Die Woche begann mit einer guten Nachricht: Die Teuerung in der Schweiz ist im Mai deutlich gesunken, von 2,6 Prozent im April auf 2,2 Prozent. Diese Entspannung aber ist nur vorübergehend. Schon im Herbst dürfte es zu einem Teuerungsschub kommen. Denn durch die Erhöhung des Referenzzinssatzes werden in vielen Fällen die Mieten ansteigen.
In der Schweiz sind die Mieten im Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) enthalten. Sie machen mit 16 Prozent sogar den grössten Einzelanteil aus. Das liegt auch daran, dass die Schweiz ein «Mieterland» ist. Fast 60 Prozent der Bevölkerung leben in einer Mietwohnung. In kaum einem europäischen Land ist der Anteil der Wohneigentümer so gering wie bei uns.
Jetzt kommt auf die Mieterinnen und Mieter eine happige Erhöhung zu. Und schon im nächsten Frühjahr ist der nächste Kostenschub in Sicht, teilte das Bundesamt für Wohnungswesen letzte Woche mit. Experten gehen davon aus, dass die Mieten innert Jahresfrist in manchen Fällen um bis zu zehn Prozent ansteigen könnten.
Grund ist die «Zinswende» bei den Notenbanken aufgrund der hohen Inflation. So erhöhte die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Leitzins von -0,75 auf 1,5 Prozent. Damit steigen auch die Hypothekarzinsen. Sie bilden die Grundlage für die Berechnung des Referenzzinssatzes, der wiederum massgeblich ist für die Anpassung der Mieten.
Er wurde vom Bundesrat 2008 eingeführt. Zuvor war der Hypothekarzins der jeweiligen Kantonalbank massgebend. Mit dem Referenzzinssatz, einem von der SNB berechneten Durchschnittswert der Hypothekarzinsen in der Schweiz, kam es zu einer nationalen Vereinheitlichung. Seit seiner Einführung gab es nur eine Richtung: nach unten.
Die Mieten sind dennoch gestiegen, aufgrund des Bevölkerungswachstums, des Trends zu Einpersonen-Haushalten oder zu mehr Wohnraum. Nun aber sorgt die Zinswende für einen zusätzlichen Schub. Damit aber wird eine alte Idee neu aufgelegt: Wäre es nicht besser, die Mieten an die Teuerung zu koppeln statt an die Hypothekarzinsen?
«Es wäre einfacher zu erklären», sagte der Immobilienexperte Donato Scognamiglio dem SRF. «Die Leute wissen dann, Kartoffeln und Bier werden teurer, das Leben wird teurer. Also auch die Miete.» Allerdings ist ein solcher Systemwechsel ein Dauerbrenner in der Schweizer Politik. Seit Langem wird darum gerungen, ohne dass etwas passiert ist.
Das heutige Mietrecht stammt aus dem Jahr 1990. Sämtliche Anläufe für eine Revision sind seither gescheitert, obwohl die Hypothekarzinsen gerade in den 1990er-Jahren einen deutlichen Anstieg erlebten, und mit ihnen die Mieten. Eine Anbindung an die Teuerung galt als vernünftige Alternative, doch um das Ausmass der Anpassung wurde erbittert gestritten.
Der Hauseigentümerverband wollte die gesamte Teuerung auf die Mieten überwälzen, während der Mieterinnen- und Mieterverband nur 80 oder allenfalls 90 Prozent akzeptieren wollte. Er bekämpfte 2004 eine Mietrechtsrevision mit dem Referendum. Diese sah den Systemwechsel von den Hypozinsen zum Landesindex der Konsumentenpreise vor.
Der Bundesrat wollte die Anpassung der Mieten auf 80 Prozent der Teuerung beschränken, doch die bürgerliche Mehrheit im Parlament setzte durch, dass die Vermieter die volle Teuerung auf die Mieter abwälzen konnten. Widerstand gab es auch von rechts. Dort «träumte» man von einem anderen Systemwechsel: von der Kosten- zur Marktmiete.
Faktisch hätte dies zu einer Deregulierung des Wohnungsmarktes geführt. Es kam, wie es in solchen Fällen häufig kommt: Die Revision des Mietrechts wurde von fast zwei Dritteln der Stimmberechtigten und allen Kantonen abgelehnt. Der vorerst letzte Anlauf datiert von 2010 – zwischenzeitlich hatte der Bundesrat wie erwähnt den Referenzzinssatz eingeführt.
Einmal mehr wurde jedoch um das Ausmass gestritten, mit dem die Teuerung überwälzt werden sollte. Und die SVP setzte erneut auf die Marktmiete. Am Ende versenkte der Nationalrat die Revision, obwohl Wirtschaftsministerin Doris Leuthard (CVP) die Parteien aufgefordert hatte, «endlich, endlich» die Mieten von den Hypothekarzinsen zu entkoppeln.
So blieb der Referenzzinssatz in Kraft, was vorerst niemanden störte. Dank der langen Tief- und Negativzinsphase nach Finanzkrise und Euro-Schuldenkrise wurde er von ursprünglich 3,5 Prozent auf 1,25 Prozent gesenkt. Jetzt kommt das «böse Erwachen». Wäre nun die Zeit reif für den Systemwechsel hin zur Anbindung an die Teuerung?
Zweifel sind angebracht. Der Prozent-Streit dürfte erneut ausbrechen, und es würde sich die Frage stellen, was bei einer rückläufigen Teuerung – wie gerade vermeldet – geschehen soll. Es ist mehr als fraglich, dass sich ein breit akzeptierter Mechanismus finden lässt. Und die Gefahr besteht, dass das Wohnen am Ende gar nicht günstiger wird.
Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, in denen die Mieten an die Hypothekarzinsen gebunden sind. Das Ergebnis ist eine Art Teufelskreis: Die Nationalbank will mit höheren Leitzinsen die Inflation dämpfen und treibt sie via Referenzzinssatz gleich selbst nach oben. Doch eine bessere Lösung ist nicht in Sicht, zum Leidwesen vieler Mieterinnen und Mieter.
Als wäre die Marktmiete nicht längst realität, auch wenns Rechtswiedrig ist, die Kostenmiete wird nicht mal im Ansatz durchgesetzt. Alle fahren unrechtmässige Profite ein, auch die als achso Linksextrem verschriene Stadt Zürich passt ihre Mieten vielerorts unverblühmt dem Markt an.
Hier liegt das wahre Problem.
Wenn Bürgerliche eine Anpassung bei Mieten wollen ist mal extreme Vorsicht angebracht.
Wenn dann die Inflation aber <2% ist, und die Zinsen sinken, sinken die Mieten nicht (Deflation hat man selten in dem Umfang wie Inflation).