Der damals 53-jährige Betreuer wurde 2018 beim sexuellen Missbrauch eines schwerbehinderten Heimbewohners erwischt. Das Heim meldete den Vorfall sofort an den zweiten Arbeitgeber des Täters – eine Zürcher Schule für beeinträchtigte Kinder und Jugendliche.
Doch anstatt den Mann zu entlassen oder wenigstens freizustellen, entschloss sich die Schule, ihn nach einer zweimonatigen Auszeit wieder einzusetzen – als Begleiter bei Bustouren. Der Betreuer blieb sogar nach der Bestätigung seiner Verurteilung durch das Zürcher Obergericht 2021 an der Schule tätig, wie die NZZ herausfand.
Erst nach der rechtskräftigen Verurteilung durch das Bundesgericht 2022 wurde er entlassen – drei Jahre nach der Tat.
Der Fall sorgte nicht nur unter den betroffenen Eltern für Entsetzen, sondern auch bei Experten und dem Stadtzürcher Ombudsmann, der die Vorgehensweise der Verantwortlichen scharf kritisierte.
Der Ombudsmann betonte, dass die Versetzung des Mannes innerhalb der Schule keine ausreichende Massnahme gewesen sei. Stattdessen hätten sofortige Konsequenzen wie eine Freistellung oder eine Versetzung an einen Arbeitsplatz ohne Kontakt zu Kindern und Jugendlichen erfolgen müssen.
Trotz heftiger Kritik verteidigte das Schulamt zunächst die ergriffenen Massnahmen. Das Schulamt ist die zentrale Anlaufstelle der Stadtzürcher Schulen und ist dem Schul- und Sportdepartement unterstellt. Das Amt betonte, es gebe keine Hinweise auf weiteres Fehlverhalten und versuchte, die Eltern mit einem Brief zu beruhigen.
Dieses Schreiben sorgte für viel Kritik und Unverständnis. Darum erhielten die Eltern am Mittwoch gemäss Recherche der NZZ einen zweiten Brief – diesmal vom Stadtrat Filippo Leutenegger. Darin gibt er zu, dass der damals 53-Jährige nach seiner Verurteilung 2018 nicht hätte an die Schule zurückkehren dürfen. Er bezeichnete dies als «Fehler» und betont, dass auch die Versetzung des Betreuers nach dem erstinstanzlichen Urteil eine Fehlentscheidung gewesen sei.
Zudem räumt er ein, dass ein Grooming-Versuch des Betreuers, bei dem er versuchte, sich über Whatsapp an die Mutter eines potenziellen Opfers anzunähern, von der Schule nicht richtig erkannt wurde. Diese Fehleinschätzung sei ein weiteres Versäumnis gewesen.
Leutenegger entschuldigte sich «in aller Form» für die Fehler, die durch die unzureichende Kommunikation und die späte Reaktion auf den Vorfall verursacht wurden. wesen sei. Er verspricht, die Fehler «schonungslos zu analysieren» und gegebenenfalls den Verhaltenskodex der Schule anzupassen, um den Schutz der Kinder und Jugendlichen in Zukunft zu gewährleisten.
Trotz Kehrtwende hat der Fall politische Konsequenzen. Im Zürcher Gemeinderat wurde am Mittwochabend ein dringlicher Vorstoss eingereicht, der vom Stadtrat verlangt, Klarheit darüber zu schaffen, wer für die Fehler verantwortlich ist und welche Konsequenzen daraus gezogen werden.
Die Politikerinnen Sofia Karakostas (SP), Sophie Blaser (AL) und Balz Bürgisser (Grüne) wollen vom Stadtrat wissen, wie er sicherstellen möchte, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt. Der Stadtrat hat nun einen Monat Zeit, diese Fragen zu beantworten.
Zur Kehrtwende in diesem Fall wollte die Medienstelle des Schuldepartements keine Stellung nehmen – mit Verweis auf den laufenden Vorstoss im Gemeinderat.
(thw)