Lange haben alle nur noch über Corona gesprochen. Das Virus hat das Klima als Megathema abgelöst. Ab heute ändert sich das im Nationalrat. Die grosse Kammer berät das CO2-Gesetz an den kommenden zwei Tagen.
Um die Totalrevision des CO2-Gesetzes. Und damit um die Schweizer Klimapolitik in den nächsten zehn Jahren. Bis 2030, dazu hat sie sich mit der Ratifizierung des Pariser Abkommens bekannt, will die Schweiz ihre CO2-Emissionen gegenüber 1990 um die Hälfte reduzieren. Das CO2-Gesetz stellt die Instrumente dazu bereit.
So einiges. Der Bundesrat hat das Gesetz Anfang Dezember 2017 ins Parlament geschickt. Zuerst wurde es im Nationalrat behandelt. Und nach einem Jahr Detailarbeit in der Kommission stand die grosse Kammer im Dezember 2018 vor einem Scherbenhaufen: Das Gesetz wurde von einer unheiligen Allianz versenkt. Die einen, die SVP, hielten es von Anfang an für unnötig. Den anderen, SP, Grünen und Grünliberalen, war es am Ende zu verwässert, als dass sie es noch unterstützen wollten. Der Ball lag danach beim Ständerat, der das Geschäft im Herbst letzten Jahres behandelte. Der Nationalrat wollte im Frühling einen neuen Anlauf nehmen, unter veränderten Vorzeichen, weil die grünen Kräfte bei den Parlamentswahlen vom Oktober 2019 stark zugelegt hatten. Doch dann kam Corona. Die Session wurde abgebrochen. Und die Klimapolitik musste weiter auf ihre Erneuerung warten.
In erster Linie bei den drei Bereichen, die für den Löwenanteil des Schweizer CO2-Ausstosses verantwortlich sind. Konkret sind das der Verkehr, die Gebäude und die Industrie. Gemeinsam stossen die drei Sektoren 80 Prozent der Schweizer CO2-Emissionen aus. An erster Stelle steht der Verkehr mit Anteil von einem guten Drittel. Gebäude und Industrie kommen laut dem Bundesamt für Umwelt auf je 24 Prozent.
Er hat sich vielerorts – etwa bei der Frage, welcher Anteil der Emissionsreduktionen im Inland passieren soll – am Bundesrat orientiert. Das heisst konkret, dass 30 Prozent der Reduktionen in der Schweiz erfolgen sollen, die restlichen 20 im Ausland über den Erwerb von Emissionszertifikaten. Daneben hat die kleine Kammer, die bei ihren Beratungen wegen der Klimaproteste des vergangenen Jahres unter besonderer Beobachtung stand, aber auch einige weitergehende Beschlüsse gefasst. Dazu gehören zum Beispiel ein höherer Benzinpreiszuschlag und die Einführung einer Flugticketabgabe zwischen 30 und 120 Franken. Oder strengere Regeln für den Einbau neuer Ölheizungen ab 2023. Weiter setzten die Ständeräte einen Klimafonds auf, in den jährlich eine Milliarde Franken fliessen soll, etwa aus der CO2-Abgabe. Auch die Einnahmen aus der Flugticketabgabe sollen zur Hälfte in diesen Fonds gehen. Mit dem Geld sollen Mittel zur langfristigen Verminderung von CO2-Emissionen, etwa im Gebäudebereich, finanziert werden. Am grundlegenden Mechanismus der Abgaben ändert sich nichts: Sie werden mehrheitlich an Unternehmen und Bevölkerung zurückerstattet – und zwar so, dass sich umweltschonendes Verhalten lohnt.
Im Grossen und Ganzen wird er sich dem Ständerat anschliessen. Die SVP beantragt die Rückweisung des Geschäfts an die Kommission, was aber chancenlos ist. Möglich scheint, dass der Nationalrat einen höheren Inlandsanteil beschliesst, was aber vor allem deklamatorischen Charakter hätte, denn entscheidend sind die im Gesetz vorgesehenen Massnahmen. Hier könnte es namentlich beim Benzinpreiszuschlag sogar zu einer Abschwächung kommen.
Die linksgrünen Parteien hätten schon noch die eine oder andere Idee, wie sie das CO2-Gesetz verschärfen könnten. Doch sie brauchen dafür die Unterstützung der Mitte-Fraktion. Und hier kommt die Referendumsfähigkeit ins Spiel. Denn das CO2-Gesetz wird dereinst mit grosser Wahrscheinlichkeit an die Urne kommen. Daher sind die vielen Befürworter darauf bedacht, nicht zu viel Angriffsfläche zu bieten.
Bis Ende Jahr, so sieht es die aktuelle Zielsetzung vor, sollen die Emissionen gegenüber 1990 um 20 Prozent gesenkt werden. Per Ende 2018 hat die Schweiz aber erst 14 Prozent erreicht. Beim Bund geht man nicht davon aus, das 20-Prozent-Ziel noch zu erreichen.