Das Winterhalbjahr war so niederschlagsarm wie lange nicht mehr. Das zeigte sich am Schneemangel deutlich. Auf der Alpensüdseite fielen zwischen Dezember und Februar gar nur rund 50 Prozent des üblichen Winterniederschlags. Insbesondere im Februar blieb der Niederschlag teilweise komplett aus.
Die Folge war (und ist) ein grosses Niederschlagsdefizit. Massimiliano Zappa, Leiter der Gruppe Hydrologische Vorhersagen an der eidgenössischen Forschungsanstalt WSL, warnte schon Anfang März, dass es in der Schweiz in zwei bis drei Monaten zu einem Wassermangel kommen könnte.
Damals erklärte er, dass in den Bergen etwa 200 Millimeter Wasseräquivalent an Schnee fehlen. 200 Liter pro Quadratmeter also. Auf Anfrage schrieb er gestern: «Die 50 bis 70 mm Regen/Schnee der letzten 72 Stunden in den Alpen sind ein guter Teil der 200 mm, welche bisher gefehlt haben.» Wie hoch das Wasserdefizit aber tatsächlich noch ist, kann er erst am Mittwoch genauer sagen, dann wird die Schneewasseräquivalent-Karte aktualisiert. Aktuell schätzt er das Defizit auf rund 100 bis 150 Millimeter, «was mehr oder weniger einem ganzen Regenmonat entspricht».
Grundsätzlich hält Zappa fest: «Jeder Regentropfen entspannt die Situation. Noch eine solche Woche wie die letzte bis Mitte Mai würde sehr helfen.» Dabei sollte der Regen sanft über mehrere Tage verteilt sein. Sintflutartige Regenfälle nützen wenig. Zu beachten gilt aktuell, dass die «Aufholjagd» der letzten Tage mit der typischen Schneeschmelze zusammenfällt. «Das momentane Defizit ist kleiner geworden, aber das kumulierte Defizit bleibt noch gross», so Zappa.
Allerdings bekam in den letzten Tagen nicht die ganze Schweiz den langersehnten Niederschlag. Wie das Bundesamt für Umwelt BAFU schreibt, wurden am zentralen und östlichen Alpennordhang 30 bis 60 Millimeter registriert, auf der Alpensüdseite blieb es aber weitestgehend trocken. Das zeigt auch die Niederschlagsmenge seit Anfang Jahr für vier ausgewählte Standorte. Lugano beispielsweise erhielt kaum Niederschlag:
Der Regen der letzten Tage führte dazu, dass sich die Abflussmengen in den Gewässern auf der Alpennordseite mehrheitlich auf normalen, in der Ostschweiz und in Teilen der Zentralschweiz gar auf leicht überdurchschnittlichen Werten befinden. Im Tessin sind die Abflüsse dagegen immer noch stark unterdurchschnittlich. Dort besteht an einigen Flüssen weiterhin eine Niedrigwassersituation. Vor allem der Lago Maggiore und der Lago di Lugano weisen auffallend tiefe Wasserstände auf.
Auf der Alpennordseite kann man gemäss Zappa «entspannter Richtung Sommer blicken». Die aktuelle Situation hat man da schon in früheren Jahren erlebt.
Anders sieht es im Tessin aus. Zappa: «Dort, wo es bereits am kritischsten war, ist es immer noch zu trocken.» In der Sonnenstube der Schweiz kumuliert sich die Wasserknappheit (mit kurzen Pausen) bereits seit Herbst 2021. «Etliche Gemeinden haben bereits mit Wasser-Sparmassnahmen begonnen», sagt Zappa. Kurz: Es braucht noch mehr Regen – vor allem im Süden. Aktuell sind für Donnerstag etwas grössere Niederschläge vorhergesagt.