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Dieses Ex-«Weltwoche»-Duo spielte für die SVP eine wichtige Rolle

Das ehemalige «Weltwoche»-Duo, das hinter den Kulissen der SVP eine wichtige Rolle spielt

Für SVP-Präsident Marco Chiesa ist Generalsekretär Peter Keller eine zentrale Ansprechperson. Keller wiederum engagiert einen externen Kommunikationsberater, wenn es um wichtige Positionspapiere geht.
22.07.2022, 21:2423.07.2022, 10:02
Othmar von Matt / ch media
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Ein prägnanter journalistischer Einstiegssatz leitet das SVP-Papier ein: «Der Schweiz droht eine Energiekrise von nie da gewesenem Ausmass.» Und ein Stakkato zeigt die Folgen auf: «Zu wenig Strom heisst Chaos, Armut, Hunger, Kälte, Tod.»

Philipp Gut, Marco Chiesa und Peter Keller.
Bild: zvg, sbi, key, Montage: cri

Die SVP macht eine linksgrüne «Öko-Elite» verantwortlich für die drohende Strommangellage – von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga über SP-Co-Präsident Cédric Wermuth bis zu Grünen-Präsident Balthasar Glättli. Diese verfolgten angeblich einen «Geheimplan», den die SVP aufgedeckt haben will: «Umerziehung der Bevölkerung und Ausbau einer staatlichen Öko-Diktatur.»

SVP-Kommunikation erinnert an die Zeit unter Programmchef Mörgeli

Klares politisches Feindbild, maximale Zuspitzung, aggressive und provokative Tonlage, ein Schuss Unterhaltung – und doch auf den Punkt gebracht: So tritt die SVP auf, seit Nationalrat Peter Keller am 1. Januar 2021 die Leitung des Generalsekretariats der Partei übernommen hat.

Das erinnert an das Erfolgsrezept der SVP, als noch Christoph Mörgeli Programmchef war. Er trat 2018 von diesem Posten zurück. Heute schreibt er für die «Weltwoche».

Die «Weltwoche» als wichtiges Sprungbrett

Die Zeitschrift von Verleger und SVP-Nationalrat Roger Köppel war auch für SVP-Generalsekretär Peter Keller ein wichtiges Karrieresprungbrett. Als Redaktor (2009 bis 2011) und freier Mitarbeiter (bis 2020) verfeinerte er hier sein Talent als Schreiber pointierter Texte.

Sein Mentor war Philipp Gut, heute Inhaber der Gut Communications GmbH. Der damalige Inlandchef holte Keller zur «Weltwoche». Keller hatte sich zuvor national einen Namen gemacht als Redenschreiber von SVP-Doyen Christoph Blocher. Er begleitete ihn von 2002 bis 2008 und damit in dessen gesamter Bundesratszeit.

Philipp Gut schrieb Marco Chiesa die 1.-August-Rede 2002

Als Generalsekretär griff Keller seinerseits auf seinen «Weltwoche»-Kollegen Gut zurück. Dieser hatte sich 2020 selbstständig gemacht als Medienunternehmer, Autor und Kommunikationsberater. Er verlegt die «Umwelt Zeitung», ist Autor bei Markus Somms «Nebelspalter» und führte die erfolgreiche Kampagne gegen das Mediengesetz.

«Wenn Sie nach dem treffenden Wort oder inspirierenden Ideen suchen, sind Sie bei mir an der richtigen Adresse», wirbt er auf seiner Website für seine Tätigkeit als Ghostwriter. Wie Quellen im Bundeshaus sagen, soll er für den 1. August 2021 das Ghostwriting für SVP-Präsident Marco Chiesa persönlich übernommen haben.

«Die Luxus-Linken und Bevormunder-Grünen in den Städten wollen allen anderen im Land vorschreiben, wie sie zu denken und zu leben haben», sagte Chiesa in der Ansprache in Ruvigliana (TI). Sie stellte den Auftakt dar zu einer Kampagne über den Stadt-Land-Graben in der Schweiz, die sich in den Medien über Wochen hinzog.

Die Kampagne eingefädelt hatte Generalsekretär Keller. War Gut auch Ghostwriter des Papiers «Die Schmarotzer-Politik der links-grünen Städte»? Jedenfalls wird im Papier explizit thematisiert, welche politische Sprengkraft die Rede hatte: «Selten hat eine derart kurze Ansprache so viele Reaktionen ausgelöst wie die 1.-August-Rede von SVP-Präsident Marco Chiesa zum Stadt-Land-Graben.» Schon zuvor soll Gut dem Vernehmen nach weitere Papiere für die SVP verfasst haben.

Ein Duo, da sich seit Jahrzehnten kennt

Gut und Keller kennen sich seit Jahrzehnten. Beide ticken sehr ähnlich. Sie absolvierten gemeinsam das Lehrerseminar Hitzkirch und studierten zusammen Geschichte und deutsche Literatur an der Universität Zürich.

Politisch sind sie Zwillingsbrüder. Gemäss «NZZ am Sonntag» wäre Gut vor Jahren beinahe SVP-Generalsekretär geworden. Keller wurde es 2021 tatsächlich. Sie haben einen vergleichbaren Schreibstil – mit Polemik und Aggressivität, der Lust auf Zuspitzung, mit Sinn für Lebendigkeit, Lesbarkeit und Unterhaltung. Sie bauen viele Zahlenfakten ein, sind auf der Suche nach dem Punkt, der wehtut – weil er wahr ist.

Besonders aufschlussreich: «Reiche Schweiz, ade!»

Das zeigt sich in den «Weltwoche»-Texten, die sie gemeinsam geschrieben haben. Aus heutiger Sicht ist vor allem der Artikel «Reiche Schweiz, ade!» vom 17. Oktober 2019 prophetisch für den Kurs der SVP. Drei Tage vor den Wahlen 2019 und vier Monate vor dem Ausbruch der Pandemie schrieben sie: «Was wäre, wenn Links-Grün die Wahlen gewinnt und das Land nach seinen Idealen umgestaltet? Ein kleines Alphabet einer vielleicht gar nicht mehr fernen Zukunft.»

Im Artikel thematisieren Keller und Gut ein «Erziehungsprogramm für den Bürger, den man offenbar nicht für mündig hält, sein Leben selbst zu gestalten». Sie zeigen auf, wie Links-Grün die Schweiz in Sachen Klima und Energie umzubauen gedenke: mit Benzinpreiserhöhungen, CO2-Steuern, Dreckstromabgaben, Flugticketabgaben, Lenkungsabgaben, Mobility-Pricing und Verboten von Offroadern und Ölheizungen. Oder, kurz zusammengefasst: mit der Schaffung eines Nanny-Staates.

Eine Vorläufer-These zur SVP-Rhetorik vom Donnerstag. Wer das Papier genau verfasst hat, will niemand sagen. Klar ist aber, dass es zuletzt auf dem Pult von Generalsekretär Keller war. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi betont, das Generalsekretariat habe wie immer nach der Festlegung der allgemeinen Stossrichtung einen ersten Entwurf ausgearbeitet, diesen den Entscheidungsträgern vorgelegt und die Schlussredaktion vorgenommen.

Keine Stellungnahme zu Mandaten von Philipp Gut

«Die SVP-Parteileitung ist sehr glücklich», sagt Thomas Aeschi, «dass Peter Keller neben seinem Mandat als Nationalrat das Generalsekretariat führt.» Es sei ein Vorteil für die Partei, mit ihm und Mediensprecherin Andrea Sommer über journalistische Erfahrung zu verfügen. Keine Stellung nimmt Aeschi zu Mandaten von Philipp Gut. Dieser wiederum hält fest, er äussere sich grundsätzlich nicht zu seinen Aufträgen. Nicht gemeldet hat sich Peter Keller.

Eines scheint offensichtlich: Die Stossrichtung des SVP-Papiers zur «Umerziehung der Bevölkerung und Ausbau einer staatlichen Öko-Diktatur» ist eine Weiterentwicklung des «Weltwoche»-Artikels «Reiche Schweiz, ade!» von Peter Keller und Philipp Gut.

Ein neu-altes Duo wirbelt Staub auf in der politischen Kommunikation der Schweiz. (aargauerzeitung.ch)

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SVP-Präsidium: Diese Personen wollen nicht kandidieren
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quelle: keystone / arno balzarini
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113 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Freakykratos
22.07.2022 22:02registriert August 2017
Wie oft wurde Philipp Gut jetzt schon verurteilt weil er erfundenen Mist geschrieben hat um anderen Personen zu schaden?
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Bert Stein
22.07.2022 22:00registriert November 2020
Wenn wir eine Krise haben: Haben diese zweifelhaften Gestalten nicht einen grossen Beitrag dazu geleistet, indem sie jegliche Vorstösse für eine heimische Stromversorgung hintertrieben haben?
Und wenn die Krise so gross ist: Wieso haben diese fragwürdigen Typen immer noch nur Wahlkampf im Kopf?
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Jacques #23
22.07.2022 21:58registriert Oktober 2018
Unanständig.

Und weit weg von der vollen Verantwortung, die die grösste Partei der Schweiz inne hat.

Die permanente Schuldverteilung in Eigenjustiz ist unanständig und folgt in der Zuspitzung dem Vorbild Trump - offensichtlich untauglicher Staatsmann, Landesverräter und Feind der Demokratie.
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