Wer hat’s erfunden? Die EU. Seit dem 3. Juli müssen gemäss EU-Verordnung PET-Flaschen einen Verschluss haben, der am Flaschenhals befestigt ist. Damit soll der Anteil von recyceltem PET erhöht werden, da in manchen Ländern die Deckel häufig am Boden anstatt in der korrekten Sammelstelle landen. In Ländern mit Meeresanstoss hat dies zuweilen zur Folge, dass die Deckel im Wasser landen, dort die Umwelt verschmutzen und für Meerestiere zur Gefahr werden, wenn sie sie verschlucken.
Weil viele Supermärkte ausländische Getränke importieren, sind die neuen Deckel auch hierzulande im Verkauf. Dabei macht sich ein Deckel-Graben bemerkbar. Die einen begrüssen die EU-Massnahme und finden sie sogar praktisch. Andere wiederum ärgern sich darüber, weil der Deckel beim Trinken im Weg sei und störe. «Ich habe mir schon ein weisses Hemd verfleckt, weil noch Cola im Deckel war, der runter hing», ärgert sich ein CH-Media-Leser.
Doch auch bei den Schweizer Getränkeherstellern gibt es zwei Lager – jene, die sich der EU-Regel angepasst haben, und jene, die sich darum foutieren. CH Media hat bei den grossen inländischen Produzenten nachgefragt – und präsentiert die Übersicht. Dabei zeigt sich: Die grosse Mehrheit hält am bisherigen System fest, was allerdings damit zu tun haben dürfte, dass der Grossteil von ihnen ihre Wässerchen nicht in EU-Länder exportiert.
Damaris Buchenhorner, Geschäftsleitungsmitglied der Mineralquelle Eptingen, betont wie viele andere Schweizer Hersteller, die auf die bisherigen Deckel setzen, den geschlossenen Kreislauf in der Schweiz:
Wenn der Deckel an der Flasche hafte, sei dies deutlich schwieriger. Die Flasche werde weniger zusammengedrückt, was nicht umweltfreundlicher sei. «Die Flaschen benötigen im PET-Sack viel mehr Platz, dies erhöht den Transport erheblich, da weniger Flaschen im Sack Platz haben.»
In der EU wird hingegen häufig ein Pfand beim Flaschenkauf verlangt. Dabei sei der Deckel für die Rückgabe nicht zwingend notwendig, sodass die neue Regelung durchaus Sinn ergeben könne, sagt Buchenhorner.
Ähnlich argumentiert Rivella-Sprecherin Monika Christener: «Wir sehen in der Schweiz den Mehrwert der angeschraubten Deckel nicht, weder aus Umwelt-, noch aus Konsumentensicht.» Getränkeverschlüsse würden hierzulande nicht achtlos weggeworfen, sondern dem Recycling zugeführt.
Zudem würden sich die Konsumentinnen und Konsumenten klar gegen solche Verschlüsse aussprechen. Das bestätigen auch Roland Wehrli, Geschäftsleitungsmitglied von Goba, und Marco Clavadetscher, Marketing- und Verkaufschef der Marke Ramseier, die bekannt ist für ihre Fruchtsäfte und zur Bauern-Genossenschaft Fenaco gehört.
«Solange wir noch herkömmliche Deckel zu einem vernünftigen Preis erhalten und die EU-Regelung in der Schweiz nicht Pflicht ist, bleiben wir dabei», sagt auch Rivella-Sprecherin Christener. Für die EU-Auslandsmärkte Frankreich und Luxemburg, wo Rivella ebenfalls verkauft wird, muss Rivella die fixierten Deckel verwenden, «auch wenn dies für die gesamte Lieferkette ein Mehraufwand bedeutet».
Das Festhalten an den alten Deckeln könnte sich allerdings künftig gezwungenermassen ändern. «Sollte sich die Gesetzeslage dazu ändern, überprüfen wir unsere Haltung dazu», sagt Urs Schmid, Geschäftsführer und Inhaber der Allegra Passugger Mineralquellen.
Ähnlich klingt es bei den Mineralquellen Adelboden: «Sobald auch in der Schweiz befestigte Deckel vorgeschrieben sind, werden wir umstellen», sagt Sprecherin Lara Boschung. Die Produktionsanlage, die im Frühjahr in Betrieb genommen wurde, erlaube eine Umstellung auf die befestigten Deckel.
Der US-Riese Coca-Cola mit hiesiger Niederlassung in Opfikon ZH füllt über 80 Prozent seiner hierzulande verkauften Getränke in der Schweiz ab, namentlich in Dietlikon ZH und Vals. Diese verfügen nach wie vor über den losen Deckel, wie Sprecherin Luzia Baldauf bestätigt. Ausnahmen sind die importierten Getränke des Konzerns, wie zum Beispiel die Eistee-Marke Fusetea.
Noch befinden sich die Schweizer Getränkehersteller, die sich an der EU-Lösung orientieren, in der Minderheit. Dazu gehört die Mineralquelle Bad Knutwil. Sie setzt seit einem Designwechsel im Frühling auf die sogenannten Tethered Caps, wie die fixierten Deckel in der Branche genannt werden. Die Verfügbarkeit von herkömmlichen Verschlüssen sei in der Schweiz nicht mehr gegeben, sagt Marken-Managerin Marion Walther, Sprecherin.
Man habe allerdings festgestellt, dass der Wechsel die Konsumentinnen und Konsumenten beschäftige. Diese zeigten Verständnis, wenn die Beweggründe erklärt werden, sagt Walther. «Wir haben auch positive Rückmeldungen und gehen davon aus, dass sich die Konsumentinnen und Konsumenten sehr schnell an die Verschlüsse gewöhnen werden.»
Die Zürcher Retro-Getränkemarke Vivi Kola braucht derzeit noch den bestehenden Bestand an Deckeln auf, wie Betriebschef Kaj Augstburger sagt.
Und was sagen die Detailhändler? Schliesslich stellen sie teilweise selbst Getränke her oder verkaufen zumindest eingekaufte Eigenmarken, sei es von Cola-Kopien bis zu Eistees und Mineralwasser.
Migros-Sprecherin Estelle Hain hält fest, man sei von den Lieferanten darüber informiert worden, dass die alten Deckel in Zukunft nicht mehr hergestellt würden.
Zu den bekannten Migros-Eigenmarken gehört beispielsweise das Mineralwasser Aproz.
Die Umstellung auf die neuen Deckel hat bei der Migros erst Mitte März begonnen und dauert noch an. Für ein umfassendes Fazit zu den Kundenfeedbacks sei es deshalb noch zu früh, sagt Hain. Vereinzelte Rückmeldungen zeigten jedoch, dass der befestigte Deckel als unpraktisch empfunden wird.
Bei der Migros-Discounttochter Denner besteht das Getränkesortiment laut Sprecher Thomas Kaderli zu 70 Prozent aus Markenartikeln, deren Hersteller über die Verwendung von befestigten Deckeln entscheiden.
Coop setzt nach wie vor auf das Schweizer Deckelsystem bei den Eigenmarken. Allerdings: «Aufgrund der Produktionsbedingungen bei unseren Lieferanten mussten wir bei wenigen Eigenmarkenartikeln auf das Tethered-Caps-System wechseln», sagt Sprecher Thomas Ditzler. Auch Coop erhalte vereinzelte Rückmeldungen zu den Tethered Caps von Kundinnen und Kunden, die das neue System noch nicht gewohnt seien.
(aargauerzeitung.ch)
Nein, es sind die Flaschen die rumliegen und ein Problem sind. Mit dieser sinnlosen Maßnahme wird tatsächlich ein nicht vorhandenes Problem gelöst. Oder auch nicht.