Die Reise scheint sich gelohnt zu haben. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin konnten letzte Woche in Washington Mitglieder der Trump-Regierung treffen. Danach hiess es, die Schweiz gehöre zu einer «privilegierten» Gruppe von 15 Ländern, mit denen die USA rasch einen Deal in der Zollfrage anstreben.
Das – virtuelle – Aufatmen war spürbar, denn der happige Importzoll von 31 Prozent, den Präsident Donald Trump am 2. April der Schweiz «aufdrücken» wollte, hat viele hierzulande aufgeschreckt. Zwar verkündete Trump angesichts revoltierender Finanzmärkte bald eine 90-tägige Zollpause für alle Länder ausser China, doch die Gefahr ist nicht gebannt.
Ein Basiszoll von 10 Prozent auf die meisten Produkte ist weiterhin in Kraft, was hiesige Industriebetriebe zu spüren kommen. Selbst diesen vermeintlich moderaten Zuschlag könnten die wenigsten US-Kunden «schlucken», schrieb die «NZZ am Sonntag». Deshalb gibt es Forderungen, die Bezugsdauer der Kurzarbeit von 18 auf 24 Monate zu verlängern.
Handlungsbedarf ist gegeben. Aber wie stehen die Chancen für einen möglichst schnellen Deal in der Zollfrage? Am selben Tag, an dem Donald Trump seine Zölle auf Eis legte, telefonierte Karin Keller-Sutter mit dem US-Präsidenten, was hierzulande Fantasien beflügelte. Und an der Trauerfeier für Papst Franziskus kam es zu einem Handshake.
In Washington traf sich Guy Parmelin mit Bildungsministerin Linda McMahon. Sie zeigte Interesse am dualen System der Schweiz, doch solche Bekundungen vernimmt man seit Jahren, ohne dass sich viel getan hätte. Und McMahons Aufgabe ist die «Zerschlagung» ihres Ministeriums. Man darf sich fragen, wie viel dieser Kontakt der Schweiz bringen soll.
Deutlich substanzieller war das Treffen mit Finanzminister Scott Bessent. Er soll einen wesentlichen Anteil an Trumps Entscheidung gehabt haben, die Zölle vorerst auszusetzen, weil der Markt für Staatsanleihen abstürzte. Und die Schweiz soll eine Ansprechperson im Department of the Treasury erhalten, was angesichts des Trump-Chaos nicht nichts ist.
Wie realistisch aber ist ein baldiger Durchbruch? Schweizer Unternehmen kündigten Investitionen in den USA von rund 150 Milliarden Dollar an (die zum Teil längst geplant waren), dennoch dämpfte die Bundespräsidentin die Erwartungen. Sie glaube nicht, dass die Welt zur alten Ordnung zurückkehren werde, sagte Keller-Sutter gegenüber Radio SRF.
Ein Zoll von null Prozent wäre «richtig und am besten», doch es könne gut sein, dass die USA nicht ganz auf zusätzliche Zölle verzichten würden, räumte sie ein. Die einseitige Abschaffung der Industriezölle könnte sich vor diesem Hintergrund als strategischer Fehler erweisen, denn damit hat die Schweiz ein Verhandlungspfand aus der Hand gegeben.
Und als grösste Hürde könnte sich die Landwirtschaft erweisen. Sie brachte den ersten Anlauf für ein Freihandelsabkommen mit den USA vor rund 20 Jahren zu Fall, woran die «Sonntagszeitung» in einem Kommentar erinnert. Der Bundesrat hat demnach 2008 mit 6:1 entschieden, die Verhandlungen abzubrechen, aus «Angst vor der mächtigen Bauernlobby».
Seither ventiliert unter anderem SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher die Idee, die Schweiz könne die Landwirtschaft aus Gründen der «nationalen Sicherheit» von einem solchen Vertrag ausnehmen. Einzelne Konzessionen stellt der Bundesrat in Aussicht, etwa eine Aufhebung der Einfuhrzölle auf Avocados oder Orangen, die bei uns nicht angebaut werden.
Es scheint fraglich, dass sich die Amerikaner mit diesem «bauernschlauen» Vorschlag begnügen werden. Das zeigt ein Interview mit dem gebürtigen Schweizer Ulrich Brechbühl, der in Trumps erster Amtszeit dessen Regierung angehörte, in der «NZZ am Sonntag». Für ihn geht es darum, die Zölle «beidseitig möglichst flächendeckend» zu senken.
Der Agrarsektor würde dabei nicht verschont. Angesichts ihrer kleinen Bevölkerung sei die Schweiz «für die US-Landwirtschaft kein entscheidender wirtschaftlicher Faktor», wiegelte Brechbühl ab: «Was zählt, sind Handel und Investitionen in Innovation, in Technologie oder Pharmaprodukte – da sollte man sich bei der Landwirtschaft einigen können.»
Im Klartext heisst das: Die USA erwarten Zugeständnisse in diesem Bereich. Davon geht auch der Chefredaktor der «Sonntagszeitung» aus. Donald Trump brauche die Farmer, «damit er nächstes Jahr die Kongresswahlen gewinnt». Deren Begeisterung für den Präsidenten hat sich abgekühlt, auch wegen dessen rabiaten Vorgehen gegen Migranten.
Die Schweiz komme deshalb nicht darum herum, «die Landwirtschaft zu opfern». Zumindest müsse sich die bürgerliche Mehrheit überlegen, wie sie «die Blockademacht der Bauern im Parlament bricht», damit nicht dasselbe passiere wie 2008. Sie sorgt durchaus für Unmut, das zeigt das Scheitern von Bauernpräsident Markus Ritter bei der Bundesratswahl.
Doch die Macht der Bauern im Bundeshaus ist eine Realität. Sie ist bei den Wahlen 2023 nochmals grösser geworden. Ohne die Bauern stehen die Bürgerlichen auf verlorenem Posten. Das bringt besonders die SVP in ein kaum auflösbares Dilemma. Sie versteht sich seit ihrer Gründung als Bauernpartei, gleichzeitig forciert sie den Freihandel.
Die Idee, die Landwirte mit höheren Direktzahlungen zu besänftigen, ist nicht nur wegen der angespannten Finanzlage des Bundes problematisch. Viele Bauern hadern noch heute mit diesem System. Sie möchten wie früher für ihre Produkte bezahlt werden, obwohl dies heuchlerisch war, denn damals regelte nicht der Markt die Preise, sondern der Staat.
«Die Schweiz wird geschätzt, unsere Argumente und unsere Position wurden gehört und man ist bestrebt, mit uns eine Lösung zu finden», bilanzierte Keller-Sutter im SRF-Interview: «Ich hoffe, dass wir auch ins Ziel kommen werden.» Ein Erfolg ist alles andere als sicher, denn auf dem Weg dorthin könnten sich die Bauern einmal mehr als Stolperstein erweisen.
Sie wird sich dem dann bei der Entnazifizierung nach Ende des Trump-Regimes stellen müssen.