Schweiz
Thurgau

Thurgauer Staatsanwältin fordert Höchststrafe für Sexualstraftäter

Bezirksgericht Frauenfeld
Vor dem Bezirksgericht Frauenfeld stand am Donnerstag ein Mann, der mehr als ein Dutzend Mädchen und Frauen betäubt und teils massiv sexuell missbraucht haben soll.Bild: Bezirksgericht Frauenfeld

Thurgauer Staatsanwältin fordert Höchststrafe für Sexualstraftäter

05.12.2024, 18:2105.12.2024, 18:21
Mehr «Schweiz»

Die Staatsanwaltschaft hat am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Frauenfeld 15 Jahre Haft gegen einen 39-jährigen Mann gefordert. Er soll mehr als ein Dutzend Mädchen und Frauen betäubt und teils massiv sexuell missbraucht haben. Dabei filmte er.

Die Staatsanwältin sprach am zweiten Prozesstag vor den Richtern von abscheulichen Filmaufnahmen, auf welchen die Anklage gründet. Das kinderpornografische Material auf den sichergestellten Datenträgern des Beschuldigten sei äusserst schwer zu ertragen.

Dem Mann wird unter anderem mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern und mehrfache Vergewaltigungen vorgeworfen. Mehr als einem Dutzend Opfern aus seinem persönlichen Umfeld flösste er laut Anklage das Narkosemittel Ketamin ein. Danach verging er sich an den bewusstlosen Mädchen und Frauen. Die sexuellen Übergriffe filmte er mit seinen Mobiltelefonen. Das jüngste Opfer war vier Jahre alt.

Die Staatsanwältin bezeichnete den Beschuldigten als selbstsüchtigen und manipulativen Charakter. Die geforderten 15 Jahre Haft sei die höchste mögliche Strafe für die angeklagten Delikte. Dies sei aufgrund der massiven und mehrfachen sexuellen Gewalt gerechtfertigt. Nebst der Haftstrafe fordert die Anklage einen anschliessenden Landesverweis für 15 Jahre.

Unklar, ob noch mehr Taten geschahen

Eine zweite Staatsanwältin erklärte vor Gericht, der Beschuldigte relativiere seine Taten, rede sie klein oder wolle sich nicht mehr daran erinnern können. Laufend stelle er Schutzbehauptungen auf. «Seine Taten gab er erst zu, als sie mit Videos belegt werden konnten», erklärte die Staatsanwältin. Unklar bleibe, wie viele Taten nebst den durch die Filmaufnahmen bewiesenen Sexualdelikten noch geschehen seien.

Eine wirkliche Reue sei beim Beschuldigten nicht erkennbar, so die Staatsanwältin weiter. Sie sprach stattdessen von einem berechnenden, durchtriebenen und skrupellosen Verhalten. «Er nutzte das Vertrauen seines persönlichen Umfelds schamlos aus.» So habe er beispielsweise seine eigenen kleinen Kinder als Lockvogel benutzt, um deren Gspänli für Übernachtungen zu sich nach Hause zu locken, erklärte die Staatsanwältin.

Sieben Mädchen und acht Frauen seien über Jahre hinweg sexuell missbraucht worden. Dem Beschuldigten wird ausserdem Konsum von verbotener Pornografie vorgeworfen, etwa mit Kindern oder Tieren.

Zweifel an Aussagen des Beschuldigten

Der Beschuldigte erklärte seine Missbräuche mit eigenen Erfahrungen, die er als Kind in Lateinamerika erlebt habe, als er von einem Mann selber sexuell missbraucht worden sei. Ausserdem sei er aufgrund einer Ketamin-Abhängigkeit während der Taten nicht sich selber gewesen.

Diese Argumente zog die Staatsanwaltschaft in Zweifel. Zu den angeblichen Missbräuchen als Kind seien widersprüchliche Aussagen vorhanden. Ausserdem hätte er seinem nächsten Umfeld, etwa gegenüber seiner Ex-Frau, nie etwas von solchen Erfahrungen erzählt. Auch die Ketamin-Abhängigkeit sei ärztlich nicht bestätigt. Der Beschuldigte sei voll schuldfähig.

Opfer erlitten seelische Schäden

Am zweiten Verhandlungstag stellten Opferanwälte Forderungen für ein Dutzend Opfer. Die verlangten Genugtuungen bewegten sich zwischen je 10'000 und 45'000 Franken zuzüglich Zinsen. Hinzu kommen Schadenersatzforderungen.

Keinem der Opfer könne das Leid, welches erlitten wurde, wirklich abgegolten werden, so ein Anwalt. «Die Genugtuungen sollen dazu da sein, der emotionalen Gesundung zu helfen.» Mehrere Opfer würden mit grossen psychischen Problemen kämpfen.

Den Fall ins Rollen brachte ein siebenjähriges Mädchen, das seiner Grossmutter Einzelheiten von den erlebten Übergriffen schilderte. Bei einer Hausdurchsuchung stiessen Ermittler schliesslich auf selbst erstellte Videoaufnahmen mit mehr als einem Dutzend Opfern.

Eines der Kinder in den Videos, ein circa 5- bis 7-jähriges Mädchen, an welchem der Beschuldigte gemäss Anklage sexuelle Handlungen vornahm, konnte nicht identifiziert werden.

Der Prozess wird nächste Woche mit dem Plädoyer der Verteidigerin des Beschuldigten fortgeführt. (sda/nzu)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
41 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
oettli
05.12.2024 19:23registriert Februar 2020
Allein bei der Vorstellung, was dieser Mann vielen Menschen angetan hat, über Jahre, selbst mit 4 Jährigen Mädchen, und dann das alles noch gefilmt hat… da erscheint mir die Höchststrafe von 15 Jahren als extrem wenig. Erschreckend wenig.
672
Melden
Zum Kommentar
41
    Rettung für Selecta? Kriselnde Firma erhält mehr Geld – und einen Schuldenschnitt
    Das traditionsreiche Schweizer Unternehmen verkündet eine Einigung mit seinen Investoren, die die Zukunft des Geschäfts sichern soll. Doch die Geldgeber sind mit massiven Verlusten konfrontiert.

    Ist das die Rettung? In den vergangenen Monaten brodelte die Gerüchteküche bei der kriselnden Schweizer Snackautomaten-Firma Selecta. Würde sie komplett verkauft? Würde sie aufgesplittet? Oder würde ihr schlimmstenfalls der Konkurs drohen angesichts des hohen Schuldenbergs? Die renommierte Ratingagentur Moody's stufte Selecta zuletzt herab und sprach von einem «hohen Risiko».

    Zur Story