EU-Parlamentarier Lukas Mandl: «Europa braucht eine starke Schweiz»
Nach dem Ende des Rahmenabkommens steht es schlecht um die bilateralen Beziehungen. Wie wollen Sie die EU mit der Schweiz versöhnen?
Bitte keine falschen Erwartungen: Der Bericht wird das Ergebnis meiner Verhandlungen mit den anderen Fraktionen sein und die Stellungnahme des Europäischen Parlaments gegenüber Rat und Kommission darstellen. Ich bin aber zuversichtlich, dass eine Entkrampfung des Verhältnisses möglich ist. Dazu will ich auf Themen fokussieren, wo es auch ohne Rahmenabkommen vorwärtsgehen kann. Neben der Wirtschaft etwa bei der Sicherheit. Ein Europa, das sich in der Welt behaupten will, braucht eine starke Schweiz. Und umgekehrt.
Letzte Woche waren Sie in der Schweiz zu Gast, unter anderem bei der Partei Die Mitte. Welchen Eindruck haben Sie mitgenommen?
Es gibt bei allen Parteien ein grosses und ehrliches Interesse, zu einer besseren Beziehung mit der EU zu kommen. Konkret nehme ich die Idee eines strukturierten Dialogs mit, den unter anderem Aussenminister Ignazio Cassis vorschlägt. Das hat Fantasie, und zwar dann, wenn es auch ein parlamentarischer Dialog wird. Wir sollten die Dinge abseits der Verhandlungsagenda breiter reflektieren.
Wie ist die Stimmung auf der EU-Seite?
Im Grunde sehr ähnlich. Auch in Brüssel gibt es grosses Interesse, zu Fortschritten zu kommen. Im Frühling nach dem Verhandlungsabbruch war man noch sehr konsterniert. Jetzt gilt es, schnell wieder zu einem guten Verhältnis zu kommen.
Ein Problem ist die Blockade der Forschungszusammenarbeit. Bundespräsident Guy Parmelin hat am Freitag angetönt, dass man sich auch Partnerstaaten ausserhalb der EU suchen könnte, wenn es mit der EU nicht klappt.
Die Schweiz gehört zur EU-Forschungskooperation dazu, und zwar so schnell wie möglich. Ich bin optimistisch, dass es nur eine Frage von Monaten, wenn nicht Wochen sein wird, bis es eine Einigung gibt. Wäre das nicht der Fall, würde sich Europa ins eigene Knie schiessen.
Brauchen die Schweiz und die EU nach einer Pause ein Rahmenabkommen 2.0?
Der Begriff Rahmenabkommen ist kontaminiert. So wird es sicher nicht heissen. Aber es sollte Verhandlungen geben über Sicherheit, Wirtschaft und Wissenschaft – und ja, auch über institutionelle Fragen. Das sollte möglichst bald passieren. Aber bitte eingebettet in einen politischen Dialog.
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Vorarlberger Unternehmen beklagen sich über die flankierenden Massnahmen der Schweizer. Was sagen Sie als Österreicher denen, wie es nach dem Scheitern des Rahmenabkommens weitergehen soll?
Es geht um Transparenz und Vertrauen. Ich bin gerade dabei, die Gewerkschaften von Österreich und der Schweiz zusammenzubringen. In Österreich haben wir einen guten Weg gefunden, das Problem des Lohndumpings einzugrenzen. Mit mehr Transparenz kann man vielleicht auch in anderen Bereichen gegenseitiges Verständnis schaffen.
Österreich hat sich 1994 nach einer schwierigen Debatte für den EU-Beitritt entschieden. Hat es sich für Sie gelohnt?
Ja, und zwar in umfassender Hinsicht. Das betrifft nicht nur unsere Sicherheit und unseren Wohlstand, sondern auch unsere Weltoffenheit und Chancen für junge Menschen. Im Rahmen der EU können wir besser bei geopolitischen Fragen mitreden, wo wir ohnehin betroffen sind. Keine Kraft in Europa, nicht mal Deutschland, kann sich heute noch allein durchsetzen.
Dann müssten Sie der Schweiz eigentlich auch den EU-Beitritt raten?
Ich werde der Schweiz hier sicher keine Ratschläge erteilen. (aargauerzeitung.ch)