Schweiz
Tabakwerbeverbot

Nationalrat stimmt über Tabak-Werbung ab: Das Wichtigste in 5 Punkten

Entscheid über Tabakwerbung: Missachtung des Volkswillens oder Lösung mit Augenmass?

Sponsoring an Festivals und Werbung in Zeitungen? Der Nationalrat muss darüber entscheiden, wie er die Volksinitiative umsetzt, die ein Verbot von Tabakwerbung bei Kindern und Jugendlichen verlangt.
28.02.2024, 16:07
Christoph Bernet / ch media
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Warum befasst sich das Parlament mit dem Thema?

Der Nationalrat diskutiert am Donnerstag über die Umsetzung der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung». Diese ist im Februar 2022 mit 56,6 Prozent Ja-Stimmen und einem deutlichen Ständemehr klar angenommen worden. Der Kernsatz der Initiative, der mit der Annahme neu in der Bundesverfassung steht, lautet: «Der Bund verbietet namentlich jede Art von Werbung für Tabakprodukte, die Kinder und Jugendliche erreicht.»

Am 13. Februar 2022 stimmte die Bevölkerung der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» zu. Zigarettenwerbung, die Kinder und Jugendliche erreicht, soll verboten werden.
Am 13. Februar 2022 stimmte die Bevölkerung der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» zu. Zigarettenwerbung, die Kinder und Jugendliche erreicht, soll verboten werden.Bild: Keystone/Christian Beutler

Das Volksbegehren war lanciert worden, weil das Parlament in den Augen der Initianten auf Gesetzesstufe dem Schutz von Kindern und Jugendlichen zu wenig Achtung geschenkt hatte.

Worum geht es im Nationalrat konkret?

Umgesetzt werden soll die Initiative mit einer Teilrevision des Tabakproduktegesetzes. Der Bundesrat schickte im Mai 2023 eine Vorlage ans Parlament, welche Tabak- und E-Zigarettenwerbung in Presseerzeugnissen mit wenigen Ausnahmen vollständig verbieten wollte. Ebenso untersagt werden sollte das Sponsoring von Veranstaltungen, zu denen Minderjährige Zutritt haben. Verboten werden sollte auch Verkaufsförderung durch mobiles Verkaufspersonal an öffentlich zugänglichen Orten und Veranstaltungen mit Minderjährigen.

Der Ständerat weichte den bundesrätlichen Vorschlag im September 2023 in mehreren Punkten deutlich auf. Verkaufsförderung sollte erlaubt werden, ebenso wie Sponsoring und Tabakwerbung an öffentlichen Orten, «sofern diese für Minderjährige weder zugänglich noch sichtbar sind».

Die vorberatende Gesundheitskommission des Nationalrats (SGK-N) hat im Januar weitestgehend an den vom Ständerat beschlossenen Lockerungen festgehalten. Lediglich eine von der kleinen Kammer beschlossene Ausnahmeregelung für die Promotion von Zigarren und Zigarillos lehnte die Gesundheitskommission ab.

In einem Punkt schlägt die bürgerliche Mehrheit der SGK-N jedoch eine weitere Lockerung vor, welche der Ständerat noch abgelehnt hatte: Im Innenteil von Zeitschriften und Zeitungen soll Werbung für Tabakprodukte und E-Zigaretten erlaubt sein, sofern diese mehrheitlich über Abonnemente verkauft und von 95 Prozent von Erwachsenen gelesen würden.

Sind diese Ausnahmen zulässig?

Nein, wenn es nach einem Gutachten des Bundesamts für Gesundheit und des Bundesamts für Justiz im Auftrag der SGK-N geht. Die meisten der vom Ständerat beschlossenen und von der nationalrätlichen Kommission vorgeschlagenen Lockerungen seien nicht verfassungskonform, heisst es darin.

Hans Stoeckli, SP-BE, spricht waehrend der Debatte im Staenderat, waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 2. Maerz 2023, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Ex-Ständerat Hans Stöckli (SP/BE).Bild: keystone

Gleich sieht es der Berner alt Ständerat Hans Stöckli (SP), Präsident des Trägervereins der Volksinitiative: «Volk und Stände haben sich mit klarer Mehrheit und in Kenntnis der Folgen für diese unmissverständlich formulierte Initiative ausgesprochen. Das Parlament steht jetzt in der Pflicht, diese verfassungsgetreu umzusetzen.» Ausnahmen, etwa beim Sponsoringverbot, stünden im klaren Widerspruch zu dem, was der Bundesrat im Abstimmungsbüchlein festgehalten habe.

Besonders «ungeheuerlich» findet Stöckli jene Änderungen, mit welchen die Nationalratskommission hinter das vom Parlament beschlossene aktuelle Tabakproduktegesetz zurückgehen will, indem «ein wirklichkeitsfremder und verfassungswidriger Werbebegriff» im Gesetz festgeschrieben werden soll.

Was sagt die Gegenseite?

Regine Sauter, FDP-ZH, spricht waehrend der Debatte um die Renteninitiative, waehrend der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 5. Juni 2023, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Nationalrätin Regine Sauter (FDP/ZH).Bild: keystone

Für FDP-Nationalrätin Regine Sauter, Mitglied der Gesundheitskommission, setzen die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Lösungen «die Initiative mit Augenmass um».

Sauter erinnert daran, dass die Volksinitiative nur verlangte, dass Werbung Kinder und Jugendliche nicht erreichen dürfe. «Der Vorschlag des Bundesrates hätte indessen faktisch ein Totalverbot von Werbung zur Folge».

Wie wird der Nationalrat entscheiden?

Während sich SVP und FDP für eine lockere Umsetzung der Initiative aussprechen dürften, stehen SP, Grüne und GLP klar hinter jenen Anträgen, mit denen die Vorschläge der Gesundheitskommission und teilweise auch des Ständerats wieder, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, verschärfen wollen.

Entscheidend dürfte das Verhalten der Mitte-Fraktion sein. In der Kommission stimmten die Mitte-Vertreter mehrheitlich mit SVP und FDP. Doch innerhalb Mitte-Fraktion gibt es Bestrebungen für eine strengere Umsetzung der Initiative. Für die Fraktionssitzung vom Dienstag sind entsprechende Anträge vorbereitet.

Die Initianten haben am Montag alle 200 Nationalratsmitglieder per Brief dazu aufgefordert, eine Umsetzung in ihrem Sinne zu verabschieden. Bereits Mitte Februar schrieben Vertreter der Wirtschaftsverbände, Werbebranche sowie der Tabakproduzenten und Tabakhändler einen Brief an die Parlamentarier. Sie riefen dazu auf, sich der Lösung der Gesundheitskommission anzuschliessen. (aargauerzeitung.ch)

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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FunkyKoi
28.02.2024 17:14registriert Dezember 2021
Wenn die Tabakhändler mit den Änderungen der sogenannten Gesundheitskommissionen einverstanden sind, sagt das schon alles. Wie der Beobachter festgestellt hat, finden sich einige der Formulierungen quasi wörtlich in den Vernehmlassungsantworten der Industrie. Der Präsident der ständerätlichen Gesundheitskommission meint in einem Dok von TSR auf die Frage, wie viele Menschen in der Schweiz an den Folgen des Tabakkonsums sterben, er wisse es nicht und schätzt mal 300.
Es sind an die 10'000. Pro Jahr. Und das weiss er ganz genau. Nur um einzuordnen, was hier passiert.
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James McNew
28.02.2024 20:13registriert Februar 2014
Sobald wieder Session ist, rasselt meine Laune in den Keller. Reihenweise bürgerliche Entscheide, die sich um das angeblich so hochgehaltene Volk foutieren, den Status Quo zementieren oder Rückschritt bedeuten…
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