Bundesrätin Viola Amherd will neue Flieger für die Schweizer Armee und das möglichst schnell. Agierte sie zu Jahresbeginn noch zögerlich, wurde ihre Argumentationslinie spätestens seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs immer härter. Im Mai war klar, was im Februar noch ganz anders geklungen hatte: Die Verteidigungsministerin will die «Stopp-F-35-Initiative» der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) doch nicht abwarten.
Schon diesen Herbst könnte das Parlament das Geschäft zum Kauf der Kampfjets beraten. Wenig später wäre der Deal mit den USA in trockenen Tüchern. Die Schweiz könnte in einem Preisrahmen von ungefähr sechs Milliarden 36 Kampfjets des Typs F-35A von Lockheed Martin kaufen.
Amherds gewichtigstes Argument für ein rasches Unterzeichnen der Verträge war: Es besteht ein Vorvertrag mit den Amerikanern mit einem für die Schweiz vorteilhaften Fixpreis für den Rüstungsdeal. Der bislang einseitig unterschriebene Vertrag hat aber nur ein Haltbarkeitsdatum bis nächsten März - eine Volksabstimmung lässt sich bis dahin nicht unterbringen. Zumal die GSoA zwar von über 110'000 Unterschriften redet, die Initiative aber noch nicht formell eingereicht hat.
Nun setzt die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) ein dickes Fragezeichen hinter diese Begründung. In einem am Freitag veröffentlichten Bericht heisst es unmissverständlich: «Nach Ansicht der EFK gibt es bei der Beschaffung der F-35A keine rechtliche Sicherheit für einen Festpreis im Sinne einer Pauschale nach schweizerischer Rechtsprechung.» Im Vorvertrag werde dieser nicht genauer definiert. «In jedem Fall ist die Unsicherheit gross genug», heisst es im EFK-Bericht, um sie in der Risikoanalyse des Kaufs aufzunehmen. Dies ist nicht passiert. Kein Wunder, frohlockte die GSoA gestern, der EFK-Bericht sei von «grosser Brisanz und für das Lügengebäude des VBS entlarvend».
Das Verteidigungsdepartement (VBS) lässt diese Kritik nicht auf sich sitzen. Zeitgleich mit der Finanzkontrolle hat es seinerseits eine Reaktion veröffentlicht, und diese fällt ebenfalls geharnischt aus. Die finanziellen Risiken seien «umfassend berücksichtigt», heisst es darin. Nur um dann zurückzuschlagen: «Letztlich gefährdet die EFK die Interessen der Eidgenossenschaft erheblich, wenn sie die klaren und ausdrücklich bestätigten vertraglichen Vereinbarungen mit den USA infrage stellt.»
Es ist nicht die einzige Gewitterfront, die sich derzeit über dem VBS zusammenbraut. Am Freitagmittag berichtete «SRF» über ein Geheimdokument aus dem Bundesrat, das die aussenpolitische Dimension des Kampfjet-Kaufs unterstreicht. Mitten in der entscheidenden Phase um den Typenentscheid hat der Bundesrat offenbar bei Finanzminister Ueli Maurer ein Dokument bestellt, das Auskunft über allfällige Gegengeschäfte mit Frankreich geben soll - sollte sich die Schweiz nicht für den amerikanischen F-35 sondern den französischen Rafale entscheiden. Frankreich lieferte die Bestätigung dazu, inklusive einem Steuerdeal, welche der Schweiz 3.5 Milliarden über zehn Jahre eingebracht hätte.
Dennoch fiel die Wahl auf den F-35 - was zu grosser diplomatischer Verstimmung mit Frankreich führte. Amherd hatte sich bislang auf den Stand gestellt, sie hätte davon nichts gewusst, doch das Dokument war Thema an Bundesratssitzungen. Recherchen dieser Zeitungen bestätigen das Bild, das SRF vermittelt.
Damit nicht genug: Gemäss Informationen dieser Zeitung liegt auf Amherds Tisch derzeit ein Vorbericht der Geschäftsprüfungskommission. Diese beschäftigt sich ebenfalls mit der Beschaffung der Kampfjets und soll dem Vernehmen nach unter anderem die Frage aufwerfen, weshalb die Schweiz nicht bei anderen Ländern Referenzen über einen F-35-Kauf eingeholt hat. Kritik am Jet war nicht nur in den USA zu vernehmen, auch Italien hat die ursprünglich zum Kauf geplante Stückzahl zurückgeschraubt.
Mitarbeit: Stefan Bühler (aargauerzeitung.ch)
Über die Tatsache, wie untauglich der F-35 für die Luftpolizei ist, wird bisher auch erst im Hinterzimmer diskutiert. Mal schauen, ob es das noch rechtzeitig ins Licht der Öffentlichkeit schafft.