Die Suche läuft auf Hochtouren, die Nachfolge des abgetretenen Post-Chefs Roberto Cirillo soll «bis im Sommer» geklärt sein, wie es beim Staatskonzern heisst. Gefragt sei eine «Führungspersönlichkeit aus der Schweizer Wirtschaft», sagte jüngst Post-Präsident Christian Levrat.
Es soll eine Person mit CEO-Format sein, die den Umbau der Post vorantreiben könne und die gleichzeitig Freude habe, in der Öffentlichkeit und der politischen Arena zu stehen. Hilfe erhält die Post dabei von den Headhuntern von Egon Zehnder.
Nach den Absagen von Finanzchef und ad-interim-CEO Alex Glanzmann sowie von Brief- und Paketpost-Lenker Johannes Cramer und Poststellenchef Thomas Baur rechneten Post-Beobachter damit, dass der neue Post-Chef von aussen kommen wird – so wie dies zuvor schon bei Susanne Ruoff und Roberto Cirillo der Fall gewesen ist.
Doch nun gibt es offenbar doch eine Kandidatur aus dem Post-Innern: So soll Konzernleitungsmitglied Nicole Burth ihr Interesse am CEO-Posten angemeldet haben, wie CH Media erfahren hat. Die Post selbst will sich auf Anfrage dazu nicht äussern.
Die Kandidatur Burths sorgt bei Post-Kennern für Stirnrunzeln. Schliesslich verantwortet die Managerin das aufgrund der hochumstrittenen Zukäufe vielkritisierte Digitalgeschäft.
Bürgerliche Parteien wie Wirtschaftsverbände monieren seit Jahren, dass die Post mit Staatsgeldern auf privatwirtschaftlichen Gefilden grase und so den Wettbewerb verzerre. Die aggressive Akquisitionspolitik der Post ist mit ein Grund, wieso es auch in Bundesbern seit dem Herbst 2021 eine parlamentarische Gruppe «Fair ist anders» gibt.
Die Parlamentarier wehren sich Namen des Gewerbes und der KMU gegen den gelben Gemischtwarenhändler. Und sie unterstützen freilich auch die parlamentarische Initiative, mit der «klare Spielregeln für Bundesunternehmen im Wettbewerb mit Privaten» erarbeitet werden sollen. Während die Politiker und Politikerinnen hier noch Antworten suchen, hat die Post zig Firmen zusammengekauft.
Gross war die Opposition vor allem bei der Übernahme der Buchhaltungssoftware-Spezialistin Klara, wohl auch, weil Konkurrent Abacus sich bei allen erdenklichen Behörden und Gerichten dagegen gewehrt hat – wenn auch ohne Erfolg. Die Post hat Klara nun umfirmiert, in ePost Services. Das klingt weniger branchenfremd.
Weitere umstrittene Zukäufe sind etwa die digitale Kundenberatungsplattform Unblu, der Online-Event-Veranstalter Spot Me, den Verschlüsselungsspezialisten Tresorit oder der Verwaltungssoftwareanbieter Dialog. Wie viel die Post für die zig Firmen bezahlt hat, ist nicht ausgewiesen. Wie viel sie insgesamt abschreiben musste, auch nicht.
Burths relativ junger Geschäftsbereich Digital Services hat der Post aber nicht nur viel politischen Ärger verschafft. Auch finanziell hat er sich nicht ausbezahlt. Über die vergangenen fünf Jahre konnte sie zwar den Umsatz massiv erhöhen von mageren 23 Millionen auf über 200 Millionen Franken.
Die Zahl der Mitarbeitenden ist von 100 auf über 1500 gestiegen. Doch im Vergleich zum Personaletat von insgesamt 45'000 Personen oder zum Kerngeschäft, der knapp 4,4 Milliarden Umsatzfranken schweren Brief- und Paketpost, bleiben die Digital Services hingegen ein Mikro-Bereich. Und ein teurer obendrein.
Denn der Bereich hat bis anhin Jahr für Jahr jeweils einen Verlust von rund 70 Millionen Franken ausgewiesen – oder kumuliert von 360 Millionen Franken in den letzten fünf Jahren. Auch im vergangenen Jahr war es nochmals ein Minus von 67 Millionen Franken, und das, obwohl die Post eigentlich versprochen hatte, dass der Bereich 2024 eine schwarze Null erzielen sollte. Mittlerweile wurden Zielvorgaben angepasst.
Burth selbst sieht das freilich anders: Der Aufbau des Konzernbereichs sei «geglückt», hält sie im neusten Geschäftsbericht fest. Der Rückgang des Schalter- und Briefgeschäfts und das veränderte Kundenverhalten verlangten nach digitalen Alternativen. «Der Aufbau dieser Kompetenzen ist nicht nur mit organischem Wachstum möglich, sondern benötigt auch Zukäufe.»
Fakt ist aber auch: Das Wachstum ist deutlich bescheidener ausgefallen, als von Cirillo erhofft. Die Profitabilität fehlt ebenso wie die Aussicht, dass der Staatskonzern dereinst mit den hier erwirtschafteten Umsätzen und Gewinnen das wegbrechende, aber weiterhin für Post-Verhältnisse hoch profitable Briefgeschäft kompensieren könnte.
Umso mehr überrascht Nicole Burths Kandidatur.
"Zukäufe sind etwa die digitale Kundenberatungsplattform Unblu, der Online-Event-Veranstalter Spot Me, den Verschlüsselungsspezialisten Tresorit oder der Verwaltungssoftwareanbieter Dialog."
Halt alles sehr viel mit dem zu tun, was die meisten Postkunden tagtäglich bei der (Brief-)Post erledigen.
Momol, macht Sinn...