Herr Eisenegger, wie schneiden die Schweizer Medien im internationalen Vergleich ab?
Mark Eisenegger: Die Qualität der Schweizer Medien ist noch relativ gut. Jedoch sehen wir in der Forschung Einbussen bei der Vielfalt. Die Medienlandschaft wird immer gleichförmiger.
Gleichzeitig hat die Schweiz eine der grössten Dichte an regionaler Berichterstattung pro Kopf.
Wir haben noch einige regionale Zeitungen. Viele gehören aber zu einer grossen Zentralredaktion, wie die von TX Group oder von CH Media. In der nationalen und internationalen Berichterstattung werden gleiche Inhalte in unterschiedlichen Titeln abgefüllt. Darunter leidet die Vielfalt auf überregionaler Ebene. Zudem wird es im Lokalen sowohl für die grossen Medienhäuser als auch für die kleinen unabhängigen Regionalmedien schwierig, den Journalismus zu refinanzieren.
Wird das Mediengesetz, das am 13. Februar an die Urne kommt, dieses Problem lösen?
Klar ist: Guter Journalismus braucht Personal, Geld und Zeit. Diese Ressourcen brechen weg. Die Zahlungsbereitschaft der Schweizer Bevölkerung ist tief, besonders bei den Jungen. Man denkt, die Informationen sind frei verfügbar im Netz. In der Schweiz zahlen nur 17 Prozent der Mediennutzerinnen und -nutzer für Online-Journalismus. Gleichzeitig sinken die Werbeumsätze, weil Private lieber bei Google oder Facebook inserieren, die anhand der Nutzerdaten ein hocheffizientes Marketing betreiben können. Das Medienpaket würde die Ressourceproblematik angehen.
Medien würden durch die staatliche Förderung ihre Glaubwürdigkeit verlieren: Das ist gemäss der neusten Abstimmungs-Umfrage der Tamedia-Titel der häufigste Grund für ein Nein zum Medienpaket. Zu Recht?
Nein, dieser Einwand ist nicht gerechtfertigt. Wir haben in der Schweiz bereits viel Erfahrung mit direkter Medienförderung im Bereich privater TV- und Radiosender. Kaum jemand würde behaupten, dass diese Medien gegenüber dem Staat unkritisch sind. Zudem sind die Kriterien der Gesetzesvorlage, nach denen die Medien Geld erhalten würden, allgemein gehalten und nur formaler Natur. Die Gefahr ist gering, dass die geförderten Medien ihre Kritikfähigkeit gegenüber dem Staat verlieren würden. Auch mit direkter Medienförderung muss der Journalismus sein Publikum im Fokus haben, nur so wird er akzeptiert, bleibt er glaubwürdig und kann überleben. Das setzt auch einen kritischen Umgang mit Behörden voraus.
Wird es auch die Lokalmedien retten, denen zusehends der Schnauf ausgeht?
Ich bin überzeugt, dass dieses Paket den Lokalmedien helfen wird. Der Trend, dass die Zahlungsbereitschaft abnimmt und Werbeeinnahmen wegfallen, wird sich fortsetzen und die nächste Abbaurunde im Lokalbereich stattfinden. Was man kritisieren kann, ist der Verteilschlüssel und ob der die Lokalmedien ausserhalb der grossen Verbundsysteme mehr begünstigen sollte.
Warum wettern eigentlich alle Bürgerlichen gegen das Gesetz?
Die Bürgerlichen sind verankert im Liberalismus und fürchten eine zu starke Einflussnahme des Staates. Dabei unterschlagen sie jedoch, dass es auch andere Abhängigkeiten gibt, nämlich die von Werbekunden und Investoren. Das ist ein Punkt, der mich stört an der ganzen Debatte: Sie wird sehr ideologisch und einseitig geführt.
MAZ-Direktorin und Journalistin Martina Fehr sagte in der SRF «Arena», sie fürchte sich nicht vor dem Staat, sondern viel mehr davor, dass die Werbekunden und Inserenten die Medien immer stärker beeinflussen. Ist ihre Angst begründet?
Ich sage es so: Wir brauchen unabhängigen Journalismus, der die Mächtigen kontrolliert, egal ob beim Staat oder bei Unternehmen. Bei der globalen Finanzkrise im Jahr 2008 zum Beispiel war es unabdingbar, dass der Journalismus dem Finanzsystem kritisch auf die Finger geschaut hat. Wir müssen die Debatte von unabhängigem Journalismus viel breiter führen, auch gegenüber dem wachsenden Einfluss von Werbekunden oder privaten Investoren mit politischen Motiven.
Warum kann man die Medien nicht einfach dem freien Markt überlassen?
Es wäre super, wenn der freie Markt den Journalismus ausreichend finanzieren würde. Jedoch versagt er im Bereich Journalismus. Der Markt ist immer weniger fähig, die Schweiz mit ihrem komplexen, föderalistischen und direktdemokratischen System mit den nötigen Informationen zu versorgen. Denken Sie an die Berichterstattung auf Gemeinde- oder Kantonsebene sowie in den unterschiedlichen Sprachregionen. Deshalb muss die öffentliche Hand hier unterstützend einwirken. Zumindest, solange wir alle davon überzeugt sind, dass guter Journalismus für eine funktionierende Demokratie auf allen Ebenen des föderalen Systems unabdingbar ist. Und da habe ich bis jetzt keine gegenteilige Meinung gehört.
Subvention hin oder her: In erster Linie wären die Verlegerinnen gehalten, ein gutes Geschäftsmodell für den Journalismus zu kreieren, das modern und zukunftssicher ist. Haben das die grossen Schweizer Verlage verpasst?
Die Schweizer Verlagshäuser hätten sicherlich früher auf die Digitalisierung reagieren und andere Geschäftsmodelle andenken können. Fakt ist aber, dass wir in einer schwierigen Übergangsphase zur Digitalisierung stecken. Die ältere Bevölkerung liest immer noch Print, die jüngere online. Die Redaktionen müssen jetzt viele, unterschiedliche Kanäle auch online und im sozialen Netz bedienen, gleichzeitig brechen die Ressourcen weg.
Was ist mit innovativen Online-Medien? Das Mediengesetz fördert sie nicht grundsätzlich, sondern diskriminiert sie nach ihrem Geschäftsmodell.
Das ist ein Punkt, den man kritisch diskutieren kann. Das Mediengesetz fördert besonders Online-Medien, bei denen die Leserschaft für Artikel zahlen müssen. Ich persönlich finde das richtig, weil die Gratis-Kultur einer der Faktoren ist, der dem Journalismus stark zusetzt. Aber das kann man durchaus anders sehen und ist vielleicht auch ein Punkt, den man anpassen sollte, wenn man die Förderinstrumente für die Medien weiter justiert.
Wie könnte man dem Marktversagen sonst noch Gegensteuer geben?
Die Eintrittsschwelle in den Medienmarkt soll für junge, innovative Unternehmerinnen und Unternehmer so tief wie möglich sein. Die Hürde ist momentan derart hoch, man muss ein Idealist sein und Selbstausbeutung voraussetzen, wie man bei Projekten wie tsüri.ch beobachten kann. Startup-Unternehmen sollen dezidierter gefördert werden. Hinzu kommt, dass wir in den Bildungsinstitutionen viel mehr machen müssen: Der Journalismus und seine Leistung müssen im Schulunterricht vermittelt werden.
Eine andere Idee hatte Peter Weigelt, Kopf des Referendumskomitees. Im Blick-Interview sprach er von einem Abogutschein: Jede Person erhielte einen Gutschein für ein Zeitungsabo ihrer Wahl, Betrag beispielsweise 300 Franken. Was halten Sie vom Vorschlag?
Interessant. Wenn das Medienpaket scheitern würde, müssen wir solche Ideen ernsthaft prüfen.
Welche Gefahren und Chancen hat die Idee?
Der Forschungsstand ist momentan unzureichend, um diese Frage auf empirischer Ebene zu beantworten. Als mögliche Gefahr sehe ich persönlich, dass diese Gutscheine nur für die bekanntesten Medienmarken eingesetzt werden und die Medienkonzentration dadurch zusätzlich befeuert werden kann. Andererseits finde ich die Idee besonders in Bezug auf junge Personen interessant, die man wieder stärker an den Journalismus heranführen sollte, der etwas kostet.
Auch bei dieser Idee gingen Gratis-Medien leer aus.
Das ist so. Wie gesagt, sollte man nochmals diskutieren, ob man die Medienförderung nur an die Gegenleistung des Lesers oder der Leserin knüpfen will. Die direkte Medienförderung, über die wir abstimmen, ist ja auf sieben Jahre befristet. Es gibt in der Schweiz Medien, die rein werbefinanziert sind, einen guten Job leisten und Unterstützung verdient haben.
Damit meinen Sie natürlich watson ;-)
Ja, zum Beispiel (lacht).
Und das angebliche Problem soll sich nun lösen lassen indem man nochmals mehr Millionen reinbuttert? 🤔 Zweifel sind angebracht … Vielleicht sollte man eher die aktuelle Verteilung der Subventionen hinterfragen statt denn Geldsegen weiter auszubauen.