Respekt ist angebracht für das Referendum gegen die Erhöhung des Schweizer Beitrags an die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Ohne namhafte Unterstützung haben linke Aktivisten, darunter Migranten ohne Stimmrecht, die Unterschriften gesammelt. Ob die angestrebte Volksabstimmung eine gute Idee war, musste jedoch von Anfang an bezweifelt werden.
Eine reelle Chance hatte das Referendum nie, unabhängig von der eher bemühten Debatte, ob der Schweiz bei einem Nein der Rauswurf aus dem Schengener Abkommen droht. Für eine «unheilige Allianz» der Linken mit der SVP gab es keine realistische Grundlage: Die Abwehr von Migranten ist für die Volkspartei wichtiger als das Anti-EU-Dogma.
Selbst die plötzliche «Willkommenskultur» durch den Ukraine-Krieg und die Bereitschaft, zehntausenden Kriegsflüchtlingen die Türen zu öffnen, hat dem Referendum nicht genützt. Eher im Gegenteil: Sobald es an der EU-Aussengrenze kriselt, werden Abwehrreflexe ausgelöst, unabhängig vom Ausmass der Sympathie und Anteilnahme im konkreten Fall.
Kommt hinzu, dass Frontex ein idealer «Prügelknabe» ist und dennoch das falsche Zielobjekt. Was nicht heisst, dass die Frontex-Beamten Unschuldslämmer wären, das sind sie keineswegs. Aber der Grenzschutz fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedsländer. Sie tragen die Hauptverantwortung für die teils schlimmen Zustände, inklusive Pushbacks.
Dies räumt selbst der grüne EU-Parlamentarier und Frontex-Kritiker Erik Marquardt im Interview ein. Er wirft der Agentur vor, die «Verbrechen» zu verschleiern. Aber manchmal kann sie nicht einmal das: Als der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko im letzten Herbst Migranten Richtung polnische Grenze trieb, war Frontex dort explizit unerwünscht.
Die polnische Regierung wollte keine Zeugen bei der Abschreckung der Migranten, die Lukaschenko als «Waffe» gegen die EU einsetzen wollte. Der Sitz von Frontex befindet sich übrigens in Warschau.
Die Europäische Union besteht eben nicht aus der Kommission in Brüssel oder deren Abteilungen, sondern aus den 27 Mitgliedsstaaten. Im Fall von Schengen/Dublin kommen weitere hinzu, darunter die Schweiz. Ohne ihr Einverständnis gibt es keine gemeinsame Politik und auch keine zusätzliche Kompetenz für Frontex beim Schutz der Aussengrenze.
Mit dem Referendum wolle man ein Zeichen gegen die «gewaltvolle Migrationspolitik» setzen, sagten die Frontex-Gegner. Mit dem klaren Ja des Schweizer Stimmvolks zu Frontex haben sie das Gegenteil erreicht: Sie haben Pushback-Ländern wie Griechenland oder Kroatien den perfekten Vorwand geliefert, um die «Festung Europa» zu zementieren.
Sie können nun darauf verweisen, dass diese Abschreckungspolitik sogar von der Schweiz als Ursprungsland des Roten Kreuzes mitgetragen wird. Und wenn Kalamitäten ans Licht gelangen, können sie Frontex als Sündenbock vorschieben.