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Debatte um fixierte Deckel: Das sagen Schweizer Getränkehersteller dazu

Eine offene PET-Flasche mit am Flaschenhals befestigtem Deckel, was Abfall und Littering eindaemmen soll, fotografiert am Donnerstag, 4. Juli 2024 in Zuerich. Seit dem 3. Juli 2024 muessen gemaess EU- ...
Die fixierten PET-Flaschendeckel sind bei vielen Konsumenten unbeliebt, dennoch breiten sie sich auch in der Schweiz aus.Bild: KEYSTONE

Debatte um fixierte Deckel: Das sagen die Schweizer Getränkehersteller dazu

Das Ziel: Weniger Plastikabfall, der nicht recycelt wird. Die Massnahme: Bei Konsumenten umstritten. CH Media präsentiert die grosse Übersicht zur Deckel-Debatte – von Rivella bis Vivi Kola. Und: Die Migros kündigt eine Änderung an.
19.08.2024, 12:5019.08.2024, 14:01
Benjamin Weinmann / ch media
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Wer hat’s erfunden? Die EU. Seit dem 3. Juli müssen gemäss EU-Verordnung PET-Flaschen einen Verschluss haben, der am Flaschenhals befestigt ist. Damit soll der Anteil von recyceltem PET erhöht werden, da in manchen Ländern die Deckel häufig am Boden anstatt in der korrekten Sammelstelle landen. In Ländern mit Meeresanstoss hat dies zuweilen zur Folge, dass die Deckel im Wasser landen, dort die Umwelt verschmutzen und für Meerestiere zur Gefahr werden, wenn sie sie verschlucken.

Weil viele Supermärkte ausländische Getränke importieren, sind die neuen Deckel auch hierzulande im Verkauf. Dabei macht sich ein Deckel-Graben bemerkbar. Die einen begrüssen die EU-Massnahme und finden sie sogar praktisch. Andere wiederum ärgern sich darüber, weil der Deckel beim Trinken im Weg sei und störe. «Ich habe mir schon ein weisses Hemd verfleckt, weil noch Cola im Deckel war, der runter hing», ärgert sich ein CH-Media-Leser.

Doch auch bei den Schweizer Getränkeherstellern gibt es zwei Lager – jene, die sich der EU-Regel angepasst haben, und jene, die sich darum foutieren. CH Media hat bei den grossen inländischen Produzenten nachgefragt – und präsentiert die Übersicht. Dabei zeigt sich: Die grosse Mehrheit hält am bisherigen System fest, was allerdings damit zu tun haben dürfte, dass der Grossteil von ihnen ihre Wässerchen nicht in EU-Länder exportiert.

Lose Deckel

  • Adelbodner
  • Coca-Cola
  • Eptinger
  • Goba
  • Henniez (Nestlé)
  • Nestea (Nestlé)
  • Passugger
  • Ramseier
  • Rivella
  • Valser (Coca-Cola)

Damaris Buchenhorner, Geschäftsleitungsmitglied der Mineralquelle Eptingen, betont wie viele andere Schweizer Hersteller, die auf die bisherigen Deckel setzen, den geschlossenen Kreislauf in der Schweiz:

«PET-Flaschen werden von den Konsumenten zurückgebracht, zusammengedrückt und mit dem Deckel zugeschraubt.»

Wenn der Deckel an der Flasche hafte, sei dies deutlich schwieriger. Die Flasche werde weniger zusammengedrückt, was nicht umweltfreundlicher sei. «Die Flaschen benötigen im PET-Sack viel mehr Platz, dies erhöht den Transport erheblich, da weniger Flaschen im Sack Platz haben.»

In der EU wird hingegen häufig ein Pfand beim Flaschenkauf verlangt. Dabei sei der Deckel für die Rückgabe nicht zwingend notwendig, sodass die neue Regelung durchaus Sinn ergeben könne, sagt Buchenhorner.

Auch Rivella setzt auf bisherige Deckel

Ähnlich argumentiert Rivella-Sprecherin Monika Christener: «Wir sehen in der Schweiz den Mehrwert der angeschraubten Deckel nicht, weder aus Umwelt-, noch aus Konsumentensicht.» Getränkeverschlüsse würden hierzulande nicht achtlos weggeworfen, sondern dem Recycling zugeführt.

«Luft raus, Deckel drauf, und in den PET-Sammelcontainer, das ist bei uns gelernt, und es funktioniert.»

Zudem würden sich die Konsumentinnen und Konsumenten klar gegen solche Verschlüsse aussprechen. Das bestätigen auch Roland Wehrli, Geschäftsleitungsmitglied von Goba, und Marco Clavadetscher, Marketing- und Verkaufschef der Marke Ramseier, die bekannt ist für ihre Fruchtsäfte und zur Bauern-Genossenschaft Fenaco gehört.

«Solange wir noch herkömmliche Deckel zu einem vernünftigen Preis erhalten und die EU-Regelung in der Schweiz nicht Pflicht ist, bleiben wir dabei», sagt auch Rivella-Sprecherin Christener. Für die EU-Auslandsmärkte Frankreich und Luxemburg, wo Rivella ebenfalls verkauft wird, muss Rivella die fixierten Deckel verwenden, «auch wenn dies für die gesamte Lieferkette ein Mehraufwand bedeutet».

Neue Regeln könnten Haltung ändern

Das Festhalten an den alten Deckeln könnte sich allerdings künftig gezwungenermassen ändern. «Sollte sich die Gesetzeslage dazu ändern, überprüfen wir unsere Haltung dazu», sagt Urs Schmid, Geschäftsführer und Inhaber der Allegra Passugger Mineralquellen.

Ähnlich klingt es bei den Mineralquellen Adelboden: «Sobald auch in der Schweiz befestigte Deckel vorgeschrieben sind, werden wir umstellen», sagt Sprecherin Lara Boschung. Die Produktionsanlage, die im Frühjahr in Betrieb genommen wurde, erlaube eine Umstellung auf die befestigten Deckel.

Der US-Riese Coca-Cola mit hiesiger Niederlassung in Opfikon ZH füllt über 80 Prozent seiner hierzulande verkauften Getränke in der Schweiz ab, namentlich in Dietlikon ZH und Vals. Diese verfügen nach wie vor über den losen Deckel, wie Sprecherin Luzia Baldauf bestätigt. Ausnahmen sind die importierten Getränke des Konzerns, wie zum Beispiel die Eistee-Marke Fusetea.

Fixierte Deckel

  • Knutwiler
  • Vivi Kola

Noch befinden sich die Schweizer Getränkehersteller, die sich an der EU-Lösung orientieren, in der Minderheit. Dazu gehört die Mineralquelle Bad Knutwil. Sie setzt seit einem Designwechsel im Frühling auf die sogenannten Tethered Caps, wie die fixierten Deckel in der Branche genannt werden. Die Verfügbarkeit von herkömmlichen Verschlüssen sei in der Schweiz nicht mehr gegeben, sagt Marken-Managerin Marion Walther, Sprecherin.

«Deshalb haben wir uns dazu entschieden, mit der Zeit zu gehen und die früher oder später anstehende Änderung zeitgleich mit dem Redesign umzusetzen.»
Bottling of the Swiss soft drink Vivi Kola Klassisch, a cola, into 33 cl PET bottles at a bottling plant in Elm, Canton of Glarus, Switzerland, on November 14, 2018. (KEYSTONE/Christian Beutler)
Die Vivi-Kola-PET-Flaschen werden demnächst den fixierten Deckel aufweisen.Bild: KEYSTONE

Man habe allerdings festgestellt, dass der Wechsel die Konsumentinnen und Konsumenten beschäftige. Diese zeigten Verständnis, wenn die Beweggründe erklärt werden, sagt Walther. «Wir haben auch positive Rückmeldungen und gehen davon aus, dass sich die Konsumentinnen und Konsumenten sehr schnell an die Verschlüsse gewöhnen werden.»

Die Zürcher Retro-Getränkemarke Vivi Kola braucht derzeit noch den bestehenden Bestand an Deckeln auf, wie Betriebschef Kaj Augstburger sagt.

«Die erste Bestellung für Tethered Caps ging jedoch vor wenigen Tagen raus, und die ersten PET-Flaschen werden damit in rund 3 Monaten produziert.»

Das sagen die Detailhändler

Und was sagen die Detailhändler? Schliesslich stellen sie teilweise selbst Getränke her oder verkaufen zumindest eingekaufte Eigenmarken, sei es von Cola-Kopien bis zu Eistees und Mineralwasser.

Migros-Sprecherin Estelle Hain hält fest, man sei von den Lieferanten darüber informiert worden, dass die alten Deckel in Zukunft nicht mehr hergestellt würden.

«Wir müssen diese Anpassung daher auch auf unsere Produkte anwenden, und diese erfolgt bei all unseren Eigenmarken mit Ausnahme der Tetra-Packungen.»

Zu den bekannten Migros-Eigenmarken gehört beispielsweise das Mineralwasser Aproz.

ARCHIVBILD ZUM UMSATZ DER MIGROS IM GESCHAEFTSJAHR 2021, AM DIENSTAG, 18. JANUAR 2022 - Das Migros Logo beim Ladeneingang, fotografiert am Samstag, 17. Februar 2018, am Flughafen Zuerich. (KEYSTONE/Me ...
Die Migros ist daran, ihre neue Deckel-Strategie umzusetzen.Bild: keystone

Die Umstellung auf die neuen Deckel hat bei der Migros erst Mitte März begonnen und dauert noch an. Für ein umfassendes Fazit zu den Kundenfeedbacks sei es deshalb noch zu früh, sagt Hain. Vereinzelte Rückmeldungen zeigten jedoch, dass der befestigte Deckel als unpraktisch empfunden wird.

Bei der Migros-Discounttochter Denner besteht das Getränkesortiment laut Sprecher Thomas Kaderli zu 70 Prozent aus Markenartikeln, deren Hersteller über die Verwendung von befestigten Deckeln entscheiden.

«Für unsere Eigenmarken prüfen wir derzeit, ob der Wechsel zu befestigten Deckeln vollzogen werden soll.»

Coop setzt nach wie vor auf das Schweizer Deckelsystem bei den Eigenmarken. Allerdings: «Aufgrund der Produktionsbedingungen bei unseren Lieferanten mussten wir bei wenigen Eigenmarkenartikeln auf das Tethered-Caps-System wechseln», sagt Sprecher Thomas Ditzler. Auch Coop erhalte vereinzelte Rückmeldungen zu den Tethered Caps von Kundinnen und Kunden, die das neue System noch nicht gewohnt seien.

«Grundsätzlich hat sich das bestehende System mit den losen Deckeln in der Schweiz bewährt, und wir sehen keinen akuten Handlungsbedarf zur flächendeckenden Umstellung aller unserer Eigenmarkenartikel.»

(aargauerzeitung.ch)

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396 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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The Danisher
19.08.2024 13:04registriert Juni 2019
Noch nie habe ich gedacht: " wieso liegen hier so viele Flaschendeckel rum?"
Nein, es sind die Flaschen die rumliegen und ein Problem sind. Mit dieser sinnlosen Maßnahme wird tatsächlich ein nicht vorhandenes Problem gelöst. Oder auch nicht.
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Jonas (1) (2)
19.08.2024 13:00registriert April 2024
Ein vollkommen lächerliche Massnahme, die nun wirklich nichts erreicht, ausser die Konsumentinnen und Konsumenten zu verärgern. Immerhin kann man das Zeugs noch immer abreissen.
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Hans Jürg
19.08.2024 12:59registriert Januar 2015
Ein nicht wirkliches Problem, das künstlich hoch gepusht wird. Man gewöhnt sich schnell an die neuen Deckel und ich sehe den Vorteil darin, dass ich, wenn ich von der Flasche trinke, die andere Hand, mit der ich bisher den Deckel hielt, frei habe.
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