Beginnen wir mit ein bisschen Kopfrechnen und der folgenden Aufgabe:
Du willst in diesem Sommer mit deiner Partnerin oder deinem Partner an das Konzert von Guns N' Roses in Bern. Was bezahlt ihr für den Abend?
Zuerst einmal braucht ihr Tickets:
Ihr reist mit dem Zug von Luzern an.
Einen Babysitter benötigt ihr auch.
Jetzt wollt ihr auch noch essen und trinken.
Damit der Abend länger in Erinnerung bleibt, kauft ihr beide noch ein T-Shirt der Band für jeweils 65 Franken (zusammen: 130 Franken).
261.30 + 70 + 108 + 80 +130 = 649.30 Franken.
Verrückte, teure, neue Welt. Oder wie Guns N' Roses singen würden: «Welcome to the Jungle.»
Noch krasser ist das Beispiel Bob Dylan. Der Maestro gastiert diesen Sommer exklusiv in Montreux. Das günstigste Ticket kostet 365 Franken. Für 700 Franken gibt es «beste Sitzplätze» mit einem «Package», das unter anderem Getränke inkludiert. Und «His Bobness» bleibt ein absoluter Kassenschlager: Alle Tickets sind ratzeputz weg. Bereits kurz nachdem das Konzert angesagt wurde.
Bei den Grosskonzerten klettern die Ticketpreise kontinuierlich nach oben. 2016 kostete beispielsweise ein Stehplatz der britischen Band Coldplay im Letzigrund noch 124.85 Franken. Jetzt sind es 36 Franken mehr – der günstigste Stehplatz kostet 160.15 Franken.
Doch auch hier: Beide Shows der britischen Band sind restlos ausverkauft. Auch die Guns N' Roses gab es bei ihrem letzten Auftritt für rund 11 Franken weniger.
Die Inflation kurbelt die Preisspirale überall an, doch gerade im Musikmarkt kann ein besonderer Anstieg beobachtet werden. Der Ticketpreis für ein Konzert oder einen Festivaltag betrug 2022 im Durchschnitt 86.51 Franken, wie aus dem neusten Branchenindex der Swiss Music Promoters Association (SMPA) hervorgeht. Das sind 12.6 Prozent mehr als noch im Vorjahr.
Nicht ganz so krass ist der Preisanstieg, wenn man auf die Vor-Corona-Zeit zurückgeht. 2019 lag der Durchschnittspreis bei rund 80 Franken.
In diesen Durchschnitt fliessen insgesamt 2321 Veranstaltungen von SMPA-Mitgliedern ein. «Darunter hat es auch zahlreiche kleinere Veranstaltungen und Mehrtagespässe für Festivals, welche den Schnitt nach unten ziehen», erläutert Christoph Bill, Präsident der SMPA. Auch wenn die Konzertsaison 2023 gerade erst gestartet ist, geht Bill davon aus, dass auch in diesem Jahr die Durchschnittspreise nochmals etwas steigen.
«Offensichtlich ist das Publikum bei Must-see-Acts nicht so preissensibel», sagt Bill, der selbst Veranstalter ist. Er leitet das Heitere Open Air in Zofingen. Hier werden die Preise für 2023 noch weitgehend belassen, auch wenn, so Bill, «die ganzen Produktionskosten deutlich gestiegen sind».
Dazu haben teurere Preise für Energie, für Material oder für Transporte sowie höhere Löhne bei den Dienstleistern, aber auch gestiegene Gagen bei den internationalen Künstlerinnen und Künstlern beigetragen. Nach der Pandemie seien diese teurer geworden, sagen mehrere angefragte Veranstalter. Gerade für die mittelgrossen Acts seien diese spürbar gestiegen.
Das hänge auch mit dem gesättigten Markt in der Schweiz zusammen. Ebenfalls auf die Kosten schlägt die Verteuerung der Technik. Auch hier hat die Pandemie einen Einfluss: Fachkräfte wanderten ab, so dass die Löhne angepasst werden mussten und Komponenten für Live-Equipment wurden während der Lockdowns in China nicht oder nicht ausreichend produziert.
All das erklärt aber den steten Anstieg bei den Ticketpreisen höchstens teilweise. Christoph Bill formuliert es diplomatisch: «Am Ende definieren die Künstler beziehungsweise ihre Vertreterinnen und Vertreter – massgeblich auch aufgrund der Nachfragesituation – die Höhe ihrer Gagen und sie bestimmen, wie viel Material sie tatsächlich mitführen wollen.» Coldplay um Chris Martin geben sich gerne als Weltverbesserer, beim eigenen Portemonnaie will die Band aber offensichtlich keine Abstriche machen.
Ein weiterer Grund für die gestiegenen Preise ist die Ballung auf dem Eventmarkt. Im Wesentlichen teilen sich mehrere grosse Firmen den Markt auf. Darunter vor allem die beiden bekannten internationalen Grossveranstalter CTS Eventim und Live Nation – aber auch weitere grosse Player wie etwa die Deag.
Die beiden Giganten im Veranstaltungsgeschäft sind mittlerweile auch in der Schweiz fest verankert. Live Nation gehört etwa das Open Air Frauenfeld, CTS Eventim besitzt das Open Air St. Gallen und andere Festivals in der Schweiz. Beide Veranstalter sind auch eng verknüpft mit einer jeweiligen Ticketplattform. Auch Deag hat sich mittlerweile im Schweizer Markt etabliert.
Weniger Firmen heisst auch weniger Wettbewerb. Während früher mehrere kleinere Unternehmen darum buhlten, ihre Bands in ein Festival-Line-up zu bringen, sind die Ansprechpersonen weniger geworden. Gleichzeitig ist der Festivalmarkt in der Schweiz sehr gesättigt – das schwächt die Verhandlungsbasis der Veranstalter gegenüber den Grosskonzernen. Ein Veranstalter formuliert es so: «Das ist nicht der grösste Kostentreiber, aber wir spüren jeden fehlenden Handlungsspielraum.»
Auch bei allen kommenden Grosskonzerten mischt entweder der eine oder der andere Veranstalter mit. Bill, erneut diplomatisch: «Es gibt bei gewissen Veranstaltungen und Acts kein Vorbeikommen mehr an den internationalen Konzernen.» Diese seien aber allesamt Mitglieder im Branchenverband SMPA, und der Austausch gestalte sich gut. Er verstehe aber durchaus, dass die «reine Marktmacht» von Konzernen aus gewissen Perspektiven als «problematisch» angesehen werden könnte.
Dass sich die grossen Veranstalter immer breiter machen, zeigt ein Blick in den Geschäftsbericht von CTS Eventim. Rund 149 Millionen Euro Umsatz erzielte der Konzern letztes Jahr in der Schweiz. Konkret ausgewiesen sind die Umsätze nicht, es spielen noch andere Bereiche rein – so gehört auch der Tickethändler Ticketcorner zu 50 Prozent zum Unternehmen.
Das grosse Wachstum in der Schweiz resultiere aber «im Wesentlichen aus dem Segment Live Entertainment», so der Veranstaltungsgigant. Mittlerweile setzt CTS Eventim weltweit knapp 2 Milliarden Euro um. Vor zehn Jahren waren es noch 520 Millionen.
Boombranche Tickets und Kultur. Kein Wunder, haben auch Finanzgiganten wie Blackrock in den Konzern investiert. Das ist jene Investmentgesellschaft, die gerüchteweise auch ein Kaufangebot für die Credit Suisse platziert hat. Blackrock und Co. investieren vor allem dort, wo sie fette Rendite vermuten. Da wird durchoptimiert bis zum letzten Franken.
Und dass noch weiter optimiert werden kann, zeigt der Blick auf die USA, wo Konzertveranstalter mittlerweile auf dynamische Preise setzen. Verknappt sich das Angebot, steigen die Ticketpreise. Für Bruce Springsteen kosteten deshalb einzelne Tickets bis zu 5000 Dollar.
Von den richtigen Auswüchsen ist man in der Schweiz noch ein bisschen weg, aber es gibt sie bereits, die ersten schüchternen Experimente mit einem solchen Preismodell.
Es nennt sich Platin-Ticket. Was genau daran «Platin» sein soll, erschliesst sich nicht: Einen eigentlichen Mehrwert neben dem Ticket erhalten die Kundinnen und Kunden nicht. Keinen Zugang zu einem VIP-Zelt, keinen schnelleren Einlass, kein Freigetränk. Und trotzdem: Solche Tickets finden sich derzeit beispielsweise für Guns N' Roses.
«Der Veranstalter hat die Preise für diese Tickets entsprechend ihrem Marktwert festgelegt», heisst es dazu trocken. Konkret bedeutet das, dass der Sitzplatz statt wie normal 190.65 nun 231.55 Franken kostet. Auch beim Schweizer Konzert von Springsteen scheint ein solches Modell zur Anwendung gekommen zu sein. Mittlerweile ist der Anlass ausverkauft. Ziel solcher Platin-Angebote sei es, Fans «einen sicheren und fairen» Zugang zu stark nachgefragten Tickets anzubieten.
Teilweise werden die Platin-Tickets erst später aufgeschaltet. Also dann, wenn die restlichen Tickets schon vergriffen sind. So regulieren die Veranstalter ihren Markt selbst: Sie verknappen zuerst die verfügbaren Tickets und bieten nachher die gleiche Ware zu einem höheren Preis an. So erhalten Fans zwar die Chance, doch noch an ein ausverkauftes Konzert zu kommen, aber sie müssen tiefer in die Tasche greifen. Angebot und Nachfrage. Und am Ende freut sich vor allem der Veranstalter.
Gelernt haben die Veranstalterfirmen dies bei den Schmuddelkindern der Branche: den Zweithändlern. Auf Viagogo und Co. wurde offensichtlich, wie viel Geld Fans für eine Veranstaltung zu bezahlen bereit sind. Oder wie Michael Rapino, CEO von Live Nation, 2019 in einem Interview sagte:
Vordergründig solle so mehr in die Taschen der Bands fliessen, auch mitgedacht sind aber die Aktionärinnen und Aktionäre, die auf eine fette Dividende hoffen.
Veranstalter Christoph Bill macht sich keine Illusionen: «Irgendwann werden wir bei grösseren Anlässen wohl auch in der Schweiz öfters dynamische Preise sehen.» Die zögerlichen Versuche seien wohl erste Vorboten. Entsprechende Preismodelle kennen zahlreiche Airlines, Hotels und Skigebiete. Am Ende profitieren meist einige wenige Frühbucher. Für die Mehrzahl der Kundinnen und Kunden bedeutet ein dynamischer Preis dagegen vor allem eines: noch höhere Kosten.
(aargauerzeitung.ch)
Ich fand 15 bis 30 damals schon steil.
Allerdings war das aus der Perspektive eines Lehrlings. Der sich zwischen noch 2 bis 3 Bier mehr oder einem Shirt entscheiden musste.