach Florenz und Livorno an. Das Attribut «neu» trifft allerdings nur teilweise zu, denn es handelt sich um Verlängerungen der bestehenden Eurocitys von Zürich nach Bologna respektive von Zürich nach Genua. Das bestätigen die SBB auf Anfrage. Ersterer wird nach Florenz verlängert, der zweite nach Livorno.
Allerdings sind die neuen Verbindungen langsam. Der direkte Zug von Zürich nach Bologna benötigt derzeit fast 6 Stunden für die Strecke. Wer eine Verbindung mit Umsteigen in Mailand wählt, ist eine Stunde weniger lang unterwegs. Mit der Weiterführung nach Florenz dürfte sich der Zeitunterschied noch vergrössern.
Mit Umsteigen ist die Strecke nach Florenz derzeit in fünfeinhalb Stunden machbar. Die Schweizer Giruno-Züge, die für den Direktzug genutzt werden, sind aber auf den bis zu 300 Stundenkilometern ausgelegten italienischen Hochgeschwindigkeitsstrecken nicht zugelassen. Ihre erlaubte Höchstgeschwindigkeit in Italien beträgt nur 200 Kilometer pro Stunde.
Zwischen Bologna und Florenz werden die Züge deshalb eine andere Strecke nehmen müssen und handeln sich so wohl eine Verzögerung von mindestens einer weiteren halben Stunde ein, womit die Reise von Zürich nach Florenz mit dem direkten Eurocity etwa eineinhalb Stunden länger dauern dürfte als mit Umsteigen in Mailand. Damit ist sie nur für Touristen ohne Zeitdruck interessant. Die SBB teilen auf Anfrage mit, die konkrete Route sei noch nicht geklärt. Ihr sei es wichtig, Direktverbindungen anbieten zu können. Viele Reisende schätzten den Komfort, nicht umsteigen zu müssen, auch wenn sie dafür länger unterwegs seien.
In Richtung Genua sieht es etwa besser aus: Der direkte Zug braucht nur eine Viertelstunde länger für die ganze Strecke als die schnellste Verbindung mit Umsteigen. Zudem soll dieser Zug beschleunigt werden, ebenso wie jener nach Venedig. Die SBB hätten initiiert, dass die Giruno-Züge in Richtung Venedig und Genua künftig 250 Kilometer pro Stunde fahren dürfen. Das sagt Sprecherin Sabrina Schellenberg. Ein konkretes Datum gibt es nicht.
Sicher ist, dass die Giruno-Züge nicht infrage kommen werden für jene Verbindung, die bei den SBB als auch bei den Reisenden ganz oben auf der Wunschliste steht. «Es ist ein offenes Geheimnis, dass wir sehr gerne eine Direktverbindung von Zürich nach Rom anbieten würden», sagte Véronique Stephan kürzlich dem «Tages-Anzeiger». Doch es fehle an Rollmaterial für die Hochgeschwindigkeitsstrecken, und die Trassen seien stark ausgelastet.
Die Frecciarossa-Züge von Trenitalia können nicht in die Schweiz fahren. Aber auch das wird sich ändern: Ab Frühling 2026 erhält die Gesellschaft neue Kompositionen, die auch eine Zulassung für die Schweiz erhalten sollen. Frühestens ab dem Fahrplan 2027 könnten damit Verbindungen von Zürich nach Rom angeboten werden. Entsprechende Überlegungen werden bei den SBB angestellt, wie CH Media vor einem Jahr berichtete.
Aus Kreisen, die mit der Planung vertraut sind, ist überdies zu vernehmen, dass die SBB einen Direktzug aus Zürich nach Turin einführen wollen. Allerdings sind diesbezüglich noch viele Fragen offen, weshalb der Start dieser Verbindung noch nicht definiert ist.
Auffällig ist, dass sich der Ausbau auf Verbindungen ab Zürich über die Gotthard-Achse konzentriert. Auf der Simplon-Achse von Basel via Bern hingegen wurde das Angebot in den vergangenen Jahren sogar reduziert auf derzeit noch drei werktägliche Züge nach und von Mailand respektive vier an Wochenenden.
Bei Zielen über Mailand hinaus dürfte sich ein Ausbau auch in Zukunft auf die Gotthard-Achse ab Zürich konzentrieren. Die Stadt ist einerseits für sich genommen der grössere Ziel- und Quellmarkt als Bern, andererseits aber auch für grössere Teile der Deutschschweiz der bessere Umsteigepunkt. Für Reisende aus Basel sind Italienreisen via Zürich derzeit etwa gleich schnell wie über die Simplon-Achse oder via Luzern.
Nach Mailand hingegen dürfte das Angebot von Basel via Bern und Brig wieder ausgebaut werden, wenn langjährige Ausbauten auf dem italienischen Abschnitt für den Güterverkehr zu Ende sind. Nach aktuellem Stand dürfte das frühestens 2028 der Fall sein. (aargauerzeitung.ch)