Kaum hat man sich an den Schweizer Fussball in Coronazeiten gewöhnt, mit gut 700 Zuschauern, fünf Auswechselspielern und einem dicht gedrängten Spielplan, folgte am Freitag das nächste Corona-Ungemach. Am Morgen der positive Test von FC-Zürich-Innenverteidiger Mirlind Kryeziu, am Abend jener von GC-Talent Amel Rustemoski. Beide Spiele mit Beteiligung der Zürcher Teams wurden auf der Stelle abgesagt, die Mannschaft und der Staff des FC Zürich wurden sogleich auf Corona getestet, auf Anordnung der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich müssen sie per sofort für zehn Tage in Quarantäne. Die Belegschaft der Grasshoppers wurde vorerst vorsorglich getestet - und auch sie dürfte einer Quarantäne nicht entgehen.
Die beiden Fälle bringen die Super- und Challenge-League-Saison von neuem ins Wackeln. Abgesagte Spiele - beim FC Zürich geht es vorerst um die Partien gegen Sion und Basel - können im engen Spielplan realistisch gesehen nicht nachgeholt werden. Die Terminkalender der Teams sind bis zum geplanten Saisonende vom 2. August voller als voll. Und am Tag danach muss die Swiss Football League (SFL) der Uefa die Schweizer Europacup-Teilnehmer melden. Was bedeutet das für die Saison? Ist ein sofortiger Abbruch denkbar? Die SFL konnte gestern zu dieser Frage noch keine Auskunft geben. Zu plötzlich wurde sie mit der unglücklichen Lage konfrontiert. Dem Vernehmen nach könnte aber schon heute Samstag ein Entscheid fallen.
Sicher ist: Die Liga und die Teams haben eine grosse Verantwortung gegenüber ihren Spielern. Sie müssen die Fussballer vor dem Coronavirus schützen. Sind Fussballspiele weiterhin vertretbar, wenn Ansteckungen aus den vergangenen Spielen nicht auszuschliessen sind? Zum Beispiel beim Teileinsatz von Kryeziu am vergangenen Dienstag in Neuenburg?
Zu hoffen ist, dass sich die Liga bereits vor dem Auftreten der zwei Coronafälle gewisse Gedanken zu einem solchen Krisenfall gemacht hat - gutes Krisenmanagement jedenfalls würde dies voraussetzen. Vielleicht liegen bereits mögliche Szenarien auf dem Tisch. Drei sind vorstellbar.
Die Meisterschaft wird auf der Stelle abgebrochen. Die Fragen, die sich in diesem Fall stellen würden: Wer steigt ab? Und wer wird Meister? Erhalten die aktuell führenden Young Boys den Titel zugesprochen? Oder wird die Tabelle nach drei Vierteln der Spielzeit herangezogen? Diese Herangehensweise wäre wohl fairer, da zu diesem Zeitpunkt alle Teams dreimal gegen jeden Gegner gespielt hatten. Der Meister hiesse dann FC St. Gallen. Ob er als solcher wirklich in die Annalen eingehen würde oder ob offiziell kein Titel vergeben würde, wäre eine andere offene Frage. Gut möglich, dass das erstplatzierte Team zwar an der Champions-League- Qualifikation teilnehmen, sich aber nicht offiziell Meister nennen dürfte. In diesem Fall hiesse es vielleicht: Corona-Meister.
Zweites Szenario: Alle Saisonresultate des FC Zürich und der Grasshoppers werden gestrichen. Mit dieser Variante würden die Zürcher Clubs hadern - schliesslich sind die Grasshoppers inzwischen auf bestem Weg zurück in die Super League. Und Zürich näherte sich zuletzt den Europacup-Plätzen. Bei dieser Variante wäre aber eine Weiterführung der Meisterschaften in Super- und Challenge-League denkbar. Sollten alle Spiele des FC Zürich gestrichen werden, spielte dies ebenfalls dem FC St.Gallen in die Karten. Die Ostschweizer verloren alle drei Spiele gegen Zürich. Die Young Boys gewannen alle drei. Das ergäbe ein Punktepolster von neun Punkten für St.Gallen gegenüber den Bernern. Oder, als weitere Variante: Nur die Zürcher Spiele im letzten Saisonviertel werden gestrichen. Hier lägen St.Gallen und YB weiterhin gleichauf.
Wenn in der Not kreative Ansätze gefragt sind, könnte folgende Idee doch noch aufs Parkett kommen: Die verschobenen Zürcher Partien werden am Ende der Saison bis Mitte August doch noch ausgetragen. Die am 3. August zu meldenden Europacup-Plätze könnten dann aufgrund der jetzigen Platzierungen oder der Dreiviertel-Tabelle vergeben werden. Nur: Auch der Cupsieger muss in jener Zeit Anfang August in einem zehntägigen Turnier noch ausgespielt werden. Mit Beteiligung von Sion und Basel, die gegen Zürich je ein verschobenes Spiel auszutragen hätten. Eine schwierige Option also. Und sie könnte, wie Variante zwei, der SFL als unverantwortlich ausgelegt werden, da sie trotz latenter Ansteckungsgefahr das Programm durchzuziehen versuchte.
Ob so vieler offener Fragen dürfte sich die SFL in den kommenden Stunden oder Tagen den Kopf zerbrechen. Und sie wird sich auch die Frage gefallen lassen müssen, ob ein frühzeitiger Abbruch im April nicht doch sinnvoller gewesen wäre. Denn: Mit dem ungemütlichsten aller Fälle, einer Ansteckung von Spielern, musste sie eigentlich rechnen. Was sicher ist: Die finanziellen Unsicherheiten in den Clubs werden mit den neusten Entwicklungen nicht kleiner. Immer wieder sprachen Präsidenten davon, dass das Überleben ihrer Clubs vom Fortlauf der Pandemie abhänge. Auf baldige Entwarnung hatte man gehofft. Nun herrscht eher wieder Alarmzustand.
Titelentscheidung:
- YB spielt gegen den FCSG um den Titel
- Basel bleibt Dritter
Europacupplätze:
- Luzern (6.) spielt gegen den FCZ (5.) nach deren Quarantäne. Der Sieger spielt gegen Servette um Rang 4.
Abstieg:
- Xamax (10.) spielt gegen Thun (9.). Der Verlierer steigt ab, der Sieger spielt gegen Sion (8.). Der Verlierer dieses Duells geht in die Barrage, der Sieger ist Achter und bleibt oben.
Dann wären wir nach 5 Spielen fertig und es wäre eine faire Lösung. Was meint ihr?