Herr Haltiner, Sie traten im Oktober 2008 mit den Bundesratsmitgliedern Eveline Widmer-Schlumpf, Pascal Couchepin und Nationalbank-Chef Jean-Pierre Roth vor die Medien, um die Rettung der UBS zu kommunizieren. Warum brauchte es damals den Staat?
Eugen Haltiner: Die Ausgangslage war anders als nun bei der Credit Suisse. Damals gab es eine fundamentale Immobilien- und Hypothekenkrise in den USA, die weltweit Auswirkungen hatte und dann im Besonderen die UBS traf. Die CS war weniger betroffen, sie war besser organisiert und hatte die Krise früher auf dem Radar. Heute ist der unmittelbare Auslöser der Kollaps einer eher kleinen Bank, der Silicon Valley Bank - etwas vergleichsweise Isoliertes, die Dimension ist eine ganz andere.
Damals wie heute brach eine US-Bank zusammen, 2008 war es Lehman Brothers, nun die Silicon Valley Bank.
Lehman Brothers war ungleich wichtiger, und sie stand für ein Grundsatzproblem. Die Staatsrettung der UBS erfolgte in einem Punkt, als Lehman Brothers und andere Institute bereits am Boden waren. Unsere Intervention erfolgte auf dem Tiefpunkt, als letzte Massnahme. In der Folge erholten sich die Märkte relativ rasch. Die Intervention war unter höchster Vertraulichkeit vorbereitet worden, mit Bundesrat, Nationalbank und Bankenaufsicht. Danach informierten wir öffentlich, um zum Vertrauen und zur Stabilisierung beizutragen.
Am Ende resultierte für den Bund und die Nationalbank sogar ein Gewinn aus dem Engagement bei der UBS.
Ja, die übernommenen Risiken konnten wieder an den Markt abgetreten werden. Für den Bund resultierte ein Gewinn von rund 1.6 Milliarden Franken.
Damals kommunizierten Sie die Rettung an einer Pressekonferenz. Diesmal gab es zwar zur CS eine Bundesratssitzung, aber keine Kommunikation. Ist das richtig?
Je weniger man nach einem Entscheid kommuniziert, umso mehr Fragen bleiben offen. Das kann zur Verunsicherung beitragen. Für mich war der Verzicht auf eine Pressekonferenz im Fall CS nicht nachvollziehbar; der Entscheid der Nationalbank ist ja sachgerecht und erklärbar. Da hätte man gut hinstehen und eine Lagebeurteilung abgeben können.
Um so die verunsicherten CS-Kunden zu beruhigen?
Ja, und die Märkte insgesamt. Aufsicht, Nationalbank und Bundesrat müssten auch kommunikativ am gleichen Strick ziehen. Man hätte sagen können: Die Nationalbank stellt Liquidität zur Verfügung, die CS verfügt über die nötige Stabilität, sodass kein Grund zur Sorge besteht. Vielen Leute ist auch nicht bewusst, dass wir einen Einlegerschutz haben. Und dass das Schweizer Geschäft der CS selbst im Fall einer Katastrophe gesichert wäre, weil es in eine eigenständige Gesellschaft ausgelagert würde - das war eine Lehre aus der UBS-Krise. All das hätte man artikulieren können.
Dass die CS-Aktie zwar am Donnerstag stieg, aber am Freitag schon wieder unter Druck geriet, zeigt, dass die Verunsicherung nicht verschwunden ist.
Letztlich muss auch die Bank selbst überzeugend kommunizieren. Es reicht nicht, die Hilfe zu verdanken, sondern man sollte klarmachen, dass die Voraussetzungen vorhanden sind, dass die Kundinnen und Kunden die nötige Sicherheit haben. Wer schweigt, befördert die Spekulationen in den Medien - und somit die Ängste von Kunden und Marktteilnehmern.
Ex-CS-Chef Oswald Grübel sagte, die Nationalbank und die Finma hätten - wie die US-Behörden - schon nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank kommunizieren sollen, dass sie das Bankensystem notfalls stützen.
Das sehe ich auch so. Man hätte erklären können, dass die strengen schweizerischen Liquiditäts- und Eigenmittelvorgaben laufend überwacht werden. Die CS erfüllte ja diese Vorschriften, das muss man aber in einem nervösen, spekulativen Umfeld halt auch mal sagen. Zusätzlich hätte man betonen können, dass im Bedarfsfall die Nationalbank Liquidität zur Verfügung stellen kann. Das hätte zur Vertrauensbildung beigetragen. Wenn die Negativspirale einmal dreht, ist sie sehr schwer zu brechen.
Der Fall Credit Suisse ist seit Tagen in den internationalen Medien, sogar Deutschlands und Frankreichs Regierungschefs sprachen ihn an. Hat der Ruf des Finanzplatzes Schweiz gelitten?
Das glaube ich nicht, denn die Aufsichtsstrukturen und die Nationalbank haben ihre Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt.
Und wenn die CS zerlegt oder übernommen würde, wäre das ein Reputationsschaden?
Nicht, wenn die Abwicklung korrekt und geordnet verläuft. Die Stabilität des Finanzplatzes ist aus meiner Sicht unbestritten.
Gehen Sie davon aus, dass die CS im Alleingang überleben kann?
Das hängt jetzt stark davon ab, was auf der Kundenseite passiert. Wenn die Flucht der Kunden nicht gestoppt werden kann, wenn weiterhin Vermögenswerte und Spargelder abgezogen werden, dann wird es echt schwierig für die Bank. Diese Dynamik muss gebrochen werden. An sich müsste sich der Kunde jetzt beruhigen; die Voraussetzungen sind erfüllt. Aber ob das auch eintrifft, ist auch eine Frage der Kommunikation und der medialen Darstellungen.
Warum ist das so schwierig?
Die CS ist in einer Restrukturierung, und diese kostet nun erst einmal. Das könnte noch für längere Zeit zu roten Zahlen führen, was in der Öffentlichkeit negativ wahrgenommen wird. Entscheidend ist darum, dass die CS schnell wieder profitabel wird.
Die US-Bank JPMorgan hält eine Übernahme durch die UBS für ein wahrscheinliches Szenario. Teilen Sie diese Einschätzung?
Schon die Fusion von Bankgesellschaft und Bankverein 1998 war eine Gratwanderung in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht. Es kam teilweise anders, als die Wettbewerbskommission angenommen hatte. Im Fall von CS und UBS hätte die Weko sicher gewichtige Vorbehalte, weil beide Institute eine marktdominierende Stellung haben, auch wenn Raiffeisen stark gewachsen ist.
Sie haben eine lange Karriere bei der UBS gemacht. Würde sich deren Firmenkultur mit jener der CS vertragen?
Natürlich haben sie unterschiedliche Firmenkulturen. Aber ein Hindernis wäre das nicht. Das war auch zwischen SBG und SBV so, doch man konnte es aufarbeiten und nach ein paar Jahren gab es keine Spaltung mehr.
etwas lernen?!
Ich habe Zweifel. Wenn es um Gier geht, bleiben Finanzhäuser
lernresistent!