Der Nationalrat diskutiert am Donnerstag über die Umsetzung der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung». Diese ist im Februar 2022 mit 56,6 Prozent Ja-Stimmen und einem deutlichen Ständemehr klar angenommen worden. Der Kernsatz der Initiative, der mit der Annahme neu in der Bundesverfassung steht, lautet: «Der Bund verbietet namentlich jede Art von Werbung für Tabakprodukte, die Kinder und Jugendliche erreicht.»
Das Volksbegehren war lanciert worden, weil das Parlament in den Augen der Initianten auf Gesetzesstufe dem Schutz von Kindern und Jugendlichen zu wenig Achtung geschenkt hatte.
Umgesetzt werden soll die Initiative mit einer Teilrevision des Tabakproduktegesetzes. Der Bundesrat schickte im Mai 2023 eine Vorlage ans Parlament, welche Tabak- und E-Zigarettenwerbung in Presseerzeugnissen mit wenigen Ausnahmen vollständig verbieten wollte. Ebenso untersagt werden sollte das Sponsoring von Veranstaltungen, zu denen Minderjährige Zutritt haben. Verboten werden sollte auch Verkaufsförderung durch mobiles Verkaufspersonal an öffentlich zugänglichen Orten und Veranstaltungen mit Minderjährigen.
Der Ständerat weichte den bundesrätlichen Vorschlag im September 2023 in mehreren Punkten deutlich auf. Verkaufsförderung sollte erlaubt werden, ebenso wie Sponsoring und Tabakwerbung an öffentlichen Orten, «sofern diese für Minderjährige weder zugänglich noch sichtbar sind».
Die vorberatende Gesundheitskommission des Nationalrats (SGK-N) hat im Januar weitestgehend an den vom Ständerat beschlossenen Lockerungen festgehalten. Lediglich eine von der kleinen Kammer beschlossene Ausnahmeregelung für die Promotion von Zigarren und Zigarillos lehnte die Gesundheitskommission ab.
In einem Punkt schlägt die bürgerliche Mehrheit der SGK-N jedoch eine weitere Lockerung vor, welche der Ständerat noch abgelehnt hatte: Im Innenteil von Zeitschriften und Zeitungen soll Werbung für Tabakprodukte und E-Zigaretten erlaubt sein, sofern diese mehrheitlich über Abonnemente verkauft und von 95 Prozent von Erwachsenen gelesen würden.
Nein, wenn es nach einem Gutachten des Bundesamts für Gesundheit und des Bundesamts für Justiz im Auftrag der SGK-N geht. Die meisten der vom Ständerat beschlossenen und von der nationalrätlichen Kommission vorgeschlagenen Lockerungen seien nicht verfassungskonform, heisst es darin.
Gleich sieht es der Berner alt Ständerat Hans Stöckli (SP), Präsident des Trägervereins der Volksinitiative: «Volk und Stände haben sich mit klarer Mehrheit und in Kenntnis der Folgen für diese unmissverständlich formulierte Initiative ausgesprochen. Das Parlament steht jetzt in der Pflicht, diese verfassungsgetreu umzusetzen.» Ausnahmen, etwa beim Sponsoringverbot, stünden im klaren Widerspruch zu dem, was der Bundesrat im Abstimmungsbüchlein festgehalten habe.
Besonders «ungeheuerlich» findet Stöckli jene Änderungen, mit welchen die Nationalratskommission hinter das vom Parlament beschlossene aktuelle Tabakproduktegesetz zurückgehen will, indem «ein wirklichkeitsfremder und verfassungswidriger Werbebegriff» im Gesetz festgeschrieben werden soll.
Für FDP-Nationalrätin Regine Sauter, Mitglied der Gesundheitskommission, setzen die von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Lösungen «die Initiative mit Augenmass um».
Sauter erinnert daran, dass die Volksinitiative nur verlangte, dass Werbung Kinder und Jugendliche nicht erreichen dürfe. «Der Vorschlag des Bundesrates hätte indessen faktisch ein Totalverbot von Werbung zur Folge».
Während sich SVP und FDP für eine lockere Umsetzung der Initiative aussprechen dürften, stehen SP, Grüne und GLP klar hinter jenen Anträgen, mit denen die Vorschläge der Gesundheitskommission und teilweise auch des Ständerats wieder, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, verschärfen wollen.
Entscheidend dürfte das Verhalten der Mitte-Fraktion sein. In der Kommission stimmten die Mitte-Vertreter mehrheitlich mit SVP und FDP. Doch innerhalb Mitte-Fraktion gibt es Bestrebungen für eine strengere Umsetzung der Initiative. Für die Fraktionssitzung vom Dienstag sind entsprechende Anträge vorbereitet.
Die Initianten haben am Montag alle 200 Nationalratsmitglieder per Brief dazu aufgefordert, eine Umsetzung in ihrem Sinne zu verabschieden. Bereits Mitte Februar schrieben Vertreter der Wirtschaftsverbände, Werbebranche sowie der Tabakproduzenten und Tabakhändler einen Brief an die Parlamentarier. Sie riefen dazu auf, sich der Lösung der Gesundheitskommission anzuschliessen. (aargauerzeitung.ch)
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