So sportlich hat die Schweizer Börse das neue Jahr schon lange nicht mehr eröffnet: plus 8 Prozent im Januar. Im ganzen 2024 hat der Swiss Market Index nur halb so viel zugelegt. Kann es so weitergehen oder ist der schwache Start im Februar der Beginn einer grossen Ernüchterung? Wer selbst nicht raten mag, kann Banker oder andere Experten fragen.
Man kann sich aber auch ansehen, was die wirklich Eingeweihten machen. Seit genau 20 Jahren müssen Mitglieder der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates von Unternehmen, deren Aktien an der Schweizer Börse kotiert sind, ihre privaten Geschäfte offenlegen – sofern sie den Handel mit Beteiligungsrechten der eigenen Firma betreffen.
Unter der Rubrik «Management-Transaktionen» sind diese legalen Insidergeschäfte spätestens fünf Arbeitstage nach Abschluss der Transaktion auf der Website der Regulierungsstelle SIX Exchange Regulation einsehbar. «Wenn Führungskräfte Aktien der eigenen Gesellschaft kaufen oder verkaufen, kann das ein Hinweis auf den Geschäftsgang des Unternehmens sein.» So erklärt SIX den Nutzen der Offenlegungspflicht. Dementsprechend wird das Geld der Insider im Jargon auch als «Smart Money» oder eben als «Schlaues Geld» bezeichnet.
Eine Auswertung aller gemeldeten Kauf- und Verkaufstransaktionen seit Anfang 2022 zeigt aber schnell (vgl. Grafik): Den Insidern gedankenlos hinterhereifern ist für die grosse Mehrheit der Anlegerinnen und Anleger nicht der Weg zum sicheren Gewinn.
Wer sich die Sache zu einfach macht, kann leicht in die Falle tappen. 2022, das Jahr, in dem Russland den Angriff auf die Ukraine startete, war alles andere als ein gutes Börsenjahr. Der Swiss Market Index (SMI) verlor fast 17 Prozent, so viel wie nie mehr seit der Finanzkrise. Trotzdem meldeten die Insider mit 1366 Transaktionen mehr als doppelt so viele Käufe wie Verkäufe (662).
Was aber auffällt und in der Grafik gut erkennbar ist: Die Käufe erfolgen massiert in Phasen, in denen die Börse einen Tiefpunkt erreicht. So meldeten die Insider im Juni 2022 fast fünfmal mehr Käufe als Verkäufe (135 zu 28). Im Oktober 2022 war das Verhältnis zugunsten der Käufe ähnlich hoch (124 zu 28). Insgesamt standen in den drei beobachteten Jahren 3593 Käufe einem Total von 2586 Verkäufen gegenüber. Im Durchschnitt überwiegen die Käufe die Verkäufe also im Verhältnis von lediglich 1,4.
Gewiss, der direkte Vergleich der Anzahl Käufe mit der Anzahl Verkäufen ist simpel und wahrscheinlich auch allzu rudimentär, als dass die breite Investorenschaft daraus einen konkreten Nutzen ziehen könnte. Olaf Stotz, Professor an der Privatuniversität Frankfurt School, geht mit seinem Insiderbarometer, mit dem er den Transaktionen der Insider an der Deutschen Börse nachspürt, um einiges raffinierter ans Werk.
So misst Stotz die gemeldeten «Directors Dealings» nicht nur in deren Anzahl, sondern vor allem auch in Geldwerten. Geschäfte, denen zum Beispiel ein zwingendes arbeitsvertragliches Motiv zugrunde liegt, etwa weil Manager im Rahmen von Leistungsanreizprogrammen Aktien des eigenen Unternehmens kaufen müssen, schliesst er aus dem Index aus.
Stotz publiziert sein Insiderbarometer seit bald 20 Jahren monatlich im deutschen «Handelsblatt». Die Zeitung und der Finanzprofessor sehen klare Vorteile für die Leserinnen und Leser: Für Privatanleger seien die Geschäfte von Insidern interessant, weil sich deren Käufe im Durchschnitt der Jahre stets besser entwickelten als deren Verkäufe – ausser im vergangenen Jahr. 2024 hat nur gut jede fünfte der 160 wichtigsten deutschen Aktien den DAX-Index geschlagen. Da waren alle Käufer auf verlorenem Posten.
Den sicheren Weg zum Börsengewinn garantieren somit auch keine raffinierten Insideranalysen. Aufschlussreich können die Beobachtungen aber allemal sein. Dazu reichen auch einfachere Techniken.
Interessante Erkenntnisse liefert die Auswertung von Schweizer Aktien, in denen 2024 die wertmässig grössten Insiderkäufe stattgefunden haben. So erzielten Insider des Schaffhauser Verpackungsunternehmens SIG zwischen Anfang 2024 und Ende Januar 2025 mit ihren Aktienkäufen im Wert von über 40 Millionen Franken einen Kursgewinn von 6 Prozent, während die SIG-Aktie in der gleichen Periode kaum vorankam.
Dieser Gewinn gehört fast vollumfänglich dem saudischen Verwaltungsrat Abdallah al Obeikan, der Anfang März 2024 SIG-Aktien im Wert von über 41 Millionen Franken erworben und die schon 4 Jahre alte Beteiligung der Obeikan-Gruppe an SIG wieder auf über 5 Prozent ausgebaut haben dürfte. Abdallah al Obeikan hat während 21 Jahren ein Unternehmen geführt, das inzwischen ganz der SIG gehört. Der Mann verfügt also über profunde Marktkenntnisse und er kann viel Kapital mobilisieren. Das sind die Insider, deren Geschäfte zu verfolgen auch für Kleinanleger lohnend sein könnte.
Ein ähnlicher Fall ist Klaus-Michael Kühne, Milliardär, Mehrheitseigentümer, langjähriger Chef und Ehrenpräsident des Logistikkonzerns Kühne+Nagel. Kühne investierte 2024 mehr als 95 Millionen Franken in Aktien der eigenen Firma. Absolut betrachtet hat er damit zwar damit einen Verlust von rund 15 Prozent eingefahren.
Doch weil der Kurs der K+N-Aktie im Jahresverlauf um etwa doppelt so viel gefallen ist, machte Kühne relativ gesehen doch keinen schlechten Schnitt. Kühnes Transaktionsmuster zeigt deutlich, wie der Unternehmer zwischenzeitliche Kurstiefstände auszunutzen weiss, um seine Position aufzustocken.
Das Muster der Transaktionen der Hauptaktionärsfamilie Hayek in den Aktien ihrer Swatch Group gleicht jenem Kühnes in auffälliger Weise. Zwar haben 2024 auch die Hayeks mit den über 45 Millionen Franken, die sie in ihr Unternehmen investierten, über 10 Prozent verloren. Die Aktie fiel aber über den gesamten Zeitraum mehr als 25 Prozent. Unternehmer haben also offensichtlich ein gutes Händchen, wenn es darum geht, ihre Positionen in Schwächephasen auszubauen.
Viel weniger aussagekräftig fällt dagegen die Auswertung der wertmässig grössten Käufe aus. Mit über 50 Millionen Franken stehen Manager der Investmentfirma Partners Group an der Spitze. Sie haben mit ihren Investitionen im Jahresverlauf zwar fast 10 Prozent gewonnen, doch die Aktien gewannen über die gesamte Beobachtungsperiode doppelt so viel.
Auch die UBS-Manager kauften eigene Aktien für mehr als 35 Millionen Franken, holten damit aber weniger als 5 Prozent heraus, während die Aktie im Jahresverlauf mehr als 20 Prozent zulegt. Diese Beispiele, und es gibt noch einige mehr davon, sagen mehr aus über den Umfang der Aktienvergütungsprogramme dieser Firmen als über das Geschick der Insider, die ihre Aktien vermutlich kaufen müssen, wenn die Zuteilung erfolgt.
Übrigens: Im Januar haben Insider der SIX insgesamt 46 Käufe und 26 Verkäufe gemeldet. Das Verhältnis ist mit dem Faktor 1,7 zwar höher als der langjährige Durchschnitt, aber angesichts des fulminanten Jahresbeginns der Börse doch nicht besonders beeindruckend. Die Dreijahresanalyse lässt vermuten, dass das Interesse der wahren Insider in schwachen Börsenphasen deutlich grösser ist als in Perioden stark steigender Kurse. Schlaues Geld fliesst offensichtlich gegen den Strom.