Der international tätige Bauausrüstungskonzern AFG Arbonia Forster hat 2014 erstmals seit Jahren wieder einen Gewinn erwirtschaftet. Trotzdem will das Ostschweizer Unternehmen in den nächsten eineinhalb Jahren bei der Tochterfirma EgoKiefer in Altstätten SG 150 bis 200 Stellen abbauen, wie AFG gestern bekannt gab.
Als Grund für den Abbau nennt der Konzern den «anhaltend starken Import- und Kostendruck sowie die neue Währungsrealität». Es ist nicht die erste Hiobsbotschaft für den Werkplatz Schweiz, seit die Schweizerische Nationalbank (SNB) Mitte Januar den Euro-Mindestkurs aufgehoben hat. Am Montag kündigte der Zürcher Hörgerätehersteller Sonova an, einen Teil der Produktion nach Grossbritannien und China auslagern zu wollen. In der Schweiz gehen 100 Arbeitsplätze verloren. Letzte Woche machten der Flugzeugwartungskonzern SR Technics und das Telekomunternehmen UPC Cablecom publik, dass sie in der Schweiz in den nächsten Monaten zusammen rund 500 Stellen streichen wollen. Und das sind längst nicht alle Abbaupläne.
Haben sich Abbau-Meldungen seit der Aufhebung des Mindestkurses tatsächlich gehäuft, oder werden sie nur stärker wahrgenommen? Laut Valentin Vogt, der als Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands über 100'000 Klein-, Mittel- und Grossunternehmen vertritt, ist es eine Mischung aus beidem: «Es hat sicher eine Häufung gegeben in den letzten Wochen. Das hat aber auch damit zu tun, dass momentan Berichtssaison der Jahresresultate ist. In dieser geben die Firmen immer ihre Pläne für die nächsten Monate bekannt.»
Zudem spiele es in der öffentlichen Wahrnehmung sicherlich auch eine Rolle, dass seit dem SNB-Entscheid jede Abbau-Ankündigung ungewohnt grosse Aufmerksamkeit erhalte. Für Vogt ist Panik nach wie vor fehl am Platz: «Wir müssen jetzt Ruhe bewahren und schauen, wie sich das entwickelt. Die Schweiz ist insgesamt nach wie vor sehr gut aufgestellt.» Des Weiteren müsse jede Abbaumassnahme für sich betrachtet werden. Schlüsse zu ziehen für die ganze Schweizer Wirtschaft, sei unangebracht: «Denn die meisten Unternehmen, die jetzt einen Stellenabbau bekannt geben, hatten schon vor der Aufhebung der Euro-Untergrenze Probleme oder Pläne für Verlagerungen.»
Bei einigen wäre es wohl auch mit einem Euro-Kurs von Fr. 1.20 zu Einschnitten gekommen, so Vogt. Zudem würden nicht nur Stellen abgebaut, sondern auch neue geschaffen: «Wenn ein mittelgrosses Unternehmen den Bestand von 200 auf 220 Angestellte ausbaut, wird das in den meisten Fällen aber nicht öffentlich angekündigt – und kommt deshalb auch nicht in den Medien.»
Auch Rudolf Minsch, Chefökonom des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse, will nicht schwarzmalen: «Wenn es uns in der Schweiz weiterhin gelingt, innovativ zu sein, und die Politik mithilft, die Rahmenbedingungen zu verbessern, dann werden wir als Gesamtwirtschaft mit einem blauen Auge davonkommen.» Für einzelne Unternehmen, oder zumindest für einzelne Unternehmensbereiche, sei der Standort Schweiz allerdings kaum mehr zu halten.
Minsch: «Die Firmen müssen sich jetzt noch besser überlegen, bei welchem Produkt sich die Herstellung in der Schweiz noch lohnt.» Tätigkeiten mit einer tiefen Wertschöpfung müssten ins Ausland verlagert werden. «Ein Unternehmen kann es sich langfristig nicht leisten, einzelne Unternehmensbereiche, die Verluste generieren, aus patriotischen Gründen in der Schweiz zu belassen.» Für eine solche Entscheidung müsse sonst das ganze Unternehmen bluten.
Bei AFG Arbonia Forster, Sonova, SR Technics und anderen sind Produktionsverlagerungen ins Ausland bereits beschlossene Sache. Wie von Minsch beschrieben, handelt es sich dabei in der Regel um eher einfache Tätigkeiten. Doch was machen jene, die diese Tätigkeiten bisher in der Schweiz ausgeführt haben? Haben sie langfristig noch eine Perspektive auf dem Schweizer Arbeitsmarkt? Oder sind hierzulande bald nur noch Forscher und Entwickler gefragt? Minsch: «Es wird in den nächsten Jahren tatsächlich eine grosse Herausforderung sein, in der Schweiz den heutigen Industrieanteil halten zu können.» Bisher sei das der Schweiz allerdings besser gelungen als anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder Grossbritannien.
Dass das so bleibe, sei aber nicht selbstverständlich: «Das Gespenst der Deindustrialisierung geht um», so Rudolf Minsch. Es gebe aber durchaus Argumente, die für einen starken Industriestandort Schweiz sprechen würden: «Die Konzerne sind sich weitgehend einig, dass für einen erfolgreichen Forschungs- und Entwicklungsstandort auch ein Teil der Produktion in der Schweiz bleiben muss.» Denn der direkte Austausch zwischen den beiden Bereichen sei sehr wichtig.