Jetzt macht sich der Horror in den Büchern bemerkbar. Gestern gab die Swiss ihr Halbjahresresultat bekannt, ein happiger Verlust von 266 Millionen Franken. Bei der Lufthansa-Mutter sind es gar 3.6 Milliarden Euro. In der Vorjahresperiode, als Corona für die meisten Leute nur ein Bier war, konnte die Swiss noch einen Gewinn von 245 Millionen verbuchen.
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Diese Zeiten sind vorbei. Die Lufthansa-Tochter kämpft ums Überleben. Noch immer wartet sie mit ihrer Schwesterairline Edelweiss auf vom Bund gedeckte Hilfskredite in der Höhe von 1.3 Milliarden Franken. Die Staatsbeteiligung von Deutschland an der Lufthansa sorgt jedoch für Verzögerungen.
Umso mehr gilt es für die Lufthansa-Gruppe nun, die Kosten zu senken. Und für Lufthansa-Chef Carsten Spohr ist inzwischen klar, dass dies ohne Kündigungen nicht möglich sein wird. Konzernweit will Spohr die Flotte von heute 760 Flugzeugen langfristig um mindestens 100 Maschinen verkleinern. Von den 130000 Angestellten seien 22000 zu viel.
Auch die Swiss muss sputen. Die Airline will ihre Kosten nachhaltig um 20 bis 25 Prozent nachhaltig senken. Heisst: Weniger Personal, weniger Flugzeuge. Eine konkrete Prognose in Bezug auf die Stellen- und Flottenzahl nennt die Swiss allerdings nicht – auch nicht intern, wie Sandrine Nikolic-Fuss, Präsidentin der Kabinenpersonal-Gewerkschaft Kapers, bestätigt: «Wir haben mit der Swiss nach wie vor kein Wort über Entlassungspläne gesprochen.»
Doch Verhandlungen bezüglich Personal-Sparmassnahmen stehen Ende August an. Sie werden voraussichtlich bis Oktober dauern. Mit dem Einstellungsstopp, der natürlichen Fluktuation und Pensionierungen zeichne sich ab, dass es künftig weniger Stellen geben werde, sagt die Kapers-Präsidentin. Beidseitig sei es aber das Ziel, Entlassungen wenn immer möglich zu vermeiden.
Um dies zu ermöglichen, hat die Gewerkschaft eigene Ideen. Man werde dem Swiss-Management diverse Vorschläge präsentieren, um die Situation abfedern zu können, sagt Nikolic-Fuss. «Eine Möglichkeit wären zum Beispiel attraktive Sabbatical-Angebote, um das Personal trotz eines längeren Unterbruchs an Bord zu behalten für die Zeit, wenn die Buchungszahlen wieder steigen.» So liesse sich der Personalbestand temporär und fiktiv reduzieren. «Denn wenn die Fallzahlen plötzlich sinken oder eine Impfung auf den Markt kommt, benötigen die Airlines rasch wieder ihr qualifiziertes Personal.»
Der Begriff Sabbatical stammt aus den USA und meint verlängerte Ferien, von einem Monat bis zu einem Jahr. Normalerweise ist diese Auszeit nicht bezahlt, die Sozialversicherungsbeiträge übernimmt der Arbeitgeber aber weiterhin.
Beim Pilotenverband Aeropers will man sich dazu nicht konkret äussern. Aber: «Wir sind offen für verschiedene Lösungen, um Entlassungen so gut wie möglich zu vermeiden», sagt Sprecher Thomas Steffen. Eine Option seien kreative Teilzeitmodelle.
Die Ankündigung der Lufthansa-Mutter, dass 22000 Angestellte um ihren Job bangen müssen, kommt bei der Cockpit-Crew nicht gut an. «Momentan ist es schwierig, Prognosen abzugeben. Eine Zahl bezüglich eines Piloten-Überhangs zu nennen wäre insofern nicht seriös, als sich die Situation jederzeit und rasch ändern kann», sagt Steffen. Dies habe zuletzt der Entscheid des Bundes gezeigt, Spanien auf die Risikoliste zu nehmen.
Momentan sei die Kurzarbeit das richtige Mittel, um die Situation abzufedern, sagt Steffen. Diese gilt vorerst bis Ende Februar. «Wir sind offen gegenüber dem Vorschlag der Swiss, diese zu verlängern.»
Bei der Airline will man sich zu den noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen derzeit nicht äussern. Laut einer Sprecherin hätten die Mitarbeitenden aber schon jetzt die Möglichkeit, unbezahlten Urlaub zu beziehen oder in Teilzeit zu arbeiten.
Ob diese Massnahmen reichen werden, ist fraglich. Denn laut Insidern bewegt sich die Fluktuation bei der Swiss derzeit auf dem üblichen Niveau. Dabei hatte das Management eigentlich erwartet und wohl insgeheim gehofft, dass manche Angestellte in der Krise von sich aus die Firma verlassen würden und so die Stellenzahl quasi von allein sinken würde. Ohne Entlassungen. (cki/bzbasel.ch)